Städtepartnerschaften mit der Ukraine Mehr als nur Hilfe im Krieg
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine hat sich die Zahl deutsch-ukrainischer Städtepartnerschaften mehr als verdoppelt. Neben akuter Hilfe geht es auch um Ähnlichkeiten in Kultur und Geschichte.
Swjahel liegt zwischen Lwiw und Kiew, etwa 56.000 Menschen leben hier. Erst seit Kurzem trägt die Stadt wieder ihren historischen Namen. Die Russen hatten sie 1793 in Novograd-Volynskij umbenannt. Die Ukraine hat das Ende vergangenen Jahres rückgängig gemacht.
Zwischen Swjahel und Ludwigshafen am Rhein liegen rund 1.700 Kilometer. Dennoch gibt es schon seit Längerem einen regen Austausch zwischen beiden Städten. Das hat vor allem mit Valentyna Sobetska zu tun. Die Vorsitzende des Vereins "Kinderhilfe Ukraine - Rhein-Neckar für Novograd-Volynskij" lebt seit zehn Jahren in Ludwigshafen. Fast genauso lange sammelt sie schon Spenden für Bedürftige in ihrer ukrainischen Heimatstadt. Ihr Verein hat schon viele Hilfsprojekte initiiert. Vor wenigen Wochen wurde ein Bus für den Transport von behinderten Menschen in der Ukraine übergeben.
Unter dem Eindruck des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat der Ludwigshafener Stadtrat im vergangenen Dezember die Entscheidung getroffen, den bereits gelebten Austausch in eine offizielle Partnerschaft zu gießen. Aus dem Rathaus heißt es, dies sei ein deutliches Zeichen der Verbundenheit: "Ludwigshafen und Swjahel stehen gemeinsam für Frieden und Freiheit, für Menschlichkeit, Völkerrecht und Demokratie."
Materielle Hilfe und Pläne für den Wiederaufbau
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs hat sich die Zahl der Partnerschaften zwischen deutschen und ukrainischen Städten mehr als verdoppelt. Nach Auskunft des Deutschen Städtetags gibt es derzeit bundesweit 167 formalisierte und nicht formalisierte Partnerschaften. Als formalisiert gilt eine Partnerschaft, wenn beide Seiten eine entsprechende Urkunde unterschrieben haben. Ist das nicht der Fall, spricht man meist von einer Solidarpartnerschaft.
Derzeit stehe vor allem noch die materielle und humanitäre Hilfe für die Menschen in den ukrainischen Städten im Vordergrund, sagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy. Parallel dazu liefen aber Planungen für den Wiederaufbau - für Schulen, Krankenhäuser, Wohnungen, Verkehrsverbindungen.
Im Rahmen von Projektpartnerschaften leisten deutsche Städte kommunale Entwicklungspolitik. Die Stadt Köln beispielsweise in Dnipro. Die Partnerschaft konzentriert sich unter anderem auf die Bereiche Wasserversorgung und Abwasser. Daran beteiligt sind zum Beispiel auch die Kölner Stadtentwässerungsbetriebe.
Unterstützt werden die Städte dabei von der Servicestelle "Kommunen in der Einen Welt". Diese organisiert im Auftrag des Bundes unter anderem Reisen deutscher Delegationen in die Ukraine, stellt Dolmetscher, bezuschusst Hilfsprojekte und führt deutsch-ukrainische Partnerschaftskonferenzen durch.
Schraffiert: von Russland besetzte Gebiete
Börse für Städtepartnerschaften
Egal ob Projekt- oder Städtepartnerschaft: Wie findet man das passende Pendant? Vor dieser Frage steht aktuell Trier. Der dortige Stadtrat hat sich jüngst dafür ausgesprochen, die Partnerschaft mit einer ukrainischen Stadt zu prüfen - der Wunsch danach kam unter anderem aus dem Umfeld von Vereinen, die seit Kriegsbeginn Menschen in der Ukraine unterstützen.
Die Stadtverwaltung hat nach eigenen Angaben in der Sache unter anderem mit dem ukrainischen Botschafter und dem Städtetag Kontakt aufgenommen. Außerdem überprüfe man, ob eine Partnerschaft mit der Stadt Ternopil sinnvoll sei. Fast 500 Bürgerinnen und Bürger hätten einen entsprechenden Vorschlag unterzeichnet und an die Stadt weitergegeben. Die meisten der Unterzeichnenden würden offenbar selbst aus der Ukraine kommen.
Nach Angaben der rheinland-pfälzischen Landesregierung entstehen Städtepartnerschaften mit der Ukraine meist aufgrund bereits bestehender privater Verbindungen. Allerdings gibt es auch eine Art Börse dafür. Der Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE) listet auf seiner Internetseite Partnerschaftsgesuche aus aller Welt auf. Daraus geht hervor, dass derzeit 35 ukrainische Gemeinden, Städte und Regionen auf der Suche nach deutschen Partnern sind. In Steckbriefen erfährt man unter anderem, wo sie liegen, wie viele Menschen dort leben und wie es um die Wirtschaft bestellt ist.
Ähnlichkeiten sind wichtig für die Partnerschaft
Der RGRE rät Städten, sich bei der Wahl Zeit zu lassen. Es sei wichtig, dass es zumindest in einigen Punkten Ähnlichkeiten gebe. Wie zum Beispiel die Einwohnerzahl, die geographische Lage oder die Historie. Außerdem sei vorab zu klären, ob man dieselben Ziele und Vorstellungen verfolge. Steht der Entschluss fest, hilft der RGRE auch mit Mustern und Beispielen für Partnerschaftsverträge und -vereinbarungen.
Koblenz steht kurz vor dem Abschluss einer Partnerschaft mit Iwano-Frankiwsk. Beide Universitätsstädte haben eine lange Geschichte, für beide spielt in Friedenszeiten der Tourismus eine große Rolle. Die Partnerschaft soll im Bereich Kultur beginnen. So werden sich beispielsweise Vertreter von Museen und Musikschulen regelmäßig austauschen.
Kulturdezernentin Margit Theis-Scholz sagt, nach dem Krieg würde man sicherlich auch von der Expertise und den internationalen Verbindungen von Iwano-Frankiwsk profitieren. Und schon heute könne man von den Menschen in Iwano-Frankiwsk lernen. Zum Beispiel, wie man auch trotz widrigster Umstände den Mut und den Kampfeswillen nicht verliere.