Berlin Hertha BSC: Die Finanzen bleiben ein spannendes Thema
Hertha BSC hat seine finanzielle Situation verbessert, vor allem dank eines radikalen Sparkurses. Dennoch zeigte der jüngst veröffentlichte Finanzbericht, dass weiter kreative Lösungen gefragt und offene Fragen zu beantworten sind.
Herthas Finanzgeschäftsführer Thomas Herrich hatte schon unangenehmere Mitgliederversammlungen zu überstehen. Vor der Veranstaltung im City Cube am Sonntag (17. November) richten sich alle Blicke auf die Wahl des Präsidiums. In der zu erwartenden Mammut-Sitzung dürfte der Tagesordnungspunkt "Finanzbericht der Geschäftsführung" nur eine Fußnote sein. Das ist ganz praktisch. Denn die Zahlen lassen sich gut verkaufen, werfen aber auch Zukunftsfragen auf. Vor allem auf folgende Punkte lohnt es sich zu achten:
Die schwarze Null wurde doch noch verpasst
Bereits im April verbreitete Hertha BSC die viel beachtete Meldung, die Zweitligasaison würde mit einem positiven Geschäftsergebnis beendet werden. Eine tolle Nachricht, für die Hertha und sein Geschäftsführer gefeiert wurden. Vielleicht etwas zu früh, wie sich nun zeigte. Denn das Geschäftsjahr 2023/24, das bis zum 30. Juni lief und damit im Wesentlichen an die Saison angelehnt war, beendete Hertha mitnichten im positiven Zahlenbereich. Im Gegenteil: Am Ende stand das immer noch beachtliche Minus von rund zehn Millionen Euro im operativen Geschäft.
Mit Steuern und Abschreibungen betrug der Verlust sogar über 33 Millionen Euro. Gemessen an den Vorjahren war das zwar immer noch ein Erfolg, die zwischenzeitlich prognostizierten Ergebnisse verfehlte der Klub allerdings. Die Erklärung dafür dürfte Finanzgeschäftsführer Thomas Herrich am Sonntag versuchen, den Mitgliedern und Medien zu geben.
Investor 777 hat offenbar nicht wie vereinbart gezahlt
Theoretisch dürfte Hertha noch auf 25 Millionen Euro von Investor 777 Partners hoffen. Vertraglich zugesichert sind die, von den ursprünglich versprochenen und kommunizierten 100 Millionen Euro hat das in Miami ansässige Unternehmen bislang nur 75 Millionen gezahlt.
Die fehlende Summe ist ziemlich genauso hoch wie der nicht gedeckte Fehlbetrag in der Bilanz des Klubs (rund 23 Millionen Euro). Es war bekannt, dass die Zahlungen des Investors an den Sanierungsplan des Klubs angelehnt werden sollten, auch die Misere von 777 könnte also dazu beigetragen haben, dass die Bilanz etwas schlechter ausfiel als erhofft.
Angesichts der Lage des Investors werden Thomas Herrich und Co wohl nicht mehr damit rechnen, dieses Geld noch zu sehen. Im Finanzbericht heißt es, eine offene Forderung in Höhe von 4,9 Millionen Euro sei in der ersten Saisonhälfte aus Gründen der kaufmännischen Vorsicht bereits vollständig abgeschrieben worden. Im zweiten Halbjahr habe man entsprechende Forderungen gar nicht mehr in der Bilanz erfasst.
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Radikaler Sparkurs nach Abstieg kurzfristig effektiv
Einen Erfolg kann Thomas Herrich immerhin in Bezug auf die Ausgaben verkünden. Hertha ist ein radikaler Sparschritt gelungen. Dabei half auch der Abstieg. Denn durch den Fall in die Zweitklassigkeit konnten die Gehälter des Profikaders erheblich gekürzt werden. Bei den meisten Spielern halbierten sich die Gehälter durch Vertragsklauseln automatisch, vorher hochbezahlte Bankdrücker suchten sich (vielleicht auch dadurch motiviert) einen neuen Arbeitgeber. Zudem wurden die Geschäftsstelle und das Funktionsteam verkleinert.
Im Vergleich zur letzten Erstligasaison konnte Hertha so über 50 Millionen Euro Personalkosten sparen. Das ist ein Hauptgrund für die deutlich verbesserten Geschäftszahlen und ein wichtiger Entwicklungsschritt, weg von einem über Jahre hinweg grotesk defizitären Geschäftsmodell. In finanzieller Hinsicht war der Abstieg Fluch und Segen zugleich.
Denn in der zweiten Liga hat sich auch die Einnahmensituation verschlechtert. Hertha erhielt deutlich weniger Geld aus der TV-Vermarktung der Deutschen Fußball Liga (DFL) - rund 29 Millionen Euro statt fast 48 Millionen Euro - und musste auch bei den Vermarktungserlösen (Sponsoring, Bandenwerbung und Logen) erhebliche Einbußen hinnehmen. Das konnten auch die leicht gestiegenen Ticketeinnahmen nicht ausgleichen.
Was bedeutet das zweite Zweitligajahr für die finanzielle Entwicklung?
Ein Sparerfolg bei den Ausgaben wird sich nicht noch einmal in dieser Form realisieren lassen. Die Gehaltsausgaben bewegen sich jetzt im Bereich anderer Spitzenteams der zweiten Liga. Hier noch einmal im deutlich zweistelligen Millionenbereich einzusparen, kann nicht im Sinne der sportlichen Wettbewerbstauglichkeit sein. Die Spielerverpflichtungen im Sommer deuten auch nicht darauf hin, dass das der Plan war.
Dem gegenüber stehen aber sinkende Einnahmen. In der Tabelle der Fernsehgelder wird Hertha auch in dieser Saison weiter abrutschen. Grund ist der Verteilungsschlüssel, nachdem die DFL die Einnahmen aus der TV-Vermarktung verteilt. Zu einem großen Teil basiert der auf den sportlichen Leistungen der letzten Jahre und dieser Koeffizient wird bei Hertha im zweiten Zweitligajahr noch schlechter. Nach Schätzungen des Portals "Fussball-Geld" bekommt die Alte Dame in dieser Saison nochmal rund zehn Millionen Euro weniger als in der letzten. Auch Herthas Werbewert bei Sponsoren wird sich nicht verbessern.
Die Frage ist also: Wie will der Klub seine Geschäftszahlen weiter verbessern? Eine befriedigende Antwort scheinen auch die Verantwortlichen noch nicht gefunden zu haben, denn für die laufende Spielzeit rechnen sie erneut mit einem Minus, nach aktuellem Stand in Höhe von rund 20 Millionen Euro. Davon waren sie aber auch im Winter schon ausgegangen, am Ende wurden es zehn Millionen Euro mehr.
Folgerichtig sollten die Fans wohl nicht überrascht sein, wenn am Saisonende Teile des fußballerischen Tafelsilbers verkauft werden müssen: Spieler wie Ibrahim Maza, Fabian Reese oder Mikael Cuisance haben zumindest vielversprechende Marktwerte. Zumindest Maza und Reese haben aber auch einen hohen emotionalen Wert für die Fans. Auch dazu könnten die Mitglieder am Sonntag also Fragen an die sportliche Leitung haben.
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Was passiert mit der 40-Millionen-Euro-Anleihe?
Ein Thema, das an den Filmklassiker "Und täglich grüßt das Murmeltier" erinnert, ist die Rückzahlung der Nordic-Bond-Anleihe in Höhe von 40 Millionen Euro. Nach kurzzeitiger Verdrängung - 2023 erkaufte sich Hertha mit einer kräftigen Zinserhöhung zwei Jahre Aufschub von seinen Gläubigern - rückt sie nun wieder in den Fokus der Verantwortlichen. Im November 2025 wird die Rückzahlung fällig.
Das ist deshalb jetzt schon interessant, weil spätestens im Frühling 2025 die Finanzierung für die Anleihe stehen muss. Dann nämlich prüft die DFL die Lizenzunterlagen für die Spielzeit 2025/26 und wird von Hertha wissen wollen, wie das Geld denn dieses Mal aufgebracht wird.
Schon beim letzten Mal geriet die Lizenzierung wegen der Anleihe zum Krimi. Am Ende gab wohl der Investor 777 eine Sicherheit im Hintergrund für den Fall, dass die Gläubiger der Anleihenverlängerung nicht zugestimmt hätten. Diesmal muss Hertha nach anderen Optionen suchen. Im Finanzbericht heißt es, man führe bereits Gespräche mit fünf potenziellen finanziellen Partnern. Mehr lassen die Verantwortlichen bislang nicht durchblicken. Hertha wird sich aber wieder Geld leihen müssen. Ziel ist es, zumindest einen besseren Zinssatz auszuhandeln - den Anleihegläubigern muss der Klub ihre Wartezeit mit 10,5 Prozent versüßen.
Bevor es an die Rückzahlung der 40-Millionen-Anleihe geht, muss Hertha noch weitere Schulden abbezahlen. Innerhalb dieser Saison werden Verbindlichkeiten in Höhe von rund 16 Millionen Euro fällig.
Mit liquiden Mitteln in Höhe von 27,5 Millionen Euro hatte Hertha zum Bilanzstichtag immerhin genug Geld, um diese Schulden zu bezahlen. Darüber hinaus gibt es aber nicht mehr viel: Die Reserven sind längst aufgebraucht und der Investor wird wohl eher kein Geld mehr überweisen. Kreative Lösungen sind einmal mehr gefragt, um den eingeschlagenen Sanierungskurs erfolgreich fortzusetzen.
Sendung: DER TAG, 15.11.2024, 18 Uhr