Verkleinerung des Bundestags Karlsruhe prüft Wahlrechtsreform der Ampel
Der Bundestag soll durch die Wahlrechtsreform wieder kleiner werden - doch bei Union und Linkspartei stößt das auf Widerstand. Letztere unterstellt der Ampel gar politische Ziele. Nun verhandelt das Bundesverfassungsgericht.
"Wir sind heute in Karlsruhe vor dem Bundesverfassungsgericht, weil wir leider gegen das von der Ampel beschlossene Wahlrecht aus dem letzten Jahr klagen müssen", sagt CDU-Vorsitzender Friedrich Merz vor Beginn der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. "Das Wahlrecht der Ampel verletzt in geradezu grober Weise die Chancengleichheit der politischen Parteien im Deutschen Bundestag."
Er ist nicht der Einzige, der vor Verhandlungsbeginn vor die Presse tritt. Eine Vielzahl von Kritikern des neuen Wahlrechts ist angereist. Auch Martin Schirdewan, Co-Parteivorsitzender der Linken, will, dass das neue Wahlrecht gekippt wird.
Er und seine Parteikollegen sind der Ansicht, dass die Ampelkoalition damit auch ein politisches Ziel verfolge - "sich nämlich unliebsamer Konkurrenz auf dem Wege der Wahl sozusagen zu entledigen." Die Ampel verschaffe sich dadurch einen politischen Vorteil.
Kleinerer Bundestag ohne Überhangmandate
CSU und Linke fühlen sich bedroht durch das neue Wahlrecht, das im vergangenen Jahr mit der Mehrheit der Ampelkoalition beschlossen wurde. Der Bundestag soll deutlich kleiner werden. Also wurden neue Regeln eingeführt, die tendenziell kleineren Parteien Probleme machen.
Abgeschafft wurden zum Beispiel die sogenannten Überhangmandate. Bislang war es so: Wenn eine Partei viele Erststimmen bekam, weil ihre Kandidaten sehr beliebt waren, sie aber bei den Zweitstimmen nicht so gut abschnitt, erhielt sie mehr Sitze, als ihr grundsätzlich anteilig zugestanden hätten.
Grüne verteidigen Reform
Damit die anderen Parteien im Verhältnis nicht die Verlierer waren, erhielten diese sogenannte Ausgleichsmandate. Dass alle diese zusätzlichen Mandate abgeschafft worden sind, verteidigt Till Steffen vom Bündnis 90/Die Grünen. Der Bundestag sei immer größer geworden, nach der letzten Wahl hatte er 736 Sitze - so viele wie nie zuvor.
Nach langen Debatten hätte die Koalition das Wahlrecht reformiert, denn sonst hätten es immer noch mehr Abgeordnete werden können. "Wir haben gesagt: Damit muss Schluss sein - und haben ein Wahlrecht geschaffen, das einfach und fair ist", sagt Steffen.
Seit 1980 kam es bei allen Bundestagswahlen zu Überhangmandaten - der Spitzenwert wurde 2017 mit 46 erreicht. Allerdings wird der verzerrende Effekt der Überhangmandate im 2013 reformierten Wahlrecht durch die neu eingeführten Ausgleichsmandate neutralisiert.
630 Sitze als Obergrenze
Jetzt soll es bei der nächsten Wahl als Obergrenze nur noch maximal 630 Sitze im Bundestag geben. Und noch etwas hat sich geändert. Bislang konnten nur Parteien in den Bundestag einziehen, die mindestens fünf Prozent der Zweitstimmen gewonnen haben. Es sei denn, sie hatten bei den Erststimmen drei Direktmandate bekommen.
Mit dieser sogenannten Grundmandatsklausel sollte sichergestellt werden, dass die Personen, die von den Wählern besonders geschätzt werden, auch im Parlament mitwirken, selbst wenn ihre Partei nicht besonders stark ist.
Streitpunkt Grundmandatsklausel
Von dieser Grundmandatsklausel profitierte 2021 die Linkspartei. Sie hatte bei den Zweitstimmen die Fünf-Prozent-Grenze nicht erreicht, normalerweise wäre sie also nicht im Bundestag vertreten gewesen. Aber wegen der drei gewonnenen Direktmandate zog sie dennoch ein. Auch die CSU könnte vom Wegfall der Grundmandatsklausel betroffen sein.
Das Verfassungsgericht will heute und morgen über das neue Wahlrecht verhandeln. Es will vor allem von Sachverständigen mehr über die Auswirkungen des neuen Rechts erfahren.