Ein Baby wird geimpft.

Baden-Württemberg RS-Virus: So schätzen Kinderärzte in BW die Lage in diesem Winter ein

Stand: 24.11.2024 05:43 Uhr

Das RS-Virus hat im vergangenen Winter für überlastete Kinderkliniken gesorgt. Trotz Lieferengpässen beim Impfstoff wird in Baden-Württemberg eine milde Saison erwartet.

Kinderkliniken am Limit und viele Babys mit Atemwegserkrankungen: Im vergangenen Winter hat das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) Kinderkliniken in Baden-Württemberg hart getroffen. Die Saison in Deutschland hat zwar noch nicht begonnen. Doch seit Lieferengpässe beim RSV-Impfstoff für Säuglinge bekannt wurden, warnt der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) auch in diesem Jahr vor überlasteten Kinderkliniken. Im Sommer hatte die Ständige Impfkommission (Stiko) eine RSV-Immunisierung auch für Neugeborene empfohlen.

Was ist das RS-Virus?
Das Respiratorische Synzytial-Virus, kurz RSV oder RS-Virus, ist ein weltweit verbreiteter Erreger, der schwere Atemwegserkrankungen hervorrufen kann. Die RS-Viren können bei Menschen jeden Alters Infektionen auslösen und werden per Tröpfchen- oder Schmierinfektion übertragen. Insbesondere für Babys und Kleinkinder kann eine Infektion gefährlich werden. Denn gerade bei Säuglingen kann der Erreger Bronchitis und schwere Lungenentzündungen verursachen. Auch Kinder mit Vorerkrankungen wie beispielsweise Lungen- oder Herzerkrankungen haben ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe einer RSV-Infektion. Laut dem Robert-Koch-Institut machen innerhalb des ersten Lebensjahres 50 bis 70 Prozent und bis zum Ende des zweiten Lebensjahres nahezu alle Kinder mindestens eine RSV-Infektion durch. Bei den meisten Kindern verläuft die Erkrankung aber mild als harmlose Erkältung und die Infektion klingt innerhalb weniger Wochen von selbst ab.

RSV in Baden-Württemberg: Landesgesundheitsministerium ist zuversichtlich

Europaweit besteht derzeit eine hohe Nachfrage nach dem Impfstoff, gab das Bundesgesundheitsministerium bereits Ende September im Bundesanzeiger bekannt. Wegen der Lieferengpässe haben die Bundesländer die Erlaubnis, im Einzelfall befristet qualitativ gleichwertige Ware aus dem Ausland zu importieren.

In Baden-Württemberg wird erwartet, dass der Vedarf an RSV-Impfstoffen durch ebendiese Importe gedeckt werden kann. Das teilte das Landesgesundheitsministerium bereits Anfang November mit. Zudem seien dem Landesgesundheitsamt in den vergangenen Wochen nur vereinzelte Fälle von RSV-Infektionen bei Kindern zwischen null und fünf Jahren gemeldet worden.

So wirkt die RSV-Impfung
Seit Herbst 2024 empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) eine passive Immunisierung gegen RSV für Neugeborene und Säuglinge im ersten Jahr. Dabei werden Antikörper gespritzt, die dem Körper sofort zum Schutz vor RSV zur Verfügung stehen. Es handelt sich um eine aktive Schutzimpfung, die von der STIKO bisher nur einmalig empfohlen ist. Laut Studien hat die Impfung eine Schutzwirkung von sechs Monaten und schützt Babys somit in ihrem ersten Lebensjahr vor schweren Erkrankungen durch das RS-Virus.

Klinikum Stuttgart hat aktuell ausreichend RSV-Impfstoff

Auch im Kinder- und Jugendklinikum Olgahospital in Stuttgart gibt es noch keine Patientinnen und Patienten mit dem RS-Virus. Laut Friedrich Reichert, Leiter der Pädiatrischen Interdisziplinären Notaufnahme des Klinikums Stuttgart, liegt man in Deutschland meist vier bis sechs Wochen hinter Großbritannien, wo derzeit die RSV-Welle beginnt.

So berichteten wir Anfang des Jahres über die Situation am Olgahospital in Stuttgart:

Außerdem würden die Kliniken ausreichend beliefert, um Neugeborene gegen das RS-Virus impfen zu können, betont Reichert. Bei den niedergelassenen Kinderärzten sei die Belieferung dagegen sehr wechselhaft: "Das führt dazu, dass die Kinder, die zwischen April und Oktober geboren wurden, und daher nicht in der Klinik geimpft wurden, sondern eben nur in der Saison in der Praxis geimpft werden sollten, eventuell keine Impfung erhalten oder diese verspätet bekommen."

Komplizierte Abrechnung des RSV-Impfstoffs

Auch der Reutlinger Kinderarzt Till Reckert erklärt, dass die Immunisierung gegen das RS-Virus in den Praxen eher schleppend vorangeht. Denn vorrangig würden die Kliniken mit dem Antikörper beliefert. "Das ist gut so, denn je jünger das Kind in der RSV-Saison ist, desto eher kann es ein Problem bekommen", so Reckert.

Wie erkennt man eine Infektion bei Kindern?
Das Virus führt zu einer Verengung der Atemwege. Im noch kleinen Körper eines Kindes sind diese jedoch ohnehin schon eng. Bei einer weiteren Verengung durch die Infektion steigt der Luftwiderstand schnell, so Professor Jörg Dötsch. Er ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin und Direktor der Kinder- und Jugendklinik der Uni Köln. Das führt zu einer schnellen, angestrengten Atmung. Dabei bewegt sich der Brustkorb oft nach innen - dann sollte das Kind rasch zum Arzt. Auch wenn das Fieber sehr hoch steigt oder länger als drei oder vier Tage anhält, sollten Eltern mit ihren Kindern zum Kinderarzt. Das sind die Symptome einer Infektion mit RS-Viren
  • Schnupfen
  • trockener Husten
  • Niesen
  • Halsschmerzen
bei Beteiligung der unteren Atemwege:
  • Fieber
  • beschleunigte Atmung
  • Rasselgeräusche beim Atmen
  • Giemen (pfeifende Atemgeräusche)
  • Husten mit Auswurf
  • trockene, kalte und blasse Haut
  • eingesunkene Fontanelle (Knochenspalte am Schädel; Kinder unter 18 Monate)

Für die Kinderpraxen sei die "Einzelrezeptlogistik" in Verbindung mit der unzuverlässigen Belieferung ein Problem, so Reckert weiter. Denn die Apotheken erhalten meist eine Packung des Impfstoffs aus den USA mit fünf Fertigspritzen. Die Impfdosen können zwar einzeln herausgeben werden, allerdings entsteht dadurch für die Apotheken bei der Abrechnung ein wirtschaftliches Risiko. Das erklärt Frank Eickmann vom Landesapothekerverband Baden-Württemberg so: "Abgerechnet werden kann nur die 1er-Abgabe, während die vier weiteren, übrig bleibenden Portionen nicht abgerechnet werden können."

Kinderärzte in BW erwarten milde RSV-Saison

Insgesamt sieht Friedrich Reichert vom Klinikum Stuttgart der RSV-Saison eher gelassen entgegen. Eine Überlastung der Kliniken wie im vergangenen Winter befürchtet er nicht. Denn die gefährdetsten Kinder seien Säuglinge und diese würden in den Kliniken geimpft. "Natürlich wird es aber unschön sein, wenn Kinder stationär aufgenommen werden müssen, die die Impfung nur wegen Lieferschwierigkeiten nicht bekommen haben", so Reichert weiter.

Auch Kinderarzt Reckert rechnet mit einem "normalen Infektwinter". Überlastung gebe es in den Kinderpraxen sowieso und die Versorgung werde zunehmend schwerer. "Überarbeitete Kassenärzte gehen in den vorzeitigen Ruhestand und finden oft keine Nachfolger oder arbeiten nur privat weiter", sagt Reckert. Man müsse mehr junge Kolleginnen und Kollegen in den Praxen weiterbilden.

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