ARD-DeutschlandTrend Zwei Drittel machen sich Sorgen um die Demokratie
Ein große Mehrheit der Deutschen sorgt sich um den Zustand der Demokratie in unserem Land. Aber auch auf Frankreich und die USA - wo noch in diesem Jahr gewählt wird - blicken die Deutschen mit Besorgnis.
In vier Monaten findet die Präsidentenwahl in den USA statt. Obwohl der amtierende US-Präsident Joe Biden im Duell mit seinem Vorgänger Donald Trump große Schwächen zeigte, wird Biden nach jetzigem Stand für die Demokraten antreten und Trump für die Republikaner. Auf beide blicken die Deutschen mit großer Skepsis: 28 Prozent sind eher von Joe Biden überzeugt; neun Prozent eher von Donald Trump - aber die Mehrheit (59 Prozent) ist von keinem der beiden aktuellen Kandidaten überzeugt.
Die Deutschen sind mit ihrer Skepsis nicht allein. Auch US-Umfragen zeigen regelmäßig die Zurückhaltung gegenüber beiden Kandidaten: Sowohl Trump als auch Biden werden mehrheitlich negativ bewertet - und nicht erst seit dem verpatzen TV-Duell ist eine Mehrheit der US-Bürger überzeugt, dass Biden zu alt ist, um das Amt des Präsidenten effektiv auszuüben.
Besorgnis um Frankreich
In Frankreich findet schon an diesem Sonntag die entscheidende zweite Runde der vorgezogenen Parlamentswahlen statt. Im ersten Wahlgang zur französischen Nationalversammlung ist der Rassemblement National stärkste Kraft geworden. Sollte die Rechts-Außen-Partei von Marine Le Pen künftig die französische Regierung anführen, wäre dies nach Meinung von sechs von zehn Deutschen (61 Prozent) eher schlecht für die deutsch-französischen Beziehungen. Für jeden Fünften (19 Prozent) würde sich nicht viel ändern. Fünf Prozent sähen eher positive Folgen.
Derweil macht sich eine Mehrheit der Deutschen (59 Prozent) um die Zukunft der Demokratie in Frankreich große bzw. sehr große Sorgen. Sogar jeweils zwei Drittel der Deutschen sorgen sich um die Zukunft der Demokratie in den USA (67 Prozent) sowie Deutschland (69 Prozent). Weniger besorgt sind die Deutschen mit Blick auf ein Land, in dem an diesem Donnerstag das Unterhaus gewählt wird: Um die Zukunft der Demokratie in Großbritannien sorgt sich jeder Vierte (25 Prozent), eine Mehrheit (58 Prozent) ist weniger bzw. gar nicht besorgt.
Die Diskussion - wie gefestigt ist die Demokratie im Land? - wird in den USA und in Deutschland geführt, aber sie bezieht sich auf unterschiedliche politische Systeme. In den USA hat der Angriff auf das Kapitol am 6. Januar 2021 gezeigt, wie ein demokratisches Wahlergebnis in Frage gestellt und die Übergabe der Amtsgeschäfte an den gewählten Präsidenten gefährdet wurde.
Sorgen um Demokratie - aus unterschiedlichen Gründen
In Deutschland eint die Sorge um die Zukunft der Demokratie Anhänger unterschiedlichster Parteien: Am stärksten ausgeprägt ist sie unter Anhängern von AfD (76 Prozent) und BSW (77 Prozent) - noch vor Grünen und Union (jeweils 69 Prozent). Dabei ist aus vergangenen Befragungen bekannt, dass die Beweggründe für diese Sorge höchst unterschiedliche sind.
Als der ARD-DeutschlandTrend im Februar nach den größten Gefahren für die Demokratie fragte, nannten die Anhänger von Grünen und Union vor allem Rechtsextremismus und -populismus. Unter den Anhängern von AfD und BSW wurde als Gefahr für die Demokratie in Deutschland am häufigsten die Abgehobenheit von Politik genannt.
Union bei Sonntagsfrage deutlich vorn
Wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die SPD auf 14 Prozent (-1 im Vgl. zu Ende Mai). Die Union bleibt stabil bei 31 Prozent und wäre damit aktuell klar stärkste Kraft. Die Grünen würden sich leicht verschlechtern auf 13 Prozent (-1). Die FDP läge mit aktuell fünf Prozent (+1) oberhalb der Mandatsschwelle. Die AfD büßt gegenüber dem Vormonat einen Punkt ein und kommt derzeit auf 17 Prozent. Die Linke bleibt bei drei Prozent und damit unterhalb der Mandatsschwelle. Das Bündnis Sahra Wagenknecht verbessert sich um drei Punkte und landet aktuell bei acht Prozent. Auf alle anderen Parteien entfallen derzeit neun Prozent.
BSW - im Osten positiver bewertet als im Westen
Rund ein halbes Jahr nach Gründung der Partei fänden es 38 Prozent der Deutschen gut, wenn das Bündnis Sahra Wagenknecht künftig an Landesregierungen beteiligt wäre; 46 Prozent fänden das nicht gut. In den ostdeutschen Bundesländern, wo im September drei Landtagswahlen anstehen, wird eine künftige Beteiligung des BSW an Landesregierungen sogar mehrheitlich unterstützt (55 Prozent); 29 Prozent fänden eine solche Beteiligung nicht gut.
Bundesweit teilt mehr als die Hälfte der Deutschen (57 Prozent) die Ansicht, das BSW habe außer Sahra Wagenknecht wenig zu bieten. Ebenfalls eine Mehrheit (53 Prozent) sieht es indes positiv, dass sich das BSW gleichzeitig für mehr Soziales und weniger Zuwanderung einsetzt (+6 im Vgl. zu Juni 2024). 36 Prozent finden es gut, dass sich das BSW gegen weitere Waffenlieferungen für die Ukraine einsetzt (+5). Knapp jeder Dritte (31 Prozent) unterstützt es, dass das BSW für ein besseres Verhältnis mit Russland eintritt (+1). Auch in diesen Fragen wird das BSW in den ostdeutschen Bundesländern überdurchschnittlich positiv bewertet.
AfD-Anhänger fühlen sich besonders unsicher
Zuletzt wurde verstärkt über Gewaltdelikte in Deutschland diskutiert, unter anderem mit Blick auf Messerangriffe. Auch die polizeiliche Kriminalstatistik 2023 zeigt einen Anstieg registrierter Straftaten in Deutschland, zum Beispiel im Bereich der Gewalt- und Eigentumsdelikte. Und auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Deutschen hat abgenommen: Nach wie vor fühlt sich eine knappe Mehrheit der Deutschen im öffentlichen Raum entweder sehr sicher (13 Prozent) oder eher sicher (43 Prozent). Im Januar 2017 traf dies jedoch noch auf drei von vier Deutschen (75 Prozent) zu. 40 Prozent hingegen fühlen sich heute eher unsicher oder sogar sehr unsicher (+17 im Vgl. zu Januar 2017).
Unter Männern (61 Prozent) ist das Sicherheitsgefühl etwas stärker ausgeprägt als unter Frauen (52 Prozent). Bei den älteren Menschen über 65 Jahren sagen sogar zwei Drittel (68 Prozent), sie fühlten sich eher sicher oder sogar sehr sicher. Mehrheitlich sicher fühlen sich Anhänger der Grünen (92 Prozent), der SPD (80 Prozent), der FDP (70 Prozent), der Union (56 Prozent) und des Bündnis Sahra Wagenknecht (54 Prozent). Unter Anhängern der AfD fühlen sich hingegen mehr als drei Viertel (78 Prozent) eher unsicher oder sogar sehr unsicher.
Größte Angst: Diebstahl
Am stärksten verbreitet ist unter den Bürgerinnen und Bürgern die Befürchtung, Opfer von Diebstahl zu werden. Jeder Zweite (49 Prozent) hat diese Sorge immer, öfter oder zumindest manchmal, wenn er oder sie sich in Deutschland auf öffentlichen Plätzen, Straßen, in Parkanlagen bewegt bzw. öffentliche Verkehrsmittel benutzt (+12 im Vergleich zu Januar 2017).
Fast ebenso viele Deutsche (46 Prozent) haben die Befürchtung, beleidigt oder angepöbelt zu werden. 27 Prozent haben immer, öfter bzw. manchmal die Befürchtung, geschlagen oder verletzt zu werden (+11). Ebenso viele haben mindestens manchmal die Sorge, Opfer eines terroristischen Anschlags zu werden. Jeder Fünfte (20 Prozent) hat mindestens manchmal die Befürchtung, sexuell bedrängt zu werden (+10); unter Frauen betrifft diese Sorge jede Dritte (32 Prozent).
EM: Mehrheit glaubt an Sieg gegen Spanien
Bei der Fußball-Europameisterschaft blicken die Deutschen mehrheitlich optimistisch dem Viertelfinale der eigenen Nationalmannschaft gegen Spanien an diesem Freitag entgegen. Nur jeder Dritte (33 Prozent) geht davon aus, dass die deutsche Nationalmannschaft im Viertelfinale ausscheidet. 54 Prozent dagegen rechnen mit einem Weiterkommen. Und dann? Ein Fünftel der Deutschen (21 Prozent) glaubt, dass für die Nationalmannschaft im Halbfinale Endstation sein wird. 15 Prozent trauen ihr eine Finalteilnahme zu und 18 Prozent glauben gar an einen deutschen EM-Titel.
Grundgesamtheit: Wahlberechtigte in Deutschland
Erhebungsmethode: Zufallsbasierte Telefon- und Online-Befragung (davon 60 Prozent Festnetz, 40 Prozent Mobilfunk)
Erhebungszeitraum: 01. bis 03. Juli 2024
Fallzahl: 1.294 Befragte (770 Telefoninterviews und 524 Online-Interviews)
Gewichtung: nach soziodemographischen Merkmalen und Rückerinnerung Wahlverhalten
Schwankungsbreite: 2 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 10 Prozent
3 Prozentpunkte bei einem Anteilswert von 50 Prozent
Durchführendes Institut: infratest dimap
Die Ergebnisse sind auf ganze Prozentwerte gerundet, um falsche Erwartungen an die Präzision zu vermeiden. Denn für alle repräsentativen Befragungen müssen Schwankungsbreiten berücksichtigt werden. Diese betragen im Falle einer Erhebung mit 1000 Befragten bei großen Parteien rund drei Prozentpunkte, bei kleineren Parteien etwa einen Punkt. Hinzu kommt, dass der Rundungsfehler für kleine Parteien erheblich ist. Aus diesen Gründen wird keine Partei unter drei Prozent in der Sonntagsfrage ausgewiesen.