Zahlen und Fakten zur Armutsdebatte Wie arm ist Deutschland?
Ein bekanntes Phänomen erregt die Gemüter: Armut in Deutschland. Dabei zeigten Untersuchungen 2006, dass es sich nicht um ein neues Problem handelt. Auch Hartz IV hat die Armut nicht deutlich vergrößert. tagesschau.de hat Fakten zur Armutsdebatte zusammengestellt.
Von Sabine Klein, tagesschau.de
Trotz Ebbe in den öffentlichen Kassen: Deutschland gehört nach wie vor zu den reichsten Ländern der Welt. Wer von Armut in Deutschland spricht, muss deshalb eines hinzufügen: Mit der existenziellen Armut, unter der Menschen in Entwicklungsländern leiden, hat sie nichts zu tun. Es geht um relative Armut.
Gibt es eine neue Armut in Deutschland?
In ihrem zweiten Armutsbericht von Anfang 2005 definierte die Bundesregierung einen Menschen als arm, wenn sein Einkommen unter 60 Prozent des Durchschnittseinkommens liegt. Das Statistische Bundesamt ging in seinem "Datenreport 2006" ebenfalls von dieser Grenze aus. Wie hat sich die Armut in Deutschland nach diesen Kriterien entwickelt?
Die Statistik belegt, dass die Zahl der Armen in Deutschland bereits vor Anfang der 90er Jahre bei über 11 Prozent gelegen hat und gestiegen ist - bis auf 13,2 Prozent im Jahr 2005. Das Problem ist also nicht neu, es war jedoch 2005 eine leicht steigende Tendenz zu beobachten.
Und noch etwas lässt sich an den Zahlen des Statistischen Bundesamtes ablesen: Der unter anderen von Linkspartei-Fraktionschef Oskar Lafontaine erhobene Vorwurf, die Hartz-IV-Reform sei verantwortlich für die steigende Armut im Land, ließ sich nicht belegen.
Wie ungleich ist das Geld verteilt?
Die Grafik zeigt, dass die Einkommen in Deutschland sehr ungleich verteilt sind. Mehr als ein Drittel des monatlichen Gesamteinkommens in der Bundesrepublik geht an ein Fünftel der Bevölkerung. Und: Auch dieser Trend ist nicht neu. Anfang der 90er Jahre schwanken die Zahlen kaum.
Noch stärker machen sich die Unterschiede in der Bevölkerung bemerkbar, wenn man sich die Verteilung des Privatvermögens in Deutschland anschaut. Nach dem Armutsbericht der Bundesregierung von Anfang 2005 besitzen die unteren 50 Prozent der Haushalte nur knapp vier Prozent des gesamten Nettovermögens. 47 Prozent dieses gesamten Vermögens gehören dagegen den reichsten 10 Prozent der Haushalte. Der Anteil des obersten Zehntels ist sogar von 1998 bis 2003 noch um gut zwei Prozentpunkte gestiegen. Die Schere zwischen Arm und Reich ging also nach den Untersuchungen weiter auseinander.
Armutsrisiko Arbeitslosigkeit
Als eines der Hauptrisiken, arm zu werden, ist die Arbeitslosigkeit. Seit den 70er Jahren stieg die Arbeitslosenquote lange Zeit kontinuierlich an. "Für die Betroffenen bedeutet Arbeitslosigkeit akute Gefahr von Armut und sozialer Ausgrenzung", war im Armutsbericht der Bundesregierung 2005 zu lesen. Das Armutsrisiko von Arbeitslosen lag 2003 laut diesem Bericht bei über 40 Prozent. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen darüber hinaus, dass die Armenquote bei Arbeitslosen in den Jahren zwischen 1997 bis 2004 signifikant gestiegen ist - von 30,6 auf 42,1 Prozent.
Macht geringe Bildung arm?
Ebenfalls seit Jahrzehnten sinnen Politiker darüber nach, wie es gelingen kann, mehr Menschen in Arbeit zu bringen. Wie die Arbeitslosenstatistik zeigt, haben es alle Versuche nicht vermocht, die Arbeitslosigkeit in Deutschland dauerhaft zu senken. Einige Wissenschaftler gehen inzwischen davon aus, dass man mit einem Sockel von Arbeitslosen leben muss. Die Politiker halten aber nach wie vor am Ziel der Vollbeschäftigung fest. Als ein wichtiger Faktor dafür, das Risiko der Arbeitslosigkeit zu minimieren, wird immer wieder die Bildung genannt. Tatsächlich wird aus der folgenden Grafik deutlich, dass die Gefahr arm zu werden sinkt, je höher das Bildungsniveau ist. Allerdings - und diese Zahl ist ebenfalls interessant - ist die Armutsquote bei Absolventen von Fachhochschulen und Universitäten zwischen 1997 und 2004 von 2,3 auf 5,2 Prozent - also auf mehr als das Doppelte - gestiegen. Auch ein hohes Bildungsniveau schützt also nicht vor Armut, das Risiko steigt gerade bei Hochschulabsolventen stark.
Was die Grafik nicht zeigt, ist die Tatsache, dass, so der Armutsbericht der Bundesregierung von 2005, "Bildungschancen in Deutschland stark an die soziale Herkunft der Menschen gekoppelt sind". Danach sind die Chancen eines Kindes mit hohem sozialen Status, eine Gymnasialempfehlung zu bekommen, rund 2,7 mal so hoch wie die eines Facharbeiterkindes. Die Chance, ein Studium aufzunehmen, ist sogar um das 7,4-fache höher als die eines Kindes aus einem Elternhaus mit niedrigem sozialen Status.