Vier-Tage-Woche Freitags bleibt das Rathaus dicht
Firmen experimentieren längst mit der Vier-Tage-Woche. In Stadtverwaltungen setzt nun auch ein Umdenken ein - schon allein, um als Arbeitgeber attraktiv zu bleiben. Das Rathaus der Stadt Mengen bleibt freitags zu.
Wenn Bürgermeister Stefan Bubeck aus Mengen eine Stelle neu zu besetzen hat, dann geht für ihn das Kopfzerbrechen los. 220 Mitarbeitende hat die Stadtverwaltung. "Wir sind ständig auf der Suche", so Bubeck. Und seit Jahren werde es immer schwieriger, qualifizierte Leute zu finden. "Wir haben unbesetzte Stellen teilweise zwei bis drei Mal ausschreiben müssen, bis wir jemanden gefunden haben."
Problem: Fachkräftemangel
Viel haben sie in der 10.000-Einwohner-Stadt Mengen schon versucht. Der Fachkräftemangel ist hier besonders spürbar. Dabei versucht der Bürgermeister die Arbeit im Rathaus so attraktiv wie möglich zu machen. Doch an der Misere bei der Bewerbersuche hat das nichts geändert.
Bürgermeister Stefan Bubeck: "Wir sind ständig auf der Suche."
Die viel beschworene Work-Life-Balance sei schon im Vorstellungsgespräch wichtig, erzählt Bürgermeister Bubeck. Viele potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden nach flexiblen Arbeitszeiten fragen. Teilzeit-Arbeitsmöglichkeiten etwa bieten sie schon seit Langem an. Jetzt will Bubeck noch einen Schritt weiter gehen: Vom 1. Juni 2023 an ermöglicht Mengen seinen Mitarbeitenden eine Vier-Tage-Woche. Als erster Arbeitgeber im öffentlichen Dienst in Deutschland, wie die Stadt nicht ohne Stolz vermeldet.
Vier-Tage-Woche geht auch spontan
Simon Schmid beantwortet gerade im Bürgerbüro die Fragen der Mengener zu Ausweisen, zu Gebühren oder zur Müllabfuhr. Er macht eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten. Ihm gefällt die Arbeit bei der Stadt, er mag die vielen Möglichkeiten, die er hier hat. Auch wenn er die verkrusteten Strukturen kommunaler Verwaltungen beanstandet: "Klar muss eine Stadtverwaltung attraktiver werden."
Das Angebot der Vier-Tage-Woche ist für ihn ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings: Er selbst wird sie nicht in Anspruch nehmen. "Mit meiner 39-Stunden-Woche als Azubi müsste ich ja rund zehn Stunden am Tag arbeiten. Das ist mir viel zu stressig. Ich glaube auch, meine Produktivität würde darunter leiden." Er kann sich aber vorstellen, ab und an eine Vier-Tage-Woche einzuschieben, wenn er ein langes Wochenende haben möchte. Denn auch eine spontane Vier-Tage-Woche ist möglich.
Für Azubi Simon Schmidt geht die Vier-Tage-Woche in die richtige Richtung.
Wochenarbeitszeit bleibt gleich
Mit der neuen Vier-Tage-Woche arbeiten die Angestellten in der Stadtverwaltung nicht weniger als vorher. Die Wochenarbeitszeit bleibt gleich, sie kann nur von fünf auf vier Tage verteilt werden. Der Freitag ist dabei immer frei. Das Modell sei insbesondere für Teilzeitkräfte praktikabel, sie könnten ihre Arbeitsstunden am besten auf vier Tage verteilen, so die Stadt.
Bei einer Vollzeitstelle arbeiten Angestellte in der Verwaltung 39 Stunden, Beamte 41 Stunden. Für sie ist die Vier-Tage-Woche deshalb gar nicht möglich, weil sie laut Arbeitsrecht nicht länger als zehn Stunden am Tag arbeiten dürfen. Aber, so der Bürgermeister, es gebe ohnehin nur wenige Beamte bei der Stadt, insgesamt seien es sechs Abteilungsleiter.
Weniger Strom- und Heizkosten
Tanja Jabs hat ihr Büro gleich neben dem des Bürgermeisters unter dem Dach des historischen Rathauses. Sie ist die Nachhaltigkeitsbeauftragte der Stadt und Personalrätin. Sie erzählt, dass sich schon viele für die Vier-Tage-Woche angemeldet hätten. "Besonders attraktiv ist es für Teilzeitkräfte. Die können ihre Stundenzahl einfacher aufteilen auf die Tage Montag bis Donnerstag. Dann haben sie immer ein langes Wochenende - das ist toll", so Jabs. Für sie ist zudem wichtig, dass sich die Vier-Tage-Woche positiv auf die Energiebilanz auswirkt. Strom- und Heizkosten könnten eingespart werden, so hofft sie. Und es werde Kohlendioxid eingespart, wenn die Mitarbeitenden an einem Tag weniger mit dem Auto zur Arbeit kämen. Im ländlichen Mengen kommen viele mit dem Auto zur Arbeit, Busse und Bahnen fahren zu selten.
Vorreiter Rathaus Mengen: Wenn das Vier-Tage-Modell sich bewährt, dürfte andere Stadtverwaltungen nachziehen.
Freitags bleibt das Rathaus dicht - außer für Paare
Das Rathaus in Mengen bleibt ab jetzt freitags immer geschlossen. Es sind ja weniger Mitarbeiter da an diesem Tag. Das kommt bei einigen Bürgern nicht gut an. Sie bemängeln, dass es jetzt schon schwierig sei, Termine im Rathaus zu bekommen.
Bürgermeister Bubeck verspricht, dass es auch Ausnahmen geben werde. Das Standesamt beispielsweise werde weiterhin auch freitags und samstags Paare trauen, das seien schließlich die beliebtesten Tage für Hochzeiten.
Die Stadtverwaltung Mengen hat jetzt eine Vorreiter-Rolle bei der Vier-Tage-Woche in Kommunen. Er habe schon viele Anrufe von Kollegen erhalten, die sich auch dafür interessieren, erzählt Bubeck. Er will nun erst einmal abwarten und schauen, ob ihm freie Stellen in seinem Rathaus bald weniger Kopfzerbrechen bereiten. Dann werde er das Modell auch gerne seinen Kollegen in anderen Rathäusern empfehlen.