Lauterbach-Projekt Wie es mit der Krankenhausreform weitergeht
Die Krankenhausreform von Minister Lauterbach soll morgen im Bundesrat ihre letzte Hürde nehmen. Sie könnte dort aber scheitern. Warum braucht es eine Reform, und weshalb steht seine auf der Kippe? Ein Überblick.
Vor der entscheidenden Bundesratssitzung am Freitag versucht Gesundheitsminister Karl Lauterbach, in Einzelgesprächen mit Landesvertretern seine große Krankenhausreform zu retten. Die Vorbehalte in vielen Ländern sind allerdings massiv: Sollte die Länderkammer morgen den Vermittlungsausschuss anrufen, könnte es das Aus für das Großprojekt bedeuten, mit dem der SPD-Politiker die Krankenhauslandschaft in Deutschland neu ordnen wollte.
"Worum geht es uns: Ist das ein Wirtschaftszweig, wo es um so viele Kliniken wie möglich geht? Oder wollen wir die Patienten besser behandeln?", fragte Lauterbach im ARD-Morgenmagazin.
Warum steht die Reform auf der Kippe?
Das mögliche Scheitern der Reform wäre ein Kollateralschaden des Koalitionsbruchs. Die Reform war zwar noch mit Ampel-Mehrheit im Bundestag beschlossen worden, aber mehrere Länder haben Widerstand angekündigt - aus Furcht vor Klinikschließungen, hohen Folgekosten und einer Stärkung der Befugnisse des Bundes auf Kosten der Länder.
Ruft der Bundesrat den Vermittlungsausschuss an, müsste der Bundestag dies mit absoluter Mehrheit überstimmen. Nach dem Ampel-Aus fehlen der Minderheitsregierung dazu aber die nötigen Stimmen. Aus der Union gibt es Forderungen, Lauterbachs Projekt zu begraben und nach der Neuwahl eine komplett neue Reform in Angriff zu nehmen.
Verzichtet der Bundesrat am Freitag aber auf die Anrufung des Vermittlungsausschusses, kann die Reform in Kraft treten.
Welche Ziele verfolgt Lauterbachs Reformprojekt?
Die hohen Kosten für die Krankenhausversorgung sollen sinken, die Qualität der Behandlung soll steigen. Kernstück der Reform ist eine stärkere medizinische Spezialisierung.
"Wir haben eine geringe Lebenserwartung im westeuropäischen Vergleich", sagte Lauterbach im ARD-Morgenmagazin. "Das liegt auch daran, dass wir bei vielen großen Operationen im Krankenhaus nicht diese Ergebnisse erzielen, die möglich wären, wenn die Eingriffe mehr spezialisiert durchgeführt würden." Die Spezialisierung kommt Lauterbach zufolge jetzt. "Die Prognose für viele Krebspatienten, auch für viele Patienten mit großen Herzoperationen wäre dann besser." Die Reform rette Leben.
Vor allem die kleineren Krankenhäuser sollen künftig weniger Leistungen anbieten und sich auf jene Eingriffe beschränken, die sie gut beherrschen. Patientinnen und Patienten müssten künftig also bisweilen längere Wege bis zum nächsten zuständigen Krankenhaus in Kauf nehmen, sollen dafür aber eine bessere Behandlung bekommen.
Die einzelnen Behandlungsarten werden durch das Gesetz in 65 Leistungsgruppen eingeteilt - wie etwa Herzchirurgie, Leukämie oder Darmtransplantation. Welches Krankenhaus künftig welche Leistungsgruppen anbieten darf, entscheiden die Behörden der Länder. Die Kliniken müssen dafür ein bestimmtes Qualitätsniveau und ausreichend Personal nachweisen können. Nur wenn sie diese Kriterien erfüllen, sollen sie für die Behandlung bezahlt werden können.
Warum braucht es eine Krankenhausreform?
Die schlechte Finanzlage der Kliniken hatte den Anstoß zu der Reform gegeben. Etwa 30 Prozent der Kliniken schreiben rote Zahlen. Die Reform soll eine "Ent-Ökonomisierung" des Krankenhauswesens bringen, sagt Lauterbach.
Die wichtigste Änderung: Die bisherige Vergütung über Fallpauschalen soll eingeschränkt werden, weil sie erhebliche Fehlanreize setzt. Sie kann dazu führen, dass Kliniken Behandlungen ausführen, die medizinisch gar nicht erforderlich sind - nur um diese dann finanziell abrechnen zu können.
Lauterbachs Lösung: Künftig sollen die Kliniken vor allem dafür bezahlt werden, dass sie bestimmte Leistungen anbieten. Dafür erhalten sie eine sogenannte "Vorhaltepauschale", die 60 Prozent ihrer Kosten decken soll. Die übrigen 40 Prozent sollen wie bislang über die Fallpauschale kommen. Unabhängig von der Vorhalte-Pauschale sollen die Kliniken für wichtige Kernbereiche zusätzliche Mittel bekommen: für Pädiatrie, Geburtshilfe, Schlaganfallbehandlung, Traumatologie und Intensivmedizin.
Die Spezialisierung werde damit erzwungen, sagte Lauterbach im ARD-Morgenmagazin. "Das heißt, nicht mehr jedes Krankenhaus darf alles machen. Sondern sie müssen Qualitätsvorgaben erfüllen." Das Reformprojekt koste 50 Milliarden Euro Umbaukosten über zehn Jahre. Das werde eine Investition: "Die ist aber notwendig."
Werden Kliniken schließen?
Ja. Für die aktuell mehr als 1.700 Krankenhäuser gebe es bereits jetzt nicht genug Personal, viele Kliniken schrieben rote Zahlen und seien von Insolvenz bedroht, argumentiert Lauterbach. Mit seiner Reform will er das erwartete Kliniksterben begrenzen. Wenn es am Ende 20 Prozent Krankenhäuser weniger gäbe, diese aber bessere Versorgung böten, sei das aus seiner Sicht richtig.
"Wir müssen uns von der Illusion trennen, dass wir wie jetzt so viele Krankenhäuser haben, die alle komplizierte Darmkrebsoperationen machen", so Lauterbach im ARD-Morgenmagazin. "Wir kommen einfach nicht auf die Qualität, die wir im Ausland haben." Die kleinen Häuser würden aber als stationäre Häuser erhalten bleiben.
Eine Reihe von Regelungen soll vor allem kleinen Kliniken in ländlichen Regionen helfen: In solchen Häusern sollen Fachärzte ihre Leistungen künftig auch ambulant für Patientinnen und Patienten anbieten dürfen. Der mancherorts weite Weg in eine Fachpraxis entfällt damit. Zudem dürfen "Sicherstellungshäuser" in ländlichen Regionen, die für die Grundversorgung unverzichtbar sind, geringfügig von den strengen Qualitätsvorgaben der Leistungsgruppen abweichen.
"Ein Land wie Brandenburg, das nicht so viele Krankenhäuser hat, wird überhaupt kein Krankenhaus verlieren", sagte Lauterbach mit ARD-Morgenmagazin. "Sie werden vielleicht die eine oder andere Operation nicht mehr in den Krankenhäusern machen." Aber alle Standorte könnten in Brandenburg erhalten bleiben. "Da hat man ja keine so große Krankenhausdichte."
Die Krankenhausdichte sei eher in Nordrhein-Westfalen oder Bayern zu hoch.