Brandenburg Brandenburger Grüne blicken nach vorn - von außerhalb des Parlaments
Nach dem Scheitern bei der Landtagswahl arbeiten die Brandenburger Grünen ihre Niederlage auf und bereiten sich auf die Bundestagswahl vor. In Cottbus geht es auch um die Neuausrichtung für die Zukunft. Einen Lichtblick gibt es. Von Hasan Gökkaya
- Grünen bereiten außerparlamentarische Opposition vor
- Baerbock und Kellner kandidieren für vordere Listenplätze
- Mitgliederhöchststand im Landesverband
Der Fall konnte kaum tiefer sein - von der Regierungsbank direkt in die außerparlamentarische Opposition: Bei der Landtagswahl bekamen die Bündnisgrünen viel weniger Stimmen als erwartet, gewannen nicht eine Direktkandidatur – nicht einmal im so vermeintlich grün-gewogenen Potsdam. Dass die Grünen in Brandenburg es nicht einmal als Oppositionspartei in den neuen Landtag geschafft haben, ist ein enormer Rückschlag für die Partei. Viel Zeit zum Durchatmen und Wundenlecken hat sie aber nicht, steht doch im Februar schon die vorgezogene Bundestagswahl an.
Aufarbeitung der Wahlschlappe, keine neue Vorstandswahl
Die Brandenburger Grüne wollen vorher die Landtagswahlschlappe aufarbeiten und sich gleichzeitig strategisch für den Bundestagswahlkampf aufstellen. Dafür werden am Samstag in Cottbus gleich zwei Landesdelegiertenkonferenzen kombiniert auf einem Parteitag ausgetragen.
Zuerst wird es um den Zustand der Partei gehen: Was hat die Wahlschlappe verursacht? Und vor allem: Wie geht es für die Grünen in der außerparlamentarischen Opposition weiter?
Mit Abstrafungen wird der Vorstand nicht rechnen müssen: Die Neuwahl des Landesvorstandes wurde bereits auf Frühling 2025 vorgezogen. Bis dahin werden die Landesvorsitzenden Große Holtrup und Pichl im Amt bleiben. Die beiden hatten ihren vorzeitigen Rückzug angekündigt, um den Weg für einen anderen Vorstand freizumachen.
Leitantrag fordert "hartnäckigste Opposition"
Künftig wollen die Grünen den Fokus vor allem auf die Kreisverbände legen und diese – mit Hilfe der Bundes-Grünen – auch finanziell unterstützen. Mehr wird der Partei, die bei der Landtagswahl im September nur etwas mehr als vier Prozent holte, auch nicht übrigbleiben. Weil den Grünen nun weniger Geld zur Verfügung steht, wird sie beim Bundestagswahlkampf auf weniger Plakate setzen müssen.
Um generell Einschnitte bei der Finanzierung auszugleichen, hoffen die Grünen auf mehr und großzügigere Spenden. In einem Leitantrag für die Delegiertenversammlung gibt sich die Partei kämpferisch, spricht von einer "lauten, hartnäckigen und konstruktiven außerparlamentarischen Opposition". Man werde die hartnäckigste Opposition sein, die Brandenburg "je erlebt" hat. Vor allem bei den Themen Klimaschutz, Zuwanderung und sozialem Ausgleich hofft die Partei, Punkte sammeln zu können. Wie sie sich jenseits des Parlaments aber Gehör verschaffen möchte, ist unklar.
Baerbock kandidiert für Listenplatz 1
Harte Auseinandersetzungen um die Gründe für die Wahlschlappe sind nicht zu erwarten, dafür dürfte der Druck der vorgezogenen Bundestagswahl und die Vermittlung von Geschlossenheit zu groß sein. Eintracht statt Schlachteplatte also.
Der Parteitag am Samstag wird prominent besetzt sein. Der neue Co-Bundesvorsitzende Felix Banaszak wird erwartet, ebenso Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die sich in Brandenburg wieder aufstellen lassen möchte – auf einem vorderen Listenplatz, aber auch als Direktkandidatin im Wahlkreis 61 Potsdam – Potsdam-Mittelmark II – Teltow-Fläming II. Dort wird sie gegen den amtierenden Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) antreten, trotz des Umfragetiefs ein starker Konkurrent, gegen den sie zuletzt das Nachsehen hatte.
Schon deshalb ist Platz eins der Landesliste für Baerbock entscheidend, wenn sie künftig auch mit einem Mandat mitmischen möchte. Wie schon bei der vergangenen Bundestagswahl steht damit erneut das Duell politischer Schwergewichte im Potsdamer Wahlkreis 61 an, nur dass Baerbock diesmal eben nicht mehr als Kanzlerkandidatin antritt.
Auf Listenplatz zwei der Grünen ist der uckermärkische Bundestagsabgeordnete Michael Kellner gesetzt, derzeit auch Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. Der Landesvorstand wird empfehlen, eine Liste bis Platz 6 zu wählen – schon diese Listenlänge ist allerdings optimistisch. Den Umfragen nach dürfte der Einzug von zwei Grünen in den Bundestag aus Brandenburg realistisch sein.
Auch geschasste Gesundheitsministerin Nonnemacher wird reden
Emotional könnte am Samstag der Auftritt von Ursula Nonnemacher als Rednerin werden. Die ehemalige Gesundheitsministerin war erst vor wenigen Tagen überraschend von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) aus dem Amt entlassen worden, am Rande einer Bundesratssitzung zur Abstimmung über die umstrittene Krankenhausreform. Ein Rauswurf, der bundesweit für Schlagzeilen und Kritik an Woidke sorgte, aber auch das wohl teils eisige Klima in der alten Kenia-Koalition unterstreicht.
Woidkes Entscheidung führte zu einem unrühmlichen Ende für die erfahrene Grünen-Politikerin, die das Land als Ministerin maßgeblich durch die Corona-Pandemie gesteuert hatte. Für ihre bis zuletzt konsequente Haltung bei der Krankenhausreform dürfte die in Grünen-Kreisen beliebte Nonnemacher von den Delegierten in Cottbus noch einmal besonders bejubelt werden.
Mitgliederzahl auf Rekordniveau
Die Bündnisgrünen geben sich kämpferisch, nicht resignierend und sehen sich durch immer mehr Mitglieder bestätigt. Inzwischen habe die Partei rund 3.300 Mitglieder – "ein historischer Höchststand für Bündnis 90/Die Grünen in Brandenburg", erklärten die beiden Landesvorsitzenden. Damit sind die Grünen immerhin die drittgrößte Partei im Land. Ein Lichtblick für die Partei, die aber weder in der Regierung noch im Landtag noch etwas zu melden hat.
Sendung: Brandenburg Aktuell, 30.11.2024, 19.30 Uhr