Streit über Wirtschaftspolitik Briefe, Vorwürfe und Irritationen
Der Standort Deutschland muss gestärkt werden. Darin sind sich Ampel und Union einig. Nur wie? Mehr Mut, fordert der Finanzminister, während die Union wieder Vorschläge per Post verschickt und so "Irritation" auslöst.
Dass die Konjunktur in Deutschland nicht in Gang kommt und rasche Maßnahmen notwendig sind, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu wahren, darüber dürfte Konsens bestehen bei Regierung und Union. Aber das war es dann auch mit der Einigkeit. Nachdem die Union das sogenannte Wachstumschancengesetz der Regierung im Bundesrat blockiert hatte, wandte sie sich am Wochenende per Brief mit eigenen Reformvorschlägen an die Ampel - zunächst von CDU-Chef Merz und CSU-Landesgruppenchef Dobrindt an Kanzler Olaf Scholz.
Regierung wirft Union Blockade vor
Es gebe eine "leichte Irritation" über diesen Brief, reagierte heute eine Regierungssprecherin auf die Post der Union, und verwies auf deren Haltung zum "Wachstumschancengesetz". Alle, denen die Dynamisierung der deutschen Wirtschaft tatsächlich am Herzen liege, seien zunächst einmal gehalten, diesem Gesetz zuzustimmen, sagte die Sprecherin in Richtung der Union.
Eigene Vorschläge von Lindner
Ähnlich äußerte sich Finanzminister Christian Lindner, der CDU und CSU Blockade vorwirft. "Wer noch mehr Entlastungen auch im steuerlichen Bereich wünscht, sollte ja zumindest einmal mit der Zustimmung zu dem, was auf dem Tisch liegt, beginnen", meinte der FDP-Politiker. Um selbst - nach einem Treffen mit deutschen Unternehmern und Vertretern der Finanzindustrie in London - nachzulegen. Mehr Tempo und Ambitionen bei strukturellen Reformen seien nötig, um die deutsche Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und er seien beide der Meinung, dass der Standort Deutschland aktuell nicht mehr wettbewerbsfähig sei.
Grund sei nicht nur die schwache Weltkonjunktur, es zeigten sich auch strukturell schlechtere Bedingungen. "Daraus werden wir die notwendigen Konsequenzen - wie ich hoffe - ziehen", sagte Lindner. Zumindest sei es für ihn undenkbar, aus einer solchen Lageanalyse keine Konsequenzen zu ziehen. Konkret kritisierte Lindner die "sehr hohen Steuersätze", einen reformbedürftigen Arbeitsmarkt und zu viel Bürokratie. In diesen Punkten müsse gehandelt werden.
Weitere Post der Union
Diese Ansicht teilt die Union und schickte gleich einen weiteren Brief an die Regierung. Dieses Mal waren Unionsfraktionsvize Jens Spahn und die wirtschaftspolitische Sprecherin der Union, Julia Klöckner die Absender. Der Adressat: Wirtschaftsminister Habeck. Der Inhalt ähnlich dem des ersten Briefs: wieder Vorschläge für ein "Sofortprogramm" für die deutsche Wirtschaft. So müssten etwa Sozialabgaben wieder auf maximal 40 Prozent des Bruttolohns begrenzt werden, Überstunden von Vollzeitbeschäftigten steuerlich begünstigt und die ersten 2.000 Euro Arbeitseinkommen im Jahr für Rentner steuerfrei gestellt werden.
Ein unzufriedener Kanzler
Und Kanzler Olaf Scholz? Die von seinem Finanzminister angestiftete Debatte über Steuersenkungen habe er zur Kenntnis genommen, berichtete die Regierungssprecherin. Ebenso wie die per Brief übermittelten Forderungen der Union. Unzufrieden sei er allerdings mit dem möglichen Kompromiss beim "Wachstumschancengesetz" im Vermittlungsausschuss. Auf Druck der Länder und der Union ist nun vorgesehen, dass die Entlastung für Unternehmen auf rund drei Milliarden Euro sinkt - in etwa die Hälfte der bisherigen Pläne.
Der Kanzler sei schon der Meinung, dass ein größeres Volumen für die deutsche Wirtschaft das Richtige wäre, erklärte die Regierungssprecherin. Man müsse aber sehen, was zusammen mit den Bundesländern möglich sei. Am 21. Februar gibt es dazu eine neue Gelegenheit. Dann tagt der Vermittlungsausschuss zum nächsten Mal. Noch etwas Zeit also für weitere Vorschläge und Briefe zum Wohle des Wirtschaftsstandorts Deutschland.