Amt des Ostbeauftragten Wichtiger Netzwerker oder "Reiseonkel"?
Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Schneider, arbeitet meist hinter den Kulissen. Mit seiner Sommerreise will er zeigen, was er bewirkt. Manche halten sein Amt jedoch für überflüssig.
Carsten Schneider hat Energie. Bei seiner Sommerreise für die Presse jagt ein Lokaltermin den anderen. Vor Ort geht es dann auch um Energie, vor allem um Energieträger. Da kommen Öl und Gas noch vor, aber vor allem kümmert Schneider sich um die Erneuerbaren. Dabei will der Ostbeauftragte auch zeigen, wie wichtig Ostdeutschlands Beitrag zur Energieversorgung hierzulande ist.
Schon im Pressebus erzählt er davon: "In den meisten Ländern außer in Sachsen haben wir Energieüberschuss aus erneuerbaren Energien für den Rest Deutschlands. Wir sind ganz oft auch Transportland, also durch mein Heimatland Thüringen gehen riesige Kabel, damit wir im Süden auch Strom haben für die Industrie."
Das Bild des Ostens
Schneiders Mission: die Stärken Ostdeutschlands betonen und zeigen, "dass man heilfroh sein kann, dass der Osten dazugehört". Erste Station der Reise: Schwedt, Standort der großen Raffinerie. Sie geriet in Schwierigkeiten durch den Lieferstopp Russlands. Eine Zeitenwende, in der es für den Betrieb um die Existenz ging - und für die etwa 3.000 Arbeitskräfte, die daran hängen, auch.
Bürgermeisterin Annekatrin Hoppe kennt Schneider, ihren Ostbeauftragten, inzwischen ganz gut und sagt: "Dafür bin ich außerordentlich dankbar, dass ich über den Carsten Schneider den direkten Draht ins Bundeskanzleramt habe." Wenn es Schwierigkeiten gibt, wenn sie wissen will, warum etwas länger dauert oder welche Fristen wichtig sind - sie kann einfach anrufen. Dass beide das gleiche Parteibuch haben, erleichtert die Sache wohl.
Das heißt für Schwedt: Bundeskanzler Olaf Scholz war da, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auch und Carsten Schneider sowieso. Die Raffinerie hat die Krise überstanden.
Der Geschäftsführer von PCK, Harry Gnorski, will sich eigentlich nicht politisch äußern. Aber zum Thema Ostbeauftragter sagt er dann doch etwas: "Persönlich finde ich es gut, dass der Osten repräsentiert ist. Ich denke auch, wir brauchen noch Unterstützung, da kann jede helfende Hand nur positiv sein." Zum Beispiel wenn Schwedt eine neue Lebensader bekommen soll: eine große Stromleitung für die Herstellung von Wasserstoff.
Lubmin: gestern Erdgas, heute LNG, morgen Wasserstoff
Am Hafen von Lubmin steht eine Gasempfangsstation, ursprünglich gebaut für die Pipelines Nordstream eins und zwei. Daneben steht wenig: eine große Brachfläche, im Hintergrund das stillgelegte DDR-Atomkraftwerk. Energie ist hier schon lange ein Thema.
Als Letztes hat die Deutsche ReGas in der Ostsee ein LNG-Terminal gebaut. Da war auch der Ostbeauftragte zur Stelle, erinnert sich Firmengründer Stephan Knabe: "Herr Schneider ist wirklich jemand, der sich nicht scheut, in die erste Reihe zu gehen und sich tatsächlich auch dem aufgeregten Gegenüber zu stellen, egal ob das jetzt Umweltverbände sind oder besorgte Bürger, und es ihnen zu erklären."
Das sei eine wichtige Aufgabe der Politik, findet Knabe. Als nächstes plant er auf dem Brachland eine große Anlage für sogenannten grünen Wasserstoff. Der soll erstens über eine Pipeline in der Ostsee aus Skandinavien kommen und zweitens aus Ammoniak hergestellt werden, der mit Schiffen hergebracht wird.
Grüner Wasserstoff ist - so heißt es überall - der Energieträger der Zukunft. Die Firma Gascade will dafür Pipelines von Lubmin bis Tschechien und Baden-Württemberg bauen. Geschäftsführer Christoph von dem Bussche glaubt, dass es gut ist, einen Ostbeauftragten im Kanzleramt zu haben. Dabei komme es nicht auf die Medienpräsenz an. Entscheidend sei doch, dass man etwas umgesetzt bekomme. Von dem Bussche ist sichtlich froh über die Unterstützung aus dem Bundeskanzleramt.
"Reiseonkel" und "Jammerossi"
Am Tag nach der Sommerreise, bei der Schneider die Stärken Ostdeutschlands zeigen wollte und wohl auch, wo er persönlich etwas bewirken konnte, setzt es Kritik von einem, der nicht dabei gewesen ist: Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU im Bundestag, Sepp Müller, sagt, er habe persönlich einen guten Draht zu Schneider, aber dann holt er aus: "Wir brauchen keinen Reiseonkel, wir brauchen keinen Jammerossi, wir brauchen jemanden, der sich durchsetzen kann. Deswegen bin ich der Überzeugung, dass wir keinen Ostbeauftragten mehr benötigen."
Das ist besonders interessant, weil Müller praktisch selbst so eine Art Ostbeauftragter ist. Als Vize-Fraktionschef ist er besonders für den Osten zuständig, er kommt aus Sachsen-Anhalt. Müller moniert, dass Schneider den Ministerinnen und Ministern der Bundesregierung nicht hineinregieren darf. Es mangele an "Zugriffsrechten", so drückt er sich aus. Außerdem fehlten ihm "Ostgesichter in der Ministerriege, die sich für Ostdeutschland einsetzen".
Schneider kommt zwar aus Thüringen und dürfte damit das sein, was Müller unter einem "Ostgesicht" versteht, auch führt er den Titel eines Staatsministers im Bundeskanzleramt, aber ein klassisches Ministerressort untersteht ihm nicht.
Tatsächlich sieht er sich selbst eher als Mittler - einerseits bei den Leuten vor Ort und andererseits hinter den Kulissen der Bundespolitik. Dort leiste er Beziehungsarbeit, Netzwerkarbeit und bereite Entscheidungen, die später zum Teil andere treffen, so vor, dass sie im Sinne des Ostens fallen. Darauf verwendet er, wie es aussieht, viel Energie.