Leugnung von Kriegsverbrechen Lautlose Gesetzesverschärfung
Bis zu drei Jahre Haft für das Billigen, Leugnen oder Verharmlosen von Völkermord oder Kriegsverbrechen: Die Koalition hat den Paragrafen zur Volksverhetzung verschärft. Jetzt gibt es Kritik von Juristen. Warum?
Das "Z" - das Zeichen der russischen Invasionstruppen in der Ukraine - sieht man auch in Deutschland. Als Aufkleber auf Autos, auf T-Shirts oder bei Pro-Putin-Demonstrationen. In Hamburg wurde bereits ein Autofahrer wegen eines "Z" auf seinem Fahrzeug verurteilt. In ganz Deutschland laufen ähnliche Ermittlungsverfahren. Der Vorwurf lautet "Billigung von Straftaten". Bald könnte auch noch der Vorwurf der "Volksverhetzung" hinzukommen. Denn: Der Bundestag hat eine Verschärfung des Strafgesetzbuchs beschlossen. Überraschend für viele Beobachter und ohne Debatte im Bundestagsplenum kam die Gesetzesänderung. Sie war angehängt an ein unscheinbares Reformgesetz zum Bundeszentralregister.
Kritik von Juristen
Die lautlose Gesetzesverschärfung ohne große Diskussion hat Kritik von Juristen auf sich gezogen. Als "demokratisch unlauter" bezeichnete der Justizjournalist Ronen Steinke das Verfahren in der "Süddeutschen Zeitung". Aber auch der Inhalt der Gesetzesänderung wird kritisiert. Der neue Absatz im Paragrafen zur "Volksverhetzung" sieht bis zu drei Jahre Haft vor, wenn jemand Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen "öffentlich billigt, leugnet oder gröblich verharmlost".
Anstoß für die neue Regelung gaben aber nicht erst die Pro-Putin-Demos oder das öffentlich gezeigte "Z". Der Gesetzgeber setzt Vorgaben aus dem EU-Recht um. Osteuropäische Mitgliedstaaten wollen der Verharmlosung stalinistischer Verbrechen während der Sowjetzeit einen Riegel vorschieben und hatten einen EU-Rahmenbeschluss für schärfere Strafgesetze erwirkt.
Gerichte müssen über die Geschichte urteilen
Bisher war in Deutschland klar: Die Leugnung des Holocaust ist strafbar. In Zukunft kann das auch für die Leugnung von Menschheitsverbrechen im Ausland gelten, zum Beispiel für den deutschen Völkermord an den Herero und Nama zwischen 1904 und 1908 oder den türkischen Völkermord an den Armeniern 1915/1916. Kritiker weisen darauf hin, dass die neue Regelung aber nicht nur historisch eindeutige Völkerrechtsverbrechen umfasst. Gerade bei Konflikten der Gegenwart sei die Frage: Was ist mit dem Leugnen oder Verharmlosen von Kriegsverbrechen, die noch von keinem Gericht verurteilt wurden?
Deutsche Amtsgerichte müssten unter Umständen Kriegsverbrechen beurteilen, die am anderen Ende der Welt stattfinden. Für schwere Verbrechen nach dem Völkerstrafrecht seien aber am besten internationale Gerichte und spezialisierte Ermittlerteams zuständig. Außerdem seien auch manche historischen Menschheitsverbrechen umstritten. So etwa die rechtliche Einordnung der US-amerikanischen Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki 1945.
Was bedeutet die Neuregelung?
Der Hauptkritikpunkt ist demnach: Der Gesetzgeber bestraft jetzt Äußerungen, über die besser in der Öffentlichkeit und nicht vor den Strafgerichten gestritten werden sollte. Und: Das EU-Recht hätte es auch gestattet, das Billigen oder Leugnen von Kriegsverbrechen nur dann zu bestrafen, wenn die Kriegsverbrechen durch ein Gericht bereits "endgültig festgestellt" wurden.
Andererseits setzt auch die Neuregelung im Strafgesetzbuch Grenzen für Gerichte und Staatsanwälte. Die Leugnung von Kriegsverbrechen ist nur dann strafbar, wenn die Tat in einer Weise begangen wird, "die geeignet ist, zu Hass oder Gewalt aufzustacheln und den öffentlichen Frieden zu stören". Es ist daher nicht damit zu rechnen, dass die Gerichte in großem Stil jede problematische Äußerung zu Menschheitsverbrechen bestrafen werden. Das Leugnen, Billigen oder Verharmlosen von aktuellen Fällen wie den russischen Kriegsverbrechen in Butscha in der Ukraine kann nun aber schneller vor Gericht enden.