Debatte über Heizungsgesetz Merz kritisiert "Missachtung des Parlaments"
Statt abzustimmen debattiert der Bundestag erneut über das Heizungsgesetz. Vor allem die Union spart dabei nicht mit heftiger Kritik an der Ampelkoalition - doch aus deren Reihen fehlt ausgerechnet der Bundeswirtschaftsminister.
Wenn es nach der Ampelkoalition gegangen wäre, hätte der Bundestag heute über das sogenannte Heizungsgesetz entschieden. Doch nach dem vorläufigen Stopp der Abstimmung durch das Bundesverfassungsgericht blieb es vorerst bei einer Debatte. Die wurde dafür umso hitziger geführt, wobei die Opposition nicht nur das geplante Gesetz kritisierte, sondern auch das Eiltempo der Bundesregierung, um ihr Vorhaben durchzusetzen.
Seitdem die Ampelparteien das Regieren übernommen hätten, hätten sie den Bundestag zu einem "Ort der Debattenverweigerung und zu einem Ort des Durchpeitschens von Gesetzen" gemacht, warf Friedrich Merz der Bundesregierung vor. Der CDU-Chef betonte, im jahrzehntelangen Durchschnitt der Arbeit des Bundestages sei etwa jedes sechste Gesetz mit Fristverkürzung beschlossen worden. Allein in diesem Jahr sei bei drei von vier Gesetzesvorhaben nicht innerhalb der gesetzlich und geschäftsordnungsmäßig vorgesehenen Fristen über die jeweiligen Entwürfe beraten worden.
"Manche Krisen erfordern schnelle Reaktion"
Merz räumte ein, dass "manche Krisen" durchaus eine "schnelle Reaktion" erforderten und dass es in einem solchen Fall auch mit der Gesetzgebung mal schneller gehen müsse. Das Vorgehen der Bundesregierung habe "mit Krisen, jedenfalls Krisen des Landes, nichts mehr zu tun. Es hat allenfalls mit Koalitionskrisen zu tun".
"Die Qualität einer Demokratie zeigt sich, ob die Mehrheit Respekt und Achtung vor den Rechten der Minderheit in einem Parlament hat", betonte Merz und prangerte eine "Missachtung des Parlaments" an, "wie es sie in dieser Dimension in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nicht gegeben hat". Die Bundesregierung solle die Sommerpause nutzen, um zu überlegen, wie das verlorene Vertrauen der Bevölkerung in den Bundestag wieder zurückgewonnen werden könne.
Auch Linke kritisiert wachsende Zahl verkürzter Verfahren
Der CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann, dessen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht den Aufschub der Bundestagsabstimmung zur Folge hatte, forderte ein "Tempolimit" bei den Beratungen zu Gesetzgebungsverfahren. Das Parlament müsse engere, verbindlichere Vorschriften zu zeitlichen Abläufen umsetzen. Heilmann zufolge müssten auch weiterhin Ausnahmen möglich sein. Man dürfe aber nicht warten, bis das Verfassungsgericht dem Bundestag Vorschriften zur Geschäftsordnung mache.
Auch der Vorsitzende der Linksfraktion, Dietmar Bartsch, kritisierte in seiner Rede die wachsende Tendenz zu beschleunigten Verfahren im Bundestag. Das sei "seit vielen Jahren höchst problematisch und es ist Zeit, dass wir es verändern". Gerade für eine kleinere Fraktion wie seine eigene sei es "ziemlich unmöglich", bei der Fristverkürzung alle Einzelheiten einer Gesetzesvorlage zu durchdringen.
Allerdings erntete auch die Union diesbezüglich einen Seitenhieb des Fraktionschefs: Es sei doch "etwas arrogant", dass der Union die Schwierigkeiten durch verkürzte Fristen erst jetzt auffallen würden, immerhin habe es dieses Problem auch während der Regierungszeit von CDU/CSU schon gegeben.
Ampel will nun Anfang September abstimmen lassen
Über das Gebäudeenergiegesetz war wochenlang heftig gestritten worden - auch unter den Ampelpartnern selbst. Erst vor einer Woche konnten sich SPD, Grüne und FDP auf einen finalen Entwurf einigen. Er sieht im Grundsatz vor, dass ab dem kommenden Jahr neu eingebaute Heizungen zu mindestens 65 Prozent mit Erneuerbaren betrieben werden müssen.
Doch CDU-Politiker Heilmann reichte einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht ein, um die für den letzten Tag vor der Sommerpause angesetzte Bundestagsabstimmung zu stoppen. Den Parlamentariern bleibe zu wenig Zeit, um über das Gesetzesvorhaben zu beraten. Die Richter gaben Heilmann in diesem Punkt recht. Nun strebt die Ampelkoalition an, dass das Gesetz direkt nach der Sommerpause Anfang September in die Bundestagsabstimmung gehen soll.
Ampel entscheidet gegen Sondersitzung
Als Option stand zudem eine Sondersitzung während der Sommerpause im Raum - auch aus Zeitdruck, denn das Gebäudeenergiegesetz soll bereits ab Jahresbeginn 2024 in Kraft treten.
Doch die Ampelparteien selbst hatten sich gegen eine Sondersitzung entschieden, was der FDP-Politiker Konstantin Kuhle in der Bundestagsdebatte nochmals als richtigen Weg bekräftigte. Er räumte zudem ein, dass das Verfahren beim Heizungsgesetz zur Verunsicherung beigetragen habe.
Till Steffens von den Grünen hob jedoch hervor, dass es "ja Gründe" gebe, "warum Gesetze manchmal schneller gehen müssen". Er verwies in diesem Zusammenhang auf die im Kampf gegen die Corona-Pandemie betroffenen Beschlüsse. Seine Parteikollegin Julia Verlinden bestritt, dass es beim Heizungsgesetz eine Fristverkürzung gegeben habe und warf der Union Populismus vor.
Opposition drängt auf Änderungen oder Aus für Gesetz
Die CDU kritisiert allerdings schon jetzt, dass die Bundesregierung an dem Gesetzesentwurf an sich nichts mehr ändern will. Für Parteichef Merz ein "weiterer Ausdruck von Respektlosigkeit und Ignoranz" dem Bundestag gegenüber.
Auch Linken-Fraktionschef Bartsch stellte sich gegen das Vorhaben der Ampelkoalition, im September unverändert über das Gebäudeenergiegesetz abstimmen zu lassen. "Ordentliche Verfahren im Ausschuss und ordentliche Verfahren hier, das versuchen Sie wieder zu missachten und das geht nicht", sagte er.
AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel warf der Bundesregierung ebenfalls vor, sie habe versucht, das Gesetz "mit der Brechstange" durchs Parlament zu bringen. "Sie haben Angst vor den Bürgern, vor den eigenen Wählern", so Weidel und kritisierte, Bürgerinnen und Bürger würden über die mit dem Heizungsgesetz verbundenen Kosten im Unklaren gelassen. Die Ampelkoalition solle die "Denkpause" infolge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nutzen "und stampfen Sie dieses unsägliche Gesetz komplett ein".
Hammelsprung wegen Habecks Abwesenheit
Beantragt hatte die heutige Bundestagsdebatte die Unionsfraktion - unter dem Titel "Beschluss des Bundesverfassungsgerichts respektieren - Rechte des Deutschen Bundestages achten - Neustart beim Heizungsgesetz einleiten". Und wenn es nach dem Willen der Union gegangen wäre, hätte sich vor allem einer zu dem umstrittenen Gesetzesentwurf äußern müssen: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Immerhin zeichnet sich sein Ministerium verantwortlich für die Pläne.
Doch Habeck hielt zeitgleich zur Bundestagsdebatte eine Rede im Bundesrat zum später von der Ländervertretung gebilligten Fachkräfteeinwanderungsgesetz. Auf Drängen der Unionsfraktion ließ Bundestagspräsidentin Bärbel Bas schließlich per Handzeichen darüber abstimmen, ob Habeck zur Debatte herbeizitiert werden soll. Da dieses Votum jedoch kein eindeutiges Ergebnis brachte, wurde ein sogenannter Hammelsprung durchgeführt, bei dem die Abgeordneten durch eine von drei Türen gehen müssen, die entweder für Ja, Nein oder Stimmenenthaltung stehen. Das Ergebnis: Der Antrag wurde abgelehnt.