![456479164 | dpa/Florian Peljak Symbolbild: Massentierhaltung, Schweine. (Quelle: dpa/Florian Peljak)](https://images.tagesschau.de/image/9dbd1f86-a822-497a-9368-1e555a2e9032/AAABlKlqN8I/AAABkZLrr6A/original/rbb-456479164-100.jpg?overlay=fed2b0f9-111a-4432-99ab-1c3fb121cf2f&overlayModificationDate=AAABjb04dkw)
Brandenburg Maul- und Klauenseuche: Ausbruch befeuert Debatte über Massentierhaltung
Der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche in Brandenburg wirft ein Schlaglicht auf die Schwächen der Agrarwirtschaft, hohe Exportabhängigkeit und Massentierhaltung. Wie anfällig ist das System?
Der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche (MKS) in Brandenburg hat eine neue Diskussion über die Massentierhaltung ausgelöst.
"Bei der Art der Tierhaltung, die wir haben, mit immer höheren Tierbeständen in immer höherer Dichte in den Regionen" habe man sehr schnell einen Seuchenausbruch, der nicht mehr beherrschbar sei, sagte der Präsident des Tierschutzbundes, Thomas Schröder, am Donnerstag. Die Frage kleinerer Tierbestände müsse viel ernsthafter diskutiert werden, betonte Schröder bei der Vorstellung des "Kritischen Agrarberichts" durch Bio-Agrar- und Naturschutz-Organisationen.
Besonders kritisiert wird die Zucht auf Höchstleistung, die laut "Kritischem Agrarbericht" auf Kosten der Resilienz der Tiere geht. Dazu kämen Stress durch nicht artgerechte Haltung auf engem Raum und unnatürliche Ernährung. Das schwäche die Widerstandsfähigkeit und schaffe ideale Bedingungen für die Ausbreitung von Krankheiten. Impfungen, die oft als präventive Maßnahme dargestellt werden, kaschieren laut Bericht Mängel in Zucht, Haltung und Handel.
Der Bericht fordert eine Anpassung der Zuchtziele und Maßnahmen, um die Haltungs- und Handelsbedingungen zu verbessern. Der Fokus solle auf nachhaltigen Systemen liegen.
![Taarstedt, Deutschland, Mastschweine | dpa Auf einem Mastbetrieb werden Mastschweine aufgezogen. (Quelle: dpa)](https://images.tagesschau.de/image/65ff9c6e-8963-4b82-9ba2-3e9810f7f19a/AAABlHVoZlk/AAABkZLlUbs/16x9-960/rbb-taarstedt-deutschland-mastschweine-100.jpg)
Taarstedt, Deutschland, Mastschweine
Aktueller Ausbruch nicht in Massentierhaltung
Wichtig ist klarzustellen: Der aktuelle Ausbruch Maul- und Klauenseuche in Brandenburg hatte ihren Ursprung nicht in einer Massentierhaltung, sondern in einer kleinen Wasserbüffelherde in Hönow im Landkreis Märkisch-Oderland. Der Ausbruch blieb bislang regional begrenzt, und es wurden keine weiteren Fälle in anderen Betrieben bestätigt. Dennoch wurden, wie am Freitag bekannt wurde, seit Entdeckung der Seuche am 10. Januar in Hönow 275 Tiere aus der näheren Umgebung getötet - weitgehend vorsorglich, um ein Weitertragen des Virus' zu verhindern. Zunächst war von 600 Tieren die Rede, die Zahl wurde aber am Abend vom Landwirtschaftsministerium korrigiert.
![502423553 | Winfried Rothermel Wasserbueffel auf einer Marschwiese bei Prerow an der Ostseekueste (Archivbild).Foto:Winfried Rothermel](https://images.tagesschau.de/image/16245e24-1354-4b83-97bb-0556ead1f869/AAABlKlqKPA/AAABkZLngyM/1x1-256/rbb-502423553-100.jpg)
Seuchenrisiko Massentierhaltung?
Benedikt Kaufer von der Freien Universität Berlin (FU) plädiert für einen differenzierten Blick auf die Ursachen für den Seuchenausbruch und auf Präventionsmaßnahmen. Kaufer leitet das Institut für Virologie an der FU. Die Haltungsbedingungen allein seien nicht der entscheidende Faktor. Vielmehr seien die Bio-Sicherheitsmaßnahmen, die in Betrieben umgesetzt werden, zentral, um das Eintragen von Erregern wie der Maul- und Klauenseuche zu verhindern.
"Neuere oder größere Haltungsformen verfügen oft über optimale Bio-Sicherheitsmaßnahmen, um Erreger aus dem Bestand zu halten", erklärt Kaufer. In Ställen mit hohen Sicherheitsstandards gehörten Schleusenbereiche, spezielle Schutzkleidung und Desinfektionsmaßnahmen zum Alltag. Diese Vorkehrungen verringerten das Risiko erheblich, dass Viren über Kleidung oder Schuhe eingeschleppt werden, so Kaufers Ansicht.
Die Idee, kleinere Ställe oder mehr Freilandhaltung zu fördern, erscheine auf den ersten Blick als einleuchtende Lösung. Doch auch diese Ansätze hätten ihre Tücken. "Wenn wir Tiere breiter über das Land verteilen, sind die Abstände zwischen den Betrieben geringer, was die Verbreitung erleichtern könnte", gibt Kaufer zu bedenken.
Eine pauschale Bevorzugung kleinerer Betriebe oder alternativer Haltungsformen sei daher nicht ohne Risiken. "Im Großen und Ganzen müsste man eben den Konsum von Fleisch reduzieren, was aber natürlich jeder für sich selber entscheiden muss", so Kaufer weiter.
Hochleistungsdruck zulasten der Tiere
Der "Kritische Agrarbericht" verweist dagegen darauf, dass in Massentierhaltungen die Gesundheit der Tiere leide. So seien die Tiere oft auf maximale Produktivität gezüchtet, was sie weniger widerstandsfähig mache. Dazu kämen dann noch unnatürliche, enge Haltungsbedingungen, was die Tiere stresse. Hintergrund ist laut Tierschutzbund die Abhängigkeit vom globalen Handel und der Druck, Höchstleistungen zu erbringen - diese Verflechtungen machten das System noch anfälliger für Probleme.
Laut Kaufer spielt beim aktuellen MKS-Ausbruch die individuelle Winderstandsfähigkeit der Tiere jedoch nur eine untergeordnete Rolle: "Sobald ein Bestand infiziert ist, muss er gekeult werden, um die weitere Verbreitung zu verhindern", erklärt Kaufer mit Blick auf die zurzeit geltenden Auflagen. Die Anfälligkeit einzelner Tiere für Krankheiten sei in diesem Fall damit eher sekundär.
Ökonomische Belastung: Ein fragiles System?
Neben den epidemiologischen Herausforderungen wirft der MKS-Ausbruch in Brandenburg ein Schlaglicht auf die wirtschaftliche Anfälligkeit der Agrarwirtschaft.
Export- und Transportverbote führen bereits heute zu empfindlichen Umsatzeinbußen beispielsweise durch Verbote beim Import von Fleisch und Tieren. Bauernpräsident Joachim Rukwied erwartet Verluste in dreistelliger Millionenhöhe. Besonders betroffen sind Fleischproduzenten, die stark vom Export in Drittländer abhängig sind.
Mehrere Staaten, darunter Südkorea, hatten in Reaktion auf den Ausbruch Fleischimporte aus ganz Deutschland gestoppt. Laut vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes exportierte Deutschland im Jahr 2023 über 4,5 Millionen Tonnen Fleisch oder Fleischwaren.
Wie widerstandsfähig ist die Agrarwirtschaft?
Wie das Thünen-Institut für Marktanalyse auf rbb-Anfrage mitteilte, ist die Hygiene in landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland, beim Viehhandel und in der Verarbeitung international auf einem sehr hohen Niveau. Dadurch würden Seuchenausbrüche und gesundheitliche Risiken für den Verbraucher minimiert. Die wirtschaftliche Belastung im Krisenfall werde durch das Versicherungswesen, staatliche Unterstützung und Institutionen wie die Tierseuchenkasse reduziert.
Außerdem seien sowohl die Fleischbranche als auch die Milchwirtschaft geübt darin, mit Verwerfungen umzugehen. "Sie finden recht bald andere Absatzwege oder passen ihr Produktsortiment an. Das bringt Widerstandsfähigkeit", sagt Josef Efken vom Thünen-Institut. Dennoch zeige der aktuelle Ausbruch, dass Schwachstellen bleiben - etwa die starke Exportabhängigkeit.
Exportabhängigkeit ist zweischneidiges Schwert
Laut dem Thünen-Institut ist die wirtschaftliche Bedeutung des Exports, insbesondere bei Schweinefleisch enorm: Von den 4,2 Millionen Tonnen jährlich produzierten Schweinefleischs werde etwa die Hälfte exportiert, wovon zwischen 30 und 50 Prozent in Drittländer außerhalb der EU geliefert werden. Diese Abhängigkeit berge Risiken, da Exportstopps erhebliche wirtschaftliche Folgen haben können. Gleichzeitig habe die Branche über viele Jahre hinweg durch den Export zusätzliche Einnahmen erzielt, die - langfristig betrachtet - deutlich höher seien als die wirtschaftlichen Schäden durch einzelne Krisen.
Bis zum Eintreten der Seuche habe die Fleisch- und Milchbranche erheblich vom globalen Handel profitiert, erklärt Josef Efken vom Thünen-Institut. Besonders Produkte wie Speck, Innereien oder Kopffleisch, die in Europa kaum noch nachgefragt würden, finden etwa in Asien einen großen Absatzmarkt. Dadurch hätten diese Teilstücke gewinnbringend verkauft werden können und zur Stabilität der Branche beigetragen.
Eine vollständige Abkehr von der Export-Orientierung würde laut Thünen-Institut langfristig mehr Wohlstand kosten, als einzelne Seuchenausbrüche an wirtschaftlichem Schaden anrichten. Die Abhängigkeit von globalen Märkten bleibe jedoch ein zweischneidiges Schwert, heißt es vom Thünen-Institut.
![Audio: rbb24 Brandenburg aktuell | 22.10.2024 | Theresa Majerowitsch | dpa/Blume Symbolbild: Kühe und Ziegen auf einem Bauernhof. (Quelle: dpa/Blume)](https://images.tagesschau.de/image/db6335bc-3b52-4c3a-818f-0bcc32cc470e/AAABlIInXFI/AAABkZLngyM/1x1-256/rbb-audio-rbb24-inforadio-23-10-2024-yasser-speck-100.jpg)
Sind kleine Betriebe krisensicherer?
Die Frage, ob große oder kleine Betriebe besser auf Krisen wie Seuchenausbrüche vorbereitet sind, lässt sich laut Thünen-Institut nicht eindeutig beantworten.
"Größere Betriebe verfügen in der Regel über ein ausgefeiltes Hygienemanagement und eine engmaschige Herdenüberwachung, in die Tierärzte direkt eingebunden sind", sagt Josef Efken vom Thünen-Institut. Das sei auch notwendig. Denn: Krankheiten könnten in großen Beständen potentiell viel größeren Schaden anrichten. "Zudem ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine Krankheit ausbricht bei einer Tierhaltung von 20 Tieren natürlich geringer als bei einer Tierhaltung mit 20.000 Tieren."
Kleine Betriebe stünden jedoch vor anderen Herausforderungen: "Oft fehlen ihnen die finanziellen oder personellen Kapazitäten, um vergleichbare Hygienemaßnahmen umzusetzen", erklärt Efken. Ein klares Urteil, welche Betriebsgröße widerstandsfähiger ist, sei daher nicht möglich. "Auf keinen Fall kann gesagt werden, dass große Betriebe weniger resilient sind", betont das Institut.
Mehr Regionalität und Diversität als Lösung?
Regionalisierung und Diversifizierung werden häufig als Ansätze genannt, um die Widerstandsfähigkeit der Branche zu stärken. Regionalisierung steht dabei für die Förderung von lokal produzierten Lebensmitteln und kürzere Transportwege. Diversifizierung bedeutet, dass Betriebe unterschiedliche Produktionszweige kombinieren.
Beide Konzepte könnten tatsächlich helfen, erklärt das Thünen-Institut, doch sie stellen hohe Anforderungen an die Betriebe. Die zentrale Frage sei: "Ist jemand in der Lage, genauso professionell Hühner und Schweine und Kühe und verschiedenste Feldfrüchte zu halten oder zu bewirtschaften, wie jemand, der sich spezialisiert?" Die Spezialisierung habe sich schließlich nicht zufällig durchgesetzt: "Sie ist rentabler und garantiert oft erst die wirtschaftliche Tragfähigkeit der Betriebe", sagt Efken.
Auch die Verbraucher spielen eine entscheidende Rolle: "Regionalität und Tierwohl sind zwar in aller Munde, werden aber im Alltag von den Konsumenten nicht in angemessener Weise honoriert", so das Thünen-Institut weiter. Das erschwere es Betrieben, auf Diversifizierung und Regionalisierung umzustellen, da der Markt diese Ansätze häufig nicht ausreichend belohne.
![Video: rbb Fernsehen | 21.11.2023 | rbb Moorfläche in Brandenburg aus der Dokumentation "Das Moor-Dilemma" (Quelle: rbb)](https://images.tagesschau.de/image/5b8f212c-c936-4d45-bb18-223b12ce54e5/AAABlHVoagA/AAABkZLngyM/1x1-256/rbb-moorflaeche-in-brandenburg-100.jpg)
Massentierhaltung schadet Tieren, Menschen, Umwelt und Klima
Unabhängig von der Frage, welche Auswirkung die Haltungsbedingungen, insbesondere die Massentierhaltung, auf den aktullen MKS-Ausbruch haben: Es ist unbestritten, dass die derzeitig gängige Art der Tierhaltung und große Tierbestände erhebliche negative Auswirkungen haben - auf Tier, Mensch, Umwelt und Klima.
Laut dem Umweltbundesamt (UBA) entstehen durch die Tierhaltung im Allgemeinen große Mengen an Treibhausgasen, die zur Klima-Erwärmung beitragen: "Die Tierhaltung trägt maßgeblich zu den direkten Treibhausgas-Emissionen der Landwirtschaft bei. Rund 35,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, das sind gut 68 Prozent der Emissionen der Landwirtschaft und knapp 5,3 Prozent der Treibhausgas-Emission Deutschlands, sind direkt auf die Tierhaltung zurückzuführen." Weltweit sei die Nutztierhaltung für knapp 15 Prozent der vom Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich.
Daneben führten die großen Tierbestände zu übermäßigen Nährstoffeinträgen in Böden und Gewässer, heißt es vom Umweltbundesamt. Überschüssiger Stickstoff aus Düngemitteln und Gülle etwa kann ins Grundwasser gelangen und die Wasserqualität beeinträchtigen. Für die Tiere selbst bedeuteten die Haltungsbedingungen häufig Stress und eine erhöhte Anfälligkeit für Krankheiten. Eine Zuchtpraxis, die auf maximale Leistung ausgerichtet ist, kann demnach der Tiergesundheit schaden.
Auch der Mensch ist betroffen. So erhöht die intensive Tierhaltung laut UBA das Risiko der Entstehung und Verbreitung von zoonotischen Krankheiten - das sind Krankheiten, die von Tieren auf Menschen übertragen werden können. Auch das Umweltbundesamt plädiert daher für eine Reduzierung der Tierbestände und für eine Umstellung auf umweltverträglichere Haltungsformen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 17. Januar 2025, 16:00