Aktionswoche gegen Einsamkeit Einsamkeit ist unter Jüngeren weit verbreitet
Einsamkeit schien lange Zeit ein Phänomen des hohen Alters zu sein - doch die Coronazeit hat vor allem junge Menschen stark belastet. Und das Gefühl hält an, zeigt eine aktuelle Umfrage.
Viele junge Menschen fühlen sich einer Umfrage zufolge einsam. Etwa jeder zehnte Befragte (elf Prozent) im Alter zwischen 16 und 30 Jahren gab in der Studie im Auftrag der Bertelsmann Stiftung an, sehr einsam zu sein. Weitere 35 Prozent fühlten sich demnach "moderat einsam".
Je nach Geschlecht und Altersgruppe schwanken die Werte dabei zwischen 33 Prozent und 51 Prozent. So seien junge Frauen häufiger von Einsamkeit betroffen als junge Männer. Am stärksten sei die Einsamkeit zwischen 19 bis 22 Jahren, hieß es.
"Allgemeiner Krisenmodus" ein Grund
Die Werte liegen den Angaben zufolge weiterhin deutlich über jenen von vor der Coronazeit. "Die Zunahme der Einsamkeit scheint in dieser Altersgruppe somit nachhaltig zu sein", schlussfolgerten die Experten. Der Anstieg könne zudem nicht allein durch die Kontaktbeschränkungen der Pandemie erklärt werden.
Einfluss könnten veränderte Bedingungen des Erwachsenwerdens haben, veränderte Kommunikations- und Umgangsformen sowie ein "allgemeiner Krisenmodus". Auch könne es eine Rolle spielen, dass Arbeitsstellen und Beziehungen häufiger als früher gewechselt oder beendet würden. Welche dieser Ursachen wie stark wirke, müsse weiter untersucht werden. Auch gebe es Anzeichen dafür, dass die Anzahl der Kontakte inzwischen wieder als ausreichend empfunden werde - deren Qualität jedoch nicht.
Die Bertelsmann Stiftung wurde 1977 durch den Unternehmer Reinhard Mohn gegründet, den damaligen Chef des Medienkonzerns Bertelsmann. Nach Angaben des Konzerns halten Stiftungen, unter anderem die Bertelsmann Stiftung, heute etwas mehr als 80 Prozent der Aktien am Bertelsmann-Konzern, zu dem unter anderem die RTL Group, das Musikunternehmen BMG, die Verlagsgruppe Penguin Random House sowie Servicegeschäfte gehören.
Für ihre Studien sammelt und analysiert die Bertelsmann Stiftung Daten und gibt Handlungsempfehlungen an die Öffentlichkeit und Entscheidungsträger ab. Sie arbeitet operativ, das heißt sie unterstützt nicht die Arbeit Dritter, sondern investiert ausschließlich in selbst initiierte Projekte. Dabei dient sie nach eigenen Angaben dem Gemeinwohl und ist zu politischer Neutralität verpflichtet.
Je einsamer, desto unglücklicher
Insgesamt berichtete die Altersgruppe zwischen 16 und 30 Jahren von einer mäßigen Lebenszufriedenheit. Der Wert lag bei 6,75 auf einer Skala von null (überhaupt nicht zufrieden) bis zehn (völlig zufrieden).
Je einsamer sich jemand fühlt, desto geringer sei auch die Lebenszufriedenheit. Besonders häufig betroffen sind laut Studie junge Menschen, die geschieden oder verwitwet sind, einen niedrigen Schulabschluss haben, arbeitslos sind, in mittelgroßen Städten leben oder einen Migrationshintergrund haben.
Für die Studie wurden im März 2.532 junge Menschen im Alter von 16 bis 30 Jahren online befragt.
Paus: Gefahr für die Demokratie
Familienministerin Lisa Paus nannte Einsamkeit ein "unterschätztes Phänomen", das langfristig auch der Demokratie schaden kann. "Wer Vertrauen in die Gesellschaft verliert, verliert auch Vertrauen in die Demokratie, politische Teilhabe nimmt ab, genauso wie die Bereitschaft wählen zu gehen", sagte die Grünen-Politikerin den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Einsamkeit sei nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO genauso schädlich wie Fettleibigkeit, Rauchen und Luftverschmutzung.
Thema "aus der Tabuzone holen"
Paus hatte kürzlich das aktuelle "Einsamkeitsbarometer", eine Studie auf Grundlage der Langzeitstatistik des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP), vorgestellt. Risikogruppen für Einsamkeit seien demnach vor allem Menschen mit hohen Belastungen und wenig Unterstützung: pflegende Angehörige oder Alleinerziehende, Arbeitslose, Arme und sozial benachteiligte Menschen. Seit Corona gehören mehr junge Erwachsene, Jugendliche und Kinder dazu. "Das verdient endlich Aufmerksamkeit. Einsamkeit, auch die der Jugend, müssen wir ernst nehmen und handeln", fordert Paus.
Im ARD-Morgenmagazin forderte die Ministerin, das vielfach schambehaftete Thema aus der Tabuzone zu holen. Heute eröffnet sie die Aktionswoche zum Thema Einsamkeit. In deren Rahmen gebe es beispielhafte Aktionen wie etwa gemeinsames Waffelbacken oder Telefonfreundschaften. Untermauert werde die Woche mit einer Fachkonferenz sowie Beratungen des Ethikrats zum Thema Einsamkeit.
Nach Paus' Angaben unterstützt ihr Ressort die Einsamkeitsstrategie der Bundesregierung mit 70 Millionen Euro. Gleichzeitig räumte sie ein, dass dies höchstwahrscheinlich nicht reichen werde. "Angesichts dessen, dass sich Einsamkeit doch stärker in unsere Gesellschaft hineingefräst hat, sind wir gut beraten zu schauen, was wir noch mehr und noch besser tun können", sagte Paus im Morgenmagazin.