Deutsch-amerikanische Beziehungen "Willkommen im Zwei-Prozent-Klub!"
Nach stürmischen Jahren sind die Beziehungen zwischen Berlin und Washington wieder freundschaftlich. Das liegt auch am Umdenken der Bundesregierung und dem Sondervermögen für die Bundeswehr.
Es gibt Momente, auf die mussten deutsche Regierungsvertreter bei USA-Besuchen lange warten. Doch die von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufene "Zeitenwende" und die damit verbundenen Milliarden für die Bundeswehr zeigten Wirkung.
"Eine schöne Grundlage"
"Ich war gerade kurz danach in den USA und bin dort begrüßt worden: 'Welcome to the 2%-Club!'" So erzählt es Verteidigungsministerin Christine Lambrecht am Montagabend bei der Deutsch-Amerikanischen Konferenz von Atlantik-Brücke und American Council on Germany unweit des Brandenburger Tors.
Der "2%-Club" ist eine Anspielung auf die beim NATO-Gipfel 2014 beschlossene Verpflichtung der Mitgliedstaaten, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für das eigene Militär auszugeben. Deutschland hatte sich über viele Jahre immer wieder gallige Kritik aus den Vereinigten Staaten - nicht nur von Präsident Donald Trump - anhören müssen, weil seine Ausgaben darunter lagen. Plötzlich stehen 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr im Raum.
Wer genau die Verteidigungsministerin da kürzlich im Klub begrüßt hat, verrät sie nicht. Die Erinnerung jedoch löst bei ihr ein entspanntes Lachen aus: "Das war schon mal eine schöne Diskussionsgrundlage, die wir dann hatten."
Differenzen, aber vertrauensvoll
Die Regierungsbeziehungen zwischen Deutschland und den USA haben eine stürmische Phase hinter sich. Trump hatte mit dem Prinzip "America First!" einen brachialen nationalen Egoismus zur Leitlinie seiner Politik gemacht. Für die internationale Zusammenarbeit nach anerkannten Regeln war dabei kein Platz.
Der Wahlsieg des Demokraten Joe Biden sorgte im Berliner Regierungsviertel für ein spürbares Aufatmen. Zwar drohten zunächst auch weiterhin Sanktionen gegen die Ostseepipeline Nord Stream 2. Am Ende ließ der Präsident die Sache aber nicht eskalieren - ein Entgegenkommen.
Es gebe zwar auch weiterhin Differenzen bei einzelnen Themen, sagt Laura von Daniels, die bei der Stiftung Wissenschaft und Politik die Forschungsgruppe Amerika leitet: "Das findet alles auf einem vertrauensvollen Niveau statt. Es ist wieder in einem ganz anderen Fahrwasser als etwa unter Präsident Trump."
Eine "Phase allerengster und freundschaftlicher Kooperation zwischen den USA und Deutschland" sieht Michael Georg Link, Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio: "Diese US-Administration nimmt die EU als 'partner in leadership' ernster als jede Administration zuvor."
Bürger sehen bessere Partnerschaft
Die Veränderungen im deutsch-amerikanischen Verhältnis spiegeln sich auch in Umfragezahlen wider. Schon in der Studie "The Berlin Pulse Survey 2021/22" der Körber-Stiftung hatten die Befragten in Deutschland die Partnerschaft zu den USA sehr viel besser eingeschätzt als in den Jahren zuvor.
Ganz aktuell sind die Ergebnisse einer Umfrage des Vereins Atlantik-Brücke und des American Council on Germany, die bei deren Konferenz in Berlin veröffentlicht wurden. Demnach wird die Partnerschaft auf beiden Seiten des Atlantiks von einer großen Mehrheit als stark gesehen: In Deutschland sind es 72 Prozent der befragten Bürger, in den USA 69 Prozent.
Förderlich für das gegenseitige Vertrauen war offenbar auch die jeweilige Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. 62 Prozent der befragten Deutschen gaben an, die US-Antwort auf den Krieg habe ihr Vertrauen in die USA gestärkt. Die deutsche Ukraine-Politik führte bei 60 Prozent der US-Bürger zu einem gestärkten Vertrauen in Deutschland.
"Zusagen müssen eingehalten werden"
Die "Zeitenwende" ist ausgerufen. Die Umsetzung dürfte unter genauer Beobachtung stehen. Die deutsche Entscheidung, die eigene Armee zu stärken, sei "historisch", sagt Woodward Clark Price, der stellvertretende US-Botschafter in Berlin, und ergänzt: "Die gemachten Zusagen müssen eingehalten werden."
Der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung sagt: "Wir haben nun ein Zeitfenster, in dem wir die Europäische Union außen- und verteidigungspolitisch handlungsfähiger machen müssen und wollen." Das solle, so der FDP-Politiker Michael Georg Link, nicht als Ersatz oder in Konkurrenz zur transatlantischen Partnerschaft und der NATO passieren, sondern als Ergänzung "für ein stärkeres, effizienteres und verteidigungsfähigeres Europa".
Das wirft wieder einmal die Frage nach Deutschlands Rolle in der Welt auf. Die aktuelle Studie reflektiert hierzulande eine bescheidene Einschätzung. Während in den USA 52 Prozent der Befragten die Vereinigten Staaten für eine globale Führungsnation mit starkem Einfluss auf den Rest der Welt halten, unterstützen nur 18 Prozent der befragten Deutschen diese Ansicht für das eigene Land.
USA erwarten Klarheit im Umgang mit China
Doch auf eine solch zurückgenommene Rolle wird sich die Bundesregierung wohl nicht mehr dauerhaft berufen können. Laura von Daniels sieht auf Seiten der Biden-Regierung zwar einen großen Vertrauensvorschuss und auch Geduld für langwierige Prozesse in Deutschland. Aber auch das könne an ein Ende kommen.
Handeln werde in Washington vor allem beim Umgang mit China erwartet: "Was auf US-Seite zunehmend auf Widerstand stößt, ist unser Zögern und Zaudern davor, eigene Strategien - auch mit robustem Ansatz - zu entwickeln, mit den USA abzustimmen und auch die Kosten auszuhalten", sagt Daniels.
Die deutsch-amerikanischen Beziehungen waren stark genug, die Präsidentschaft von Trump zu überstehen. Zeit zum Zurücklehnen gibt es nicht. 2024 wird in den USA wieder gewählt. Der Sieger muss nicht erneut Biden heißen.