Hilfe für die Ukraine Nimmt die Spendenbereitschaft ab?
Die Spenden für die Ukraine sind laut Hilfsorganisationen deutlich zurückgegangen - dabei ist Hilfe im dritten Kriegswinter nötiger denn je. Gebraucht werden vor Ort etwa Schuhe, Kleidung und Fahrzeuge.
"Wir spüren einen deutlichen Rückgang der Spenden", sagt Valentyna Sobetska. Sie ist Vorsitzende des Vereins "Kinderhilfe Ukraine Rhein-Neckar" in Ludwigshafen am Rhein. Der Verein unterstützt Kinder und Jugendliche in Sobetskas Heimatstadt Swjahel, die rund 200 Kilometer westlich von Kiew liegt.
Kurz vor Weihnachten würden sie viele kleine Geschenke ins Kriegsgebiet schicken, aber auch medizinische Produkte wie Verbandsmaterial. Ansonsten sammelt der Verein vor allem Geldspenden. "Die Leute sind überfordert mit dem Thema Ukraine-Krieg - sie sind müde geworden", vermutet Sobetska. Der Spendenrückgang habe aber weitere Gründe: Zum einen wurden mittlerweile viele andere Hilfsvereine gegründet. Und das Leben sei durch die Inflation teurer geworden, da werde dann wohl auch weniger gespendet.
Öfen, Decken, warme Mahlzeiten
Dass die Spenden für die Ukraine deutlich zurückgegangen sind, stellt auch die "Aktion Deutschland Hilft" fest, ein Bündnis von mehr als 20 Hilfsorganisationen wie Malteser und ASB. In diesem Jahr wurden demnach bislang zehn Millionen Euro an das Hilfsbündnis gespendet. Zum Vergleich: Im ersten Kriegsjahr 2022 sei eine Rekordsumme von mehr als 250 Millionen Euro eingegangen. 2023 seien es dann noch 18 Millionen Euro gewesen.
Das Geld werde im bevorstehenden Winter vor allem gebraucht, um warme Unterkünfte für viele Ukrainer zu schaffen. Vor Ort würden Heizöfen, Decken und warme Mahlzeiten verteilt. In Frontnähe werden überlebenswichtige Hilfsgüter wie Wasser, Lebensmittel und Heizmaterial verteilt.
Wirtschaftliche Unsicherheiten bei den Spendern
Der Rückgang an Spenden hänge mit den multiplen Krisen weltweit zusammen, meint Thilo Reichenbach, Geschäftsführer für Marketing und Fundraising bei "Aktion Deutschland hilft". Gründe seien auch wirtschaftliche Unsicherheiten und Zukunftsängste. Dadurch würden sich die Menschen verstärkt ins Private zurückziehen, so Reichenbach.
Dabei sei es gerade jetzt wichtig, die Ukraine weiter zu unterstützen. Angesichts der Zerstörungen und des bevorstehenden Winters bräuchten die Menschen die Hilfe dringender denn je - und Zuversicht. Die Hilfsangebote einschränken zu müssen, wäre ein fatales Signal.
Auch die Diakonie Katastrophenhilfe in Berlin teilt mit, dass die allgemeine Spendenbereitschaft für Nothilfe in der Ukraine im Jahr 2024 weiter abnimmt. "An dieser Tendenz werden vermutlich auch Kollekten und Spendenaufrufe in der anstehenden Weihnachtszeit nichts grundlegend ändern."
Menschen brauche warme Schuhe und Klappbetten
Maxim Juschak hofft hingegen, dass die Spendenbereitschaft hierzulande nicht nachlässt. Er ist Vorsitzender eines Vereins aus Worms, der regelmäßig Hilfsgüter in das vom Krieg gebeutelte Land bringt. "Vor allem für Schuhe in anständigem Zustand besteht ein großer Bedarf", sagt Juschak.
Normalerweise sammelt sein Verein keine Kleidung, doch bei der Ausgabestelle in der West-Ukraine habe es zuletzt einen großen Ansturm danach gegeben. Juschak vermutet, dass momentan viele neue Flüchtlinge hinzukommen, die aus dem Süden und Osten der Ukraine fliehen.
Viele Geflüchtete müssten in engsten Verhältnissen leben, berichtet Maxim Juschak. Wer sein Bett tagsüber einklappen könne, spare Platz, das sei gerade im Winter viel wert. Die vier Betten, die der Verein zuletzt dabei hatte, mussten wegen der großen Nachfrage verlost werden.
In erster Linie bringt der Verein gespendete Fahrzeuge in die Ukraine. Damit werden Menschen aus den Kriegsgebieten gebracht oder Hilfsgüter verteilt. Der Verschleiß sei enorm, immer wieder würden Autos und Transporter durch russische Drohnenangriffe zerstört. Erst im Oktober seien zwei Autos explodiert.
Um weitere Spenden zu sammeln, organisiert sein Verein am 13. Dezember in Worms ein Benefizkonzert mit einer ukrainischen Pianistin. Mit dem gespendeten Geld will Maxim Juschak weitere Fahrzeuge anschaffen und in die Ukraine bringen.
Hoffen auf Spenden in der Vorweihnachtszeit
Ohne Spenden würde es das Herzensprojekt von Michael Zaczkiewicz gar nicht geben. Der Augenarzt aus Bad Dürkheim unterstützt seit mehr als 30 Jahren das Behinderten-Zentrum "Dzherelo" in Lwiw im Westen der Ukraine. Dort werden vor allem spastisch gelähmte Menschen behandelt. Zaczkiewicz, der ukrainische Wurzeln hat, erzählt, die Einrichtung sei die erste dieser Art in der Ukraine und inzwischen ein Vorzeigeprojekt für das ganze Land.
Durch Helfer vor Ort weiß er, dass viele Menschen dort stundenlang im Dunkeln und Kalten sitzen müssen, weil die russische Armee die Energie-Infrastruktur zerstört. Die Helfer berichteten ihm auch, dass die Spenden im Vergleich zu den Vorjahren dramatisch zurückgegangen seien. Durch den Krieg sei der Hilfsbedarf aber viel größer geworden, weil auch viele geflüchtete Menschen mit Behinderung versorgt und untergebracht werden müssten.
"Die Ukraine kämpft auch für Deutschland"
Hoffnung mache ihm, dass "die regionale Spendenbereitschaft nicht nachgelassen hat", so der Augenarzt. Die Spendensummen seien sogar eher gestiegen. Das liege wohl daran, dass "unser Projekt überschaubar und bekannt ist", sagt Michael Zaczkiewicz. Bei einem Benefizkonzert, das er diese Woche ausgerichtet hat, kamen knapp 11.000 Euro zusammen, berichtet er.
Auch Valentyna Sobetska von der "Kinderhilfe Ukraine" aus Ludwigshafen ist trotz allem zuversichtlich, dass die Unterstützung aus Deutschland nicht abreißt. Für bestimme Projekte sei die Spendenbereitschaft nach wie vor hoch, sagt sie. Wenn ihr Verein etwa für ein genau beschriebenes Hilfsprojekt Geld sammelt, dann seien die Menschen zum Spenden bereit.
Innerhalb von zehn Jahren habe der Verein insgesamt 500.000 Euro gesammelt. Sobetska appelliert: "Die Menschen hier sollen nicht aufhören zu spenden, denn die Ukraine kämpft auch für Deutschland."