Mutmaßliche Linksextremistin BGH prüft Urteil gegen Lina E.
Wegen gewaltsamer Angriffe auf Rechtsextreme und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung wurde Lina E. zu fünf Jahren Haft verurteilt. Doch sie und die Bundesanwaltschaft legten Revision ein. Nun prüft der BGH.
"Free Lina" - der Slogan ist auf Hauswänden, Plakaten und Pullovern in Leipzig und weit darüber hinaus zu lesen. Die Studentin Lina E. hat nicht nur in ihrer Stadt den Status einer Ikone der linksautonomen Szene erreicht. Eine Märtyrerin, die vom Staat wie eine Terrorverdächtige behandelt werde, während Rechtsextreme geschont würden, so sehen es ihre Unterstützer.
Demgegenüber stehen die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft: Gemeinsam mit anderen soll Lina E. eine kriminelle Vereinigung gebildet haben. Die Gruppe habe Rechtsextreme überfallen und zusammengeschlagen. Das Oberlandesgericht Dresden hatte Lina E. deshalb im Mai 2023 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt.
Die Vertreterin der Bundesanwaltschaft, Alexandra Geilhorn, bescheinigte der Gruppe damals "massive Gewalt" und ein "außergewöhnliches Maß an krimineller Energie". Nach Verkündung des OLG-Urteils sagte sie:
Es gibt keine gute politische Gewalt. Der Rechtsstaat nimmt es nicht hin, dass einzelne aufgrund einer vermeintlich besseren Ideologie das Recht in die eigene Hand nehmen und mit Gewalt gegen politisch Andersdenkende vorgehen.
Keine eindeutigen Beweise
Das Urteil ist das Ergebnis eines Indizienprozesses. Es gab zwar Belastendes, aber keine "Smoking Gun" - so formulierte es Geilhorn damals in ihrem Plädoyer. Die kriminelle Vereinigung, der Lina E. angehört haben soll, hat keinen Namen, kein Gründungsdatum, keine Chatgruppe. Es sei eher ein flexibles Geflecht mit einem gemeinsamen Zweck gewesen, meinte auch die Bundesanwaltschaft.
Die Verteidigung von Lina E. betonte: Für die Beteiligung an den meisten der vorgeworfenen Überfälle fehle der direkte Beweis. Verteidiger Ulrich von Klinggräff warf der Bundesanwaltschaft vor, jedes noch so dürftige Indiz zu Lasten seiner Mandantin ausgelegt zu haben:
Wir bleiben bei unserem Vorwurf, dass die Ermittlungen einseitig geführt worden sind. Wir bleiben bei unserem Vorwurf, dass die Verurteilung im Wesentlichen auf Hypothesen und Mutmaßungen und weniger auf handfesten Beweisen beruht.
Zweifelhafte Zeugen
Gerade die Hauptbelastungszeugen waren laut Verteidigung nicht über jeden Zweifel erhaben: Leon R., der zwei Mal von der Gruppe angegriffen wurde, ist mittlerweile selbst als Rädelsführer einer kriminellen Vereinigung verurteilt worden: Seine rechtsextreme Kampfsportgruppe "Knockout 51" hatte es sich zum Ziel gemacht, Personen aus der linksextremen Szene zu töten, so das Oberlandesgericht Thüringen.
Aus der linksextremen Szene sagte ein früherer Weggefährte von Lina E. gegen sie aus: Johannes D. wurde aus der Szene verstoßen, weil Vergewaltigungsvorwürfe gegen ihn kursierten. Er wurde selbst beschuldigt, Mitglied der Vereinigung um Lina E. zu sein. Auch an Übergriffen soll er teilgenommen haben. Die Verteidigung attestierte ihm deshalb ein erhebliches Eigeninteresse, den Sicherheitsbehörden Informationen zu liefern und Lina E. zu belasten.
Schnelles Urteil ungewiss
Gegen das Urteil des OLG Dresden hat Lina E. Revision eingelegt. Auch die Bundesanwaltschaft ist damit nicht einverstanden, sie hatte acht Jahre Haft gefordert. Ob das Urteil gegen Lina E. falsch ist, ob sie hätte freigesprochen werden müssen oder ihre Strafe im Gegenteil noch zu gering ist, darüber verhandelt heute der Bundesgerichtshof. Ob schon am Nachmittag ein Urteil verkündet wird, ist noch offen.