Das X-Kontoprofil von Elon Musk auf einem Smartphone.

Social-Media-Plattform X Bleiben oder gehen?

Stand: 09.01.2025 09:04 Uhr

Elon Musk, der Eigentümer von X, hat deutsche Politiker beschimpft und zur Wahl der AfD aufgerufen. Nun spricht er auch live mit Weidel. Warum nutzen viele Politiker und die Bundesregierung die Plattform trotzdem weiter?

Von Philipp Eckstein, ARD-Hauptstadtstudio

Seit Elon Musk die Social-Media-Plattform Twitter gekauft und in X umbenannt hat, hat sich dort vieles geändert. Der Ton ist rauer geworden, die Plattform hat die Moderation der dort geposteten Inhalte deutlich reduziert. Postings mit Darstellungen von Gewalt, Pornografie, Falschinformationen, Hass und Hetze werden kaum noch eingeschränkt.

Auch Musk, der als reichster Mann der Welt gilt und ein enger Vertrauter des künftigen US-Präsidenten Donald Trump ist, mischt auf seiner Plattform eifrig mit. Zuletzt fiel er in Deutschland vor allem dadurch auf, dass er Bundeskanzler Olaf Scholz zum Rücktritt aufforderte, als "incompetent fool", also als inkompetenten Narr, beschimpfte und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier einen "anti-democratic tyrant", also einen antidemokratischen Tyrannen, nannte.

Zudem hat Musk mehrfach zur Wahl der AfD bei der Bundestagswahl aufgerufen und will heute Abend auf seiner Plattform ein Gespräch mit Alice Weidel ausstrahlen. All das befeuert die Debatte darüber, in welchem Umfeld sich Politiker, aber auch die Bundesregierung auf X bewegen - und ob sie die Plattform weiter nutzen sollten.  

Klöckner: Politiker können als Sender auftreten

CDU-Politikerin Julia Klöckner hat dazu eine klare Meinung. Dem ARD-Hauptstadtstudio sagte sie, sie "finde den Wahlaufruf und die Art des Vorgehens von Herrn Musk nicht gut. Aber zur Demokratie gehört, dass ich auch das ertrage".

Die ehemalige Landwirtschaftsministerin nutzt X, aber auch andere Plattformen wie YouTube, Facebook, Instagram oder LinkedIn. Das seien Plattformen, auf denen sie als Politikerin auch selbst Senderin sein könne. Das heiße für sie, direkt ihre Haltung und Meinung wiedergeben zu können.

Dass zuletzt auch wieder einige Politiker X verlassen haben, wirke auf sie häufig inszeniert, sagt Klöckner. Zumal die Parteien dieser Politiker weiterhin dort aktiv seien.

Ataman rät zur Abkehr von X

Auch im aktuellen Bundestagswahlkampf zeigt sich: Keine und keiner der Spitzen- und Kanzlerkandidaten will auf eine Präsenz auf der Plattform, die weiterhin auch von vielen Journalistinnen und Journalisten genutzt wird, verzichten. Olaf Scholz (SPD), Friedrich Merz (CDU), Markus Söder (CSU), Robert Habeck (Grüne), Christian Lindner (FDP), Alice Weidel (AfD), Sahra Wagenknecht (BSW), Jan van Aken (Die Linke) - sie alle nutzen X.  

Die Unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, sagt dazu, sie höre oft das Argument, man wolle dort den Dialog suchen und weiterführen. Das sei aber ein Argument, das sie nicht verstehe, da X in Deutschland von "ungefähr 97 Prozent" der Bürgerinnen und Bürgern nicht genutzt werde.  

Ataman und die Antidiskriminierungsstelle des Bundes haben X bereits im Oktober 2023 verlassen. Mittlerweile gebe es dafür noch deutlich mehr Gründe, findet Ataman. Denn X sei mittlerweile "eine Art rechtsextreme Desinformations- und Propagandaplattform". Dem ARD-Hauptstadtstudio sagte sie, es sei "in der Tat höchste Zeit, dass auch die Regierung, der Bundeskanzler, die Minister, die Ministerien dort nicht mehr zu finden sind". Denn mit ihrer Präsenz würden sie eine Plattform aufwerten, "die eigentlich ein politisches Machtbeeinflussungsinstrument des reichsten Mannes der Welt geworden ist".

Entschlossene Aussagen, wenig Konsequenzen

Was Musk auf seiner Plattform sagt und verbreitet, beschäftigt auch die Bundesregierung immer häufiger. So sagte Vizekanzler Habeck kürzlich: "Musk stärkt die, die Europa schwächen. Ein schwaches Europa ist im Interesse von jenen, für die Regulierung eine unangemessene Begrenzung ihrer Macht ist." Aber es brauche die Begrenzung der Macht, kein Geschäftsmodell dürfe unsere Demokratie zerstören.  

Bundeskanzler Scholz sagte, dass "Herr Musk eine in Teilen rechtsextremistische Partei unterstützt hat", sei etwas, "wo wir nicht nur nicht einverstanden sind. Das weise ich zurück".

Die Aussagen klingen entschlossen, haben bislang aber keine Konsequenzen. Die Bundesregierung nutzt weiterhin täglich X als eine von mehreren Social-Media-Plattformen, um Nachrichten und Informationen zu verbreiten. Regierungssprecher Steffen Hebestreit, erklärte dazu, man nehme "auch die Kritik wahr und an, dass es kritische Fragen gibt, warum die Bundesregierung bei X ist. Gleichzeitig sagen wir aber, wir müssen dahin, wo Menschen nach Informationen suchen".

Äußert Musk einfach nur seine Meinung?

Auf die Frage, ob die Aussagen von Musk als Versuch einer Einflussnahme auf die Bundestagswahl gewertet wird, teilt ein Sprecher des Bundesinnenministeriums auf Anfrage mit: "Die Aussagen von Herrn Musk werden von der Bundesregierung als Äußerungen einer Privatperson bewertet."

Dabei steht die Frage im Raum, inwiefern Musk auf X einfach, wie jeder andere Nutzer, nur seine Meinung äußert. Vieles deutet darauf hin, dass der Algorithmus mittlerweile so programmiert sein könnte, dass seine Mitteilungen eine besonders große Reichweite auf der Plattform erhalten.

Rat- und Machtlosigkeit im Umgang mit X

Bundesregierung und Bundesinnenministerium verweisen darauf, dass die Europäische Union für die Aufsicht von X gemäß dem Digital Services Act zuständig ist. Das trifft zwar zu, zugleich offenbart es aber auch eine gewisse Rat- und Machtlosigkeit im Umgang mit X. Denn natürlich könnte ein Land von der Größe Deutschlands auch unabhängig von der EU versuchen, Druck auszuüben.  

Für die Bundesregierung dürfte aktuell noch eine weitere Überlegung eine Rolle spielen. Nämlich die Frage: Wie sehr möchte man sich gerade mit X, Musk und damit auch mit dem künftigen US-Präsidenten Trump anlegen?  

Das Problem könnte ohnehin bald über X hinausgehen. Anfang der Woche hat auch der Eigentümer von Instagram und Facebook, Mark Zuckerberg, erklärt, künftig in Sachen Moderation und Faktenchecks dem Beispiel X folgen zu wollen.