Bundesverfassungsgericht Wahlrechtsreform auf dem Prüfstand
Das Bundesverfassungsgericht verhandelt zwei Tage über die jüngste Reform des Wahlrechts. CSU und Linke haben sich an das oberste deutsche Gericht gewandt, weil sie erhebliche Nachteile durch die neuen Regeln befürchten.
Die Wahlrechtsreform steht auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand. Es klagen nicht nur die bayerische Staatsregierung, die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag und Die Linke. Auch über 4.000 Privatpersonen, vertreten vom Verein "Mehr Demokratie", haben Verfassungsbeschwerde eingereicht.
Alle eint, dass sie das neue Wahlrecht für verfassungswidrig halten, aber sie kritisieren unterschiedliche Dinge. CSU und Linke befürchten, dass sie durch die neuen Regeln bei der nächsten Bundestagswahl deutlich schlechter dastehen. "Mehr Demokratie" will erreichen, dass die Fünf-Prozent-Hürde insgesamt abgeschafft wird.
Der Bundestag soll kleiner werden
Im vergangenen Jahr hat der Bundestag mit der Mehrheit der Ampelkoalition das neue Wahlrecht beschlossen, das bei der Bundestagswahl 2025 erstmals Anwendung fände. Das Ziel: Der Bundestag soll deutlich kleiner werden. Statt über 700 Abgeordneten soll es in der nächsten Legislaturperiode dort nur noch 630 Sitze geben.
Bisher war die Zahl der Abgeordneten immer wieder gestiegen. Der Grund dafür: dass bislang bei der Wahl bestimmte Ungleichgewichte zwischen den Parteien mit zusätzlichen Sitzen ausgeglichen wurden. Wenn eine Partei zum Beispiel viele Erststimmen bekam, weil ihre Kandidaten sehr beliebt waren, sie aber bei den Zweitstimmen nicht so gut abschnitt, erhielt sie mehr Sitze, als ihr grundsätzlich anteilig zustanden - die so genannten Überhangmandate.
Damit die anderen Fraktionen dann aber im Verhältnis nicht die Verlierer waren, erhielten diese auch noch so genannte Ausgleichsmandate. Mit der jüngsten Reform des Wahlrechtes wird das alles abgeschafft. Eine Partei bekommt jetzt nur noch so viele Sitze, wie ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen. Und das kann bedeuten, dass einige Kandidaten nicht mehr in den Bundestag einziehen, selbst wenn sie ihren Wahlkreis gewonnen haben.
Abschaffung der Grundmandatsklausel
Und noch etwas hat sich geändert. Bislang konnten nur Parteien in den Bundestag einziehen, die mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen gewonnen haben. Es sei denn, sie hatten bei den Erststimmen drei Direktmandate bekommen - die sogenannte Grundmandatsklausel. Damit sollte sichergestellt werden, dass die Personen, die von den Wählern besonders geschätzt werden, auch im Parlament mitwirken, selbst wenn ihre Partei nicht besonders stark ist.
Von dieser Grundmandatsklausel profitierte 2021 Die Linke. Sie hatte bei den Zweitstimmen die Fünf-Prozent-Grenze nicht erreicht, wäre also normalerweise nicht im Bundestag vertreten gewesen. Aber wegen drei gewonnener Direktmandate zog sie dennoch ein.
Auch die CSU könnte vom Wegfall der Grundmandatsklausel betroffen sein. Denn sie erhält typischerweise in Bayern viele Direktmandate, erreicht aber bundesweite bei den Zweitstimmen nur wenig mehr als fünf Prozent.
Auch Fünf-Prozent-Hürde Thema
Die Verhandlungsgliederung des Bundesverfassungsgerichts zeigt: Die Gleichheit der Wahl und die Chancengleichheit der Parteien wird großen Raum in der mündlichen Erörterung mit den Richterinnen und Richtern spielen. Auch die Fünf-Prozent-Hürde wird Thema sein.
"Mehr Demokratie" hat in seiner Beschwerdeschrift alle Wahlen seit 1949 analysiert und kommt zu dem Ergebnis, dass diese Regel unnötig sei. Tatsächlich sei mit abgesenkter Sperrklausel auf drei Prozent keine übermäßige Parteienzersplitterung zu befürchten und Regierungsbildung nicht erschwert gewesen. Dagegen seien viele Millionen Wählerstimmen unter den Tisch gefallen, und das sei undemokratisch und verfassungswidrig.