Eine Frau steht in ihrer Wohnung an einem Fenster.

Gesetz im Bundestag Der lange Kampf für Mutterschutz nach Fehlgeburten

Stand: 30.01.2025 14:22 Uhr

Bislang müssen sich Frauen nach einer Fehlgeburt in der frühen Schwangerschaft krankschreiben lassen. Mit dem "gestaffelten Mutterschutz" soll sich das nun ändern. Ein langer Weg von der Petition zur Gesetzesänderung.

Von Sarah Beham, ARD-Hauptstadtstudio

Endspurt für Natascha Sagorski: Sie und ihr Vorhaben sind im Bundestag angekommen: "Nach drei Jahren hartem Kampf und Petitionsstart soll endlich der gestaffelte Mutterschutz nach Fehlgeburten verabschiedet werden."

Heute lächelt Sagorski aus dem bayerischen Unterföhring. Doch angefangen hat alles mit Trauer: Sie hatte eine Fehlgeburt erlitten. Die 40-Jährige erinnert sich noch genau an den Moment, als sie blutete, als der Schmerz kam - körperlich wie seelisch. "Mir wurde noch im Krankenhaus von der Ärztin gesagt: 'Frau Sagorski, Sie brauchen keine Krankschreibung, Sie können morgen wieder arbeiten gehen.'" Das aber konnte sie nicht.

Von der Petition zum Gesetzentwurf

Fast jede dritte Frau erleidet in Deutschland eine Fehlgeburt. Verlieren die Frauen in der frühen Phase der Schwangerschaft das Kind, haben sie bislang keinen Anspruch auf Mutterschutz. Erst nach Ende des 6. Schwangerschaftsmonats steht ihnen Schutzzeit zu. Die Ampel-Regierung hatte sich zwar eine Reform vorgenommen, doch passiert ist lange nichts.

Sagorski wollte das ändern. Sie hat sich für betroffene Frauen eingesetzt, damit ihnen früher ein Recht auf Mutterschutz zusteht. Vor drei Jahren startete sie daher eine Petition. Sie mobilisierte Familien, Frauen, Betroffene. 2023 demonstrierten sie gemeinsam in Berlin, überreichten die Petition mit mehr als 70.000 Unterschriften an Bundespolitikerinnen.

Rückblickend meint die familienpolitische Aktivistin heute: "Ein Thema, das familienpolitisch ist und dann auch noch fast nur Frauen betrifft - das dann auf die höhere Ebene zu heben, war glaube ich, die größte Herausforderung." 

Zwar herrschte bei den demokratischen Parteien Einigkeit über die Unterstützung, doch das Vorhaben wackelte. Die Ampel-Regierung zerbrach vergangenes Jahr, mittlerweile ist der Wahlkampf in vollem Gange.

Parteiübergreifende Zusammenarbeit

Und doch schafft es die Gesetzesänderung kurz vor der Wahl in den Bundestag zur Abstimmung: Frauen, die eine Fehlgeburt erleiden, sollen künftig bereits ab der 13. Schwangerschaftswoche Schutz erhalten. SPD und Grüne hatten zunächst die 17. Schwangerschaftswoche in einem Entwurf vorgeschlagen, CDU/CSU die 13. Woche. Parteiübergreifend haben sich die Familienpolitikerinnen jetzt darauf verständigt.

Heute Abend wird die Gesetzesänderung final verabschiedet: "Das ist ein sehr, sehr guter Tag für die Rechte von Frauen", sagt Sarah Lahrkamp von der SPD im Interview mit tagesschau.de

Auch Silvia Breher von der CDU ist "unfassbar froh, dass das gelungen ist." Kritik an der zuständigen Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) klingt an: "Ich hätte mir schon gewünscht, dass diese Dinge deutlich früher und deutlich besser aus dem Bundesfamilienministerium heraus gelungen wären - sie kamen leider nicht", so Breher.

Franziska Krummwiede-Steiner von den Grünen hingegen verteidigt ihre Ministerin: "Wir wollten natürlich noch mehr haben", sagt sie, beispielsweise die Familienstartzeit. Die Paket-Verhandlungen scheiterten jedoch, unter anderem wegen der Finanzierung.

Sagorski ist mittlerweile parteipolitisch engagiert

Einig sind sich aber alle: Der Erfolg gebührt Natascha Sagorski, denn erst durch ihre Petition hat sie den Anstoß zum gestaffelten Mutterschutz gegeben: "Zu zeigen, dass es in Deutschland, in unserer Demokratie möglich ist, als eine Betroffene so weit zu kommen: Das zeigt einfach, dass Demokratie funktioniert", sagt Sagorski.

Sie ist durch ihr Engagement mittlerweile in eine Partei eingetreten, die SPD. "Wir schimpfen immer sehr viel auf Politik und auf Parteien. Aber ich glaube, um wirklich schimpfen zu können, muss man es erst einmal versuchen, es besser zu machen." Und das habe sie vor.

Auch das Gewalthilfegesetz kommt

Neben dem gestaffelten Mutterschutz haben sich die Familienpolitikerinnen im Bundestag parteiübergreifend auf einen weiteren Meilenstein einigen können: Künftig soll es für von Gewalt betroffene Frauen mehr Schutz geben. Dafür steigt die Bundesregierung erstmals in die Finanzierung mit ein: Bis 2036 sollen 2,6 Milliarden Euro in die Prävention, die Beratung, aber auch in Frauenhäuser fließen. Auch darüber soll der Bundestag final abstimmen.

Der Handlungsbedarf war groß: Seit Jahren machen Frauenhäuser darauf aufmerksam, dass es finanzielle Hilfe vom Bund brauche, es zu wenig Plätze gebe. In ganz Deutschland fehlen rund 15.000 Frauenhausplätze. Für die Finanzierung sind eigentlich die Länder zuständig.

Das Gesetz hatte sich lange verzögert. Bundesfamilienministerin Paus scheiterte mit ihrem Gesetz am damaligen Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Knackpunkt war das Geld.

"Hierüber wurde jahrelang in Deutschland debattiert, nun sind wir einen großen Schritt nach vorne gekommen bei der Umsetzung eines kostenlosen Rechts- und Beratungsanspruchs für Frauen. Das bewegt mich sehr, denn damit können wir Leben retten und Gewaltübergriffen gegen Frauen vorbeugen", so Paus.

Mit dem sogenannten Gewalthilfegesetz wird künftig auch ein Rechtsanspruch auf Schutzplätze und Beratung gelten - allerdings wohl erst ab 2030.

Sarah Beham, ARD Berlin, tagesschau, 30.01.2025 08:29 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 30. Januar 2025 um 17:00 Uhr.