EU-Pläne zur Lockerung Ampel ringt um Linie bei grüner Gentechnik
Die EU-Kommission will die Regeln für die Gentechnik in der Landwirtschaft lockern. Doch weil vor allem Grüne und FDP dies unterschiedlich bewerten, gibt es noch keine gemeinsame Haltung in der Bundesregierung.
Wieviel Gentechnik braucht es in der Landwirtschaft? Und wieviel auf den Tellern? Über diese Fragen wird innerhalb der Ampelkoalition spätestens seit Bekanntwerden eines Entwurfs der EU-Kommission kontrovers diskutiert. Brüssel will erhebliche Lockerungen etwa beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen oder der Kennzeichnung von daraus hergestellten Produkten. Offiziell sollen die Pläne Anfang Juli vorgestellt werden. Wie sich die Bundesregierung dann dazu verhalten wird, ist noch unklar.
Liberale wollen mehr Geld für Forschung
"Wir müssen offener sein für Innovationen", fordert etwa Gero Hocker. In den Plänen der EU-Kommission sieht der FDP-Bundestagsabgeordnete eine Chance für den Forschungsstandort Deutschland. Bislang würden die im weltweiten Vergleich strengen Regeln eher dazu führen, dass die Wissenschaft hierzulande hinterherhinke. Auch weil es nicht genügend Forschungsgelder für den Bereich gebe.
Die Liberalen wollen deshalb auch die Gentechnikforschung finanziell stärker unterstützen. Dieses Jahr hat die Bundesregierung zwölf Millionen Euro für die Forschung im Bereich Pflanzenzucht vorgesehen. Hocker hofft, dass es im kommenden Bundeshaushalt deutlich mehr wird: "Wir sehen, dass man sich in der ganzen Welt auf den Weg gemacht hat und die Chancen anerkennt und auch schon produziert mit diesen Züchtungsmethoden."
Sogenannte rote Gentechnik wird in der Medizin eingesetzt, etwa um Medikamente oder Impfstoffe herzustellen, für die Diagnostik oder zur Gentherapie.
Weiß wird Gentechnik in der Industrieproduktion genannt, wenn zum Beispiel veränderte Mikroorganismen bei der Produktion von Waschmitteln oder Bioethanol genutzt werden.
Deutschland strebt Vorreiterrolle an
Auch Hockers Parteifreundin Bettina Stark-Watzinger plädiert für mehr Technologieoffenheit. Die Bundesforschungsministerin sieht in der grünen Gentechnik eine Chance, Pflanzen zum Beispiel ertragreicher oder resistent gegen Schädlinge zu machen. Stark-Watzinger meint, dass sich damit auch der Hunger in der Welt bekämpfen lasse.
Die grüne Gentechnik hat es deshalb sogar in die Nationale Sicherheitsstrategie der Bundesregierung geschafft. Demnach will Deutschland "in Europa eine Vorreiterrolle in der Forschung" einnehmen. Das von den Grünen geführte Landwirtschaftsministerium weist darauf hin, dass die Forschung an und mit gentechnisch veränderten Pflanzen bereits erlaubt sei. "Auch das Inverkehrbringen sowohl von Futtermitteln als auch von Lebensmitteln, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten, ist schon erlaubt", so eine Sprecherin.
Grüne gegen Lockerung bei Risikoprüfung
Während sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir mit einer öffentlichen Bewertung der EU-Pläne noch zurückhält, beziehen andere in seiner Partei klar Stellung. So kritisiert der Bundestagsabgeordnete Karl Bär, dass die Kommission die wissenschaftliche Risikoprüfung einschränken will.
"Wir entlassen dadurch etwas ungeprüft in die Umwelt, das wir nie wieder zurückholen können", sagt der Grünen-Politiker. Er verweist auf Nord- und Südamerika, wo der Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen weitestgehend unreguliert erlaubt ist. "Wenn man sich anschaut, was bisher die Gentechnik gemacht hat, dann sind dabei vor allem größere Monokulturen rausgekommen mit mehr Gift auf den Feldern."
Ökolandbau in Gefahr?
Die Pläne der EU-Kommission würden zudem den Ökolandbau vor erhebliche Probleme stellen. Dort ist der Einsatz von grüner Gentechnik nicht gestattet. "Sich davor zu schützen, ist in unserem jetzigen System Aufgabe der Biobauern", so Bär. Der Brüsseler Entwurf will den Mitgliedstaaten künftig nicht gestatten, Abstandsregeln für den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen vorzugeben. "Damit wird die ganze Sache für die Biobauern immer teurer und immer riskanter."
Grünen-Politikerin und Bundesumweltministerin Steffi Lemke sagte kürzlich auf einer Veranstaltung in Brüssel: "Wir wissen, dass auch die Nutzung neuer Gentechnik zu unbeabsichtigten Effekten in Pflanzen führen kann." Auch sie ist gegen eine Aufweichung der Regeln für die Risikobewertung. Potenzielle Gefahren sowohl für Pflanzen als auch für Ökosysteme und die Biodiversität müssten vorher entdeckt, genau definiert und bewertet werden.
Kein höheres Risiko?
Aus Sicht der Molekulargenetikerin Rita Groß-Hardt geht von Gentechnik-Pflanzen kein höheres Risiko für die Umwelt aus als von konventionell gezüchteten Pflanzen. "Im Gegenteil: Diese Technologie trägt durch den Schutz von Ressourcen zu einer nachhaltigen Landwirtschaft bei." Damit kommt die Professorin von der Universität Bremen zum gleichen Schluss wie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), auf deren Einschätzung sich die EU-Kommission stützt.