Gebäudeenergiegesetz Was steckt hinter dem Zögern?
Weshalb die Ampel erneut eine Einigung zum Start eines Gesetzgebungsverfahrens verschiebt, ist inhaltlich nicht mehr nachvollziehbar. Was dahinter steckt und welche Folgen ein weiterer Aufschub haben könnte.
An sich ist die Existenz von Zeitmaschinen im Regierungsviertel unbekannt. Und doch wähnten sich heute etliche politische Beobachter und Beobachterinnen in einer solchen - und reisten rückwärts. Schon vor drei Wochen war erwartet worden, dass die Bundestagsfraktionen der Ampelkoalition den Startschuss für die parlamentarischen Beratungen zum Gebäudeenergiegesetz (GEG) geben. Denn der Gesetzentwurf liegt längst vor, er ist vom Kabinett einstimmig zwischen SPD-, Grünen- und FDP-Ministerinnen und -Ministern verabschiedet worden.
Bereits vor drei Wochen hatte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich Mühe, auf die Frage zu antworten, was denn nun noch vorab zu klären sein. Heute kann er es noch viel weniger, als er die erneute Vertagung verkündet.
"Grobe Leitlinien zum Verständnis des Gesetzes"
Grünen-Co-Fraktionschefin Katharina Dröge versucht es erst gar nicht: Die Grünen verstünden nicht, warum man nicht alle weiteren Fragen innerhalb der parlamentarischen Lesungen klären könne. Gesetzesvorlagen können genau dort bis zur abschließenden Lesung geändert werden.
Dröge mag auch heute am Rande des Parlaments keine konkrete Antwort darauf geben, wo die Knackpunkte liegen - um eine möglichst baldige Einigung nicht zu gefährden, sagt sie und schiebt nach: "Es geht um grobe Leitlinien zum Verständnis des Gebäudeenergiegesetzes."
Das wiederum klingt wie ein Armutszeugnis für die Koalition: Was, wenn nicht das, haben die Mitglieder der Ampelkoalition eigentlich seit acht Wochen dann gemacht, wird manche Bürgerin und mancher Bürger sich fragen. Zumal eine grobe Verständigung sogar vor der Verabschiedung eines Gesetzesentwurfs im Kabinett passieren sollte, nicht erst hinterher.
Warten auf die Landtagswahlen?
Je länger die Uneinigkeit dauert, desto größer werden die Spekulationen, dass die Heizungsrebellen der FDP das Gerangel um das GEG in den Herbst ziehen wollen, um bei den anstehenden Wahlen in Bayern und Hessen die FDP sicher über die Fünf-Prozent-Hürde zu kriegen. Dahinter steckt die Annahme, dass die Profilierung von FDP als Hüterin der Vernünftigen und der politischen Mitte zulasten von SPD und Grünen wirklich aufgeht. Nicht alle in der FDP sehen das so.
Denkbar wäre auch, dass der kleinste Koalitionspartner seinen Joker bis zur letzten Minute spielt - das wäre kommende Woche - und dann verkündet: "Jetzt sind auch wir bereit, in die Beratungen zu gehen, aber wir haben im Sinne der Bürgerinnen und Bürgers dieses Landes nun das Schlimmste verhindert." Dazu müssten dann aber auch die lautesten FDP-Rebellen ein Einsehen haben, dass der Zwist mehr schadet als nutzt.
Die Verantwortung liegt damit erneut bei der FDP, die wichtige Punkte immer noch nicht geeint sieht. Angefangen hatte das vor acht Wochen, als FDP-Chef und Kabinettsmitglied Christian Lindner dem Entwurf eine Protokollnotiz beifügen ließ, die Partei sehe noch Änderungsbedarf. Wohlmeinende konnten damals sagen, das lässt sich im folgenden parlamentarischen Verfahren klären.
Auch vor drei Wochen konnten Wohlmeinende noch sagen: Die Ampelfraktionen vertagen sich und haben Gremien berufen, die eine Einigung bis zur nächsten Sitzungswoche erarbeiten - das kann bei so komplexen Reformvorhaben wie der Wärmewende schon mal passieren, die jeden privaten Haushalt direkt bei Eigentum oder indirekt bei Mietern betrifft.
Ein Problem auch für den Kanzler
Die FDP schiebt die Verantwortung für das unglückliche Verfahren gern weiter Richtung Grüne, aus deren Wirtschafts- und Klimaschutz-Ressort der Entwurf federführend kam, wenn auch unter Beteiligung des SPD-geführten Bauministeriums: zu viele ungeklärte Fragen. Doch genau diese sollte ein Gremium aus stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden klären - bis zu dieser Sitzungswoche des Bundestags.
Dass das nicht erfolgt ist, ist nicht mehr allein ein Problem der FDP. Es wirkt wie ein Armutszeugnis für die gesamte Koalition und ihren Regierungschef Olaf Scholz und wirft die Frage auf, welche Problemlösungskompetenz aufgebaut wurde, um unterschiedliche Positionen mit Kompromissen auf allen Seiten zu einigen. Da hilft es dann auch nicht, auf Gesetzesprojekte zu verweisen, die im Vergleich geräuschloser und im Vorfeld geeint über die Bühne gingen.
Seltsame Diskrepanz
Es gibt derzeit eine seltsame Diskrepanz zwischen der Stimmung innerhalb der Ampel, sich verbal gegenseitig noch zu schonen, und einer Öffentlichkeit, die sich vermutlich zunehmend fragen wird, weshalb das nicht spätestens Anfang dieser Woche zur Chefsache erklärt wurde. Um das Gesetz zu einen statt zu vertagen - notfalls auch in Nachtsitzungen, auch wenn man die eigentlich vermeiden wollte. Stattdessen saß der Kanzler entspannt gestern bei einem Philosophiekongress in Köln auf der Bühne, um in allgemeiner politischer Zuversicht zu schwelgen.
Nun verhandeln Scholz, Habeck und Lindner mit den Fraktionen. Alle drei scheinen sich der desaströsen Außenwirkung ihres Vorgehens nun endlich bewusst zu sein. Aber warum erst starten sie den Rettungsversuch jetzt?