Mehrere Wohncontainer stehen nebeneinander.

Obdachlosigkeit im Winter Überwintern im Container - statt auf der Straße

Stand: 18.01.2025 10:33 Uhr

Eiskalte Wintertage und -nächte bei Frost können für Obdachlose lebensbedrohlich sein. Und die Zahl der Menschen auf der Straße wächst. In Münster soll ein Containerdorf die Not lindern.

Von Philipp Wundersee und Petra Brönstrup, WDR

Große, graue Container stehen dicht an dicht am Stadtrand von Münster. Auf den Türen kleben Papierzettel mit Nummern, einzelne Fahrräder sind angelehnt an einen Gitterzaun. Die Stadt hat 50 Wohncontainer auf das brachliegende Grundstück am Stadtrand gestellt, um Obdachlosen Übernachtungsplätze für den Winter anzubieten. Denn Übernachten bei Minustemperaturen im Freien ist lebensbedrohlich.

"Wenn die Menschen nicht warm genug gekleidet sind, wenn sie nicht gut versorgt sind, ist das gefährlich", sagt Dana Krückemeyer. Die Sozialarbeiterin vom Sozialdienst Katholischer Frauen in Münster kümmert sich um Obdachlose in der Stadt. "Häufig kommt bei den Menschen ein geschwächtes Immunsystem dazu oder auch eine Drogenabhängigkeit. Deren Körper sind schon sehr belastet. Wenn es dann im Winter kalt ist, wird es kritisch und gefährlich."

In jedem Container gibt es vier einfache Schlafplätze: Übernachten im Hochbett, in der Ecke ein Tisch mit Stühlen, sogar ein kleiner Spind für die Gäste. Das ist Überwintern auf kleinstem Raum - aber mit Heizung.

Die Container werden vom Münsteraner Haus der Wohnungslosenshilfe betrieben. Die Sozialarbeiterin Sophie Deitmar sagt: "Natürlich birgt so ein enger Raum ein gewisses Konfliktpotenzial. Aber wir schauen, ob das menschlich passt für die Gäste, ob sich die Menschen vielleicht sogar schon kennen." So funktioniere das auf der improvisierten Fläche eigentlich sehr gut.

Ein Etagenbett ist in einem Wohncontainer zu sehen.

Überwintern auf kleinstem Raum: Die Container in Münster bieten Schlafplätze - und Wärme.

"Ich schlafe immer draußen"

Dennoch meiden viele Obdachlose auch bei Minustemperaturen im Winter solche Notschlafstellen. Darauf macht die Heilsarmee aufmerksam. Vier von zehn Personen, die auf der Straße leben, meiden eine Notunterbringung mit der Begründung: "Ist mir zu gefährlich." Das geht aus dem Wohnungslosenbericht der Bundesregierung hervor. Besonders Diebstahl, Gewalt und Drogen unter den Gästen sind laut Heilsarmee ein großes Problem in den Unterkünften.

"Ich schlafe immer draußen und das jeden Tag", erzählt Tino aus Münster. Der Mann mit buschigem Vollbart trägt eine schwarze Mütze, er hat den Kragen seiner Winterjacke hochgestellt. Es ist kalt in Münster und Tino lebt auf der Straße. "Ich habe acht Jahre lang den Winter auf der Straße überlebt." Dabei hätte Tino in Münster die Möglichkeit, in einem der Wohncontainer zu übernachten, aber das will er offenbar nicht.  

Immer wieder Angebote machen

Man zwinge natürlich keine Menschen, in die Container zu kommen für den Schutz und die Wärme, sagt Thomas Mühlbauer. Er leitet das Haus der Wohnungslosenhilfe in Münster und damit auch die Wintercontainer. Sie versuchen, den Menschen auf der Straße Angebote zu machen und sie in ihrer Situation zu begleiten, so Mühlbauer.

"Manche Menschen können unsere Hilfe auch nicht direkt annehmen." Ein großer Faktor seien hier psychische Erkrankungen, wenn keine Medikamente genommen werden. "Wir haben mit dem Quartier eine sehr enge Wohnsituation und Menschen mit belasteten Lebenssituationen. Da wollen wir auch nichts schönreden", sagt Mühlbauer.

Es gebe Konfliktpotenzial in den Containern, aber das Personal sei sehr gut ausgebildet und greife in der Not ein. "Die Zahlen sind da sehr eindeutig: Das Problem der Obdachlosigkeit wächst", sagt Mühlbauer. "Wir haben steigende Zahlen bundesweit und auch bei uns in der Stadt Münster."

In Deutschland leben derzeit rund 531.600 Menschen ohne festen Wohnsitz, darunter etwa 47.300 Personen, die auf der Straße oder in Behelfsunterkünften übernachten. Das geht aus dem zweiten Wohnungslosenbericht der Bundesregierung hervor. Insgesamt spricht die Bundesregierung von einem Anstieg der Wohnungslosenzahlen im Vergleich zum ersten Bericht 2022. 

Toiletten, Duschen, Putzdienst

In Münster sind die meisten Plätze in dem Containerdorf inzwischen belegt. Einige Obdachlose verbringen hier den ganzen Winter. Es wird geputzt, es gibt Duschen, Toiletten und Schutz vor der Kälte.

Um die Obdachlosen, die wie Tino trotz des Angebots ganz im Freien bleiben wollen, kümmert sich Tine Rockmann. Sie arbeitet auch für das Haus der Wohnungslosenhilfe und ist in und um Münster unterwegs, um zu schauen, wo Not ist und sie helfen kann. "Wir kümmern uns zum Beispiel um einen Menschen, der tief in einem Wald wohnt, in einem einfachen Verschlag. Es ist eine Himmelfahrt bis dahin", sagt Rockmann.

Die Sozialarbeiterin geht auch immer wieder die Orte in der Stadt ab, die bei Obdachlosen beliebt seien und sucht das Gespräch. "Jetzt haben wir eine frische Meldung gehabt von einem jungen Mann, der sich einen alten Autoanhänger umgebaut hat und dort schläft." Er habe sich mit Holz und Planen eine Unterkunft gebaut, sagt Rockmann.

Im Winter nicht wegschauen

Wenn ein wohnungsloser Mensch im Winter draußen schläft, sollte man auf keinen Fall wegschauen. Die Diakonie rät dazu, genau hinzusehen, ob dessen Situation gefährlich oder bedenklich erscheint.

Die Diakonie empfiehlt, die betreffende Person anzusprechen. So könne herausgefunden werden, wie es ihr geht und ob sie über Unterkunfts- und Versorgungsmöglichkeiten Bescheid weiß. Auch wenn sie schläft, sei es in Ordnung, sie zu wecken und nachzufragen, ob sie etwas braucht. Und wenn man unsicher über den Gesundheitszustand der Person ist, solle man im Zweifel den Krankenwagen rufen.  

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete der WDR am 13. Dezember 2024 um 19:30 Uhr.