Markus Söder
Analyse

Die Union und der Klimaschutz Söder zu grün für die CSU?

Stand: 20.05.2021 10:11 Uhr

CSU-Chef Söder inszeniert sich derzeit als Klima-Taktgeber der Union. Kanzlerkandidat Laschet lässt er damit alt aussehen, doch auch in Söders bayerischer Heimat sind nicht alle begeistert.

Eine Analyse von Petr Jerabek, BR

Politiker, die vor Baumstümpfen reden - zur Sicherheit übersetzte Markus Söder die Botschaft dieser Szene gleich in Worte: Holz sei viel besser als Plastik. Statt wie üblich im Prinz-Carl-Palais vor Kunststoff-Pulten zu stehen, absolvierte der bayerische Ministerpräsident sein Statement mit Österreichs Kanzler Sebastian Kurz vergangene Woche im Grün des Münchner Hofgartens. Als Pulte dienten Stücke eines mächtigen Baumstamms - "ganz artenschutz- und pflanzenschutzgerecht", wie der Pressesprecher der Staatsregierung betonte.

Markus Söder und Sebastian Kurz

Grüner Rahmen: Söder und Kurz im Münchner Hofgarten.

Söder, der Bienenretter

14 Monate lang war Söder vor allem als Corona-Krisenmanager omnipräsent und lenkte in so ziemlich jeder Rede den Fokus auf die Pandemie. Seit der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz aber ist der Söder des Jahres 2019 wieder im Vordergrund: Söder, der Bienenretter, der Umweltfreund, der Baumumarmer. Auch beim Auftritt mit Kanzler Kurz schlug er den Bogen vom Tourismus zum Klima und kündigte eine bayerische Offensive für "ökologisches Urlauben" an.

Vor allem verbal macht der CSU-Chef Dampf. Die Entscheidung der Karlsruher Richter sei "wuchtig, aber richtig", befand er und gab die Devise aus: "Wir müssen Schrittmacher für mehr Klimaschutz sein."

Nahezu im Tagesrhythmus legt er nach, verlangt eine "Klima-Steuerreform" für Deutschland, einen Wechsel von der sozialen zur ökologischen Marktwirtschaft, fordert erneut ein Ende des fossilen Verbrennungsmotors bis 2035. In Bayern will er die natürlichen CO2-Speicher ausbauen, die Geothermie und die Photovoltaik voranbringen.

Söder lässt Laschet alt aussehen

Dabei nutzt der CSU-Chef das Thema auch, um gegen den CDU-Vorsitzenden Armin Laschet zu sticheln, dem er im Ringen um die Kanzlerkandidatur unterlegen war. Söder präsentiert sich als klimabewusster Modernisierer - und suggeriert, Laschet stünde für eine veraltete Politik. Beide Klimagesetze - das im Bund und auch das bayerische - müssten "deutlich ambitionierter" werden, betont Söder.

Hört man ihn reden, könnte man fast meinen, er hätte mit diesen Gesetzen nichts zu tun gehabt. Dabei wurden beide von Koalitionen beschlossen, denen Söder angehört: Im schwarz-roten Bündnis in Berlin hat er als CSU-Chef ein Mitspracherecht, die Regierung aus CSU und Freien Wählern in Bayern führt er an.

Aus der Not eine Tugend

Söder macht aus der Not eine Tugend. Getreu dem Motto "Angriff ist die beste Verteidigung" inszeniert er sich als Klima-Taktgeber der Union. Eine Strategie, auf die er schon in den ersten Monaten 2019 gesetzt hatte. Damals schien der Ministerpräsident zum Getriebenen zu werden - vom Höhenflug der Grünen, von Fridays-for-Future-Demonstrationen und insbesondere vom bayerischen Artenschutz-Volksbegehren "Rettet die Bienen".

Um nicht weiter in die Defensive zu geraten, ging Söder auch damals in die Offensive. Seine Koalition übernahm das Bienenbegehren eins zu eins als Gesetz, ungeachtet der Verärgerung vieler Bauern. Der CSU verordnete der Parteichef einen ökologischeren Kurs, trotz des Unmuts von Teilen der Basis.

Politischer Instinkt

Einerseits kann Söder darauf verweisen, dass er auch schon in früheren Jahren immer wieder grüne Akzente gesetzt hatte, zum Beispiel als bayerischer Umweltminister mit seinem Nein zum Donau-Ausbau. Andererseits können ihm Kritiker ganz andere Entscheidungen vorhalten: Als Heimatminister war er an der Änderung des Alpenplans beteiligt, um den Bau von Liftanlagen in einem Naturschutzgebiet zu ermöglichen. Rückblickend spricht er selbst von einem Fehler.

Unbestritten ist Söders politischer Instinkt. Der Franke erkennt die Zeichen der Zeit oft schneller als andere und schreckt vor Kurskorrekturen nicht zurück.

CSU-Notizbuch aus Apfelresten

Im offiziellen CSU-Fanshop ist die sanfte Ergrünung der CSU längst zu sehen: Neben Bierkrügen und Franz-Josef-Strauß-Anstecknadeln sind auch "ökologisch besonders nachhaltige Werbemittel" im Sortiment: CSU-Gemüsebeutel aus recyceltem PET, Baum- und Blumensamen, das CSU-Notizbuch aus Apfelresten.

Vielen in der CSU ist das zu grün

Eine komplette Partei lässt sich allerdings nicht so schnell umkrempeln. So mancher CSUler murrt, wenngleich derzeit nur hinter vorgehaltener Hand. Klare Worte kommen hingegen vom Chef der CSU-Mittelstandsunion, Franz Josef Pschierer. Der warnte, die CSU dürfe "nicht grüner werden als die Grünen".

Auch der Passauer CSU-Kreisvorsitzende Holm Putzke verlangt, die Partei müsse "zurück zum Markenkern und aufhören, die Grünen zu umarmen". Die CSU-Basis wolle einen Klima- und Umweltschutz, der "die Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie" in den Vordergrund stelle und auf Anreize statt Verbote setze. "Das unterscheidet die CSU fundamental von den Grünen."

Opposition spricht von "Klima-PR"

Naturschützer, SPD und Grüne wiederum werfen Söder vor, weit hinter seinen Ankündigungen zurückzubleiben. Von "Klima-PR" spricht Bayerns SPD-Landeschef Florian von Brunn, von einer "Überschriftenpolitik" der Grünen-Fraktionsvorsitzende Ludwig Hartmann. Vor allem die Weigerung, die strenge Abstandsregel für Windräder aufzuweichen, kreiden sie Söder an. Die Grünen drohen jetzt mit einem Volksbegehren zum Klimaschutz. Wer weiß: Vielleicht entdeckt Söder dadurch nach seinem Herz für Bienen auch ein Herz für verbindlichere Klimaziele.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete B5 aktuell am 28. April 2021 um 09:50 Uhr.