Flüchtlinge stehen vor einem Zelt in der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber (ZABH) des Landes Brandenburg. (Quelle: dpa/Patrick Pleul)

Brandenburg Hilfen für kommunale Unterkünfte: Mit guten Konzepten gegen Gewalt in Geflüchtetenheimen

Stand: 18.01.2025 12:24 Uhr

In Brandenburg ist es in Geflüchtetenunterkünften laut Polizeistatistik gefährlich. Besonders die großen Heime sind soziale Brennpunkte. Allerdings: Konzepte zur Gewalteindämmung funktionieren - vor allem in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Von Andreas B. Hewel

Kartoffeln, Bohnen und Rindfleisch stehen in der Kantine der Zentralen Erstaufnahme in Eisenhüttenstadt ZABH auf dem Speiseplan, als wir diese besuchen. Das gemeinsame Mittagessen ist eines von vielen Dingen, die den Menschen hier einen geordneten Tagesablauf geben. "Essen und Taschengeldausgabe muss immer funktionieren", sagt der Leiter der ZABH Olaf Jansen. Den Geflüchteten nach ihrer Ankunft hier überhaupt eine Struktur für ihren Tagesablauf zu geben, sei essenziell.

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Seelische Beeinträchtigungen schnell erkennen

So gibt es Sprachkurse für alle und für die Kinder Schulunterricht hier direkt auf dem Gelände der Erstaufnahme. Gleich mit der Ankunft werden die Geflüchteten engmaschig betreut. Stolz ist Olaf Jansen auf ein sogenanntes Screening, das von Psychologen durchgeführt wird. Ziel ist es dabei, seelische Beeinträchtigungen der Menschen oder auch Drogensucht schnell zu erkennen, sagt Jansen. "Wir versuchen im Prinzip Menschen, die entweder als Opfer in Betracht kommen oder einfach verhaltensauffällig sind, fachlich wirklich genau anschauen zu lassen, so dass man guckt, was kann man machen, dass die Person hier ordentlich durch ihr Aufnahmeverfahren durchgehen kann und keine Gefahr für sich selbst oder für andere ist."

Trotzdem kommt es immer wieder zu Konflikten zwischen den Geflüchteten. Da kann es auch handgreiflich werden, räumt Jansen ein: "Wenn wir über Gewalt reden, dann sind das Auseinandersetzungen zwischen zwei Individuen, die sich dann darüber streiten, wem das Handy gehört, oder die zu viel getrunken haben oder Auseinandersetzungen haben über alltägliche Dinge. Es sind keine grundsätzlichen Sachen, keine großen Massenschlägereien oder so etwas."

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Schnelles Eingreifen bei Konflikten

Doch es kann auch in der Erstaufnahme zu harten Konflikten und prekären Situationen kommen. Kann. Denn hier versucht man, diese so schnell wie möglich zu entschärfen. "Dann hängt es eben davon ab, wie schnell man das erkennt, wie schnell man handelt man und wie schnell man auch in der Lage ist, insbesondere wenn es Blockbildungen gibt zwischen den Geflüchteten, diese schnell umzuverteilen", so Jansen.

Notfalls können Geflüchtete hier von der Erstaufnahme in Eisenhüttenstadt an noch drei weitere Standorte des Landes verteilt werden: Distanz schaffen zwischen den Streithähnen. Bei Flüchtlingsunterkünften der Kommunen aber sieht das dann schon anders aus. "Da sind die Möglichkeiten der Kommunen im Moment etwas limitiert", bestätigt Jansen.

120 schwere Körperverletzungen

Dass es zu Gewaltstraftaten kommt in Aufnahmeeinrichtungen und Asylbewerberunterkünften, bestätigt auch die Kriminalitätsstatistik des Landes. Im Jahr 2023 wurden dort 120 gefährliche und schwere Körperverletzungen registriert. Im Vergleich dazu: Landesweit kam es unter der Gesamtbevölkerung Brandenburgs zu 3.837 gefährlichen und schweren Körperverletzungen.
 
Auf jeden Fall aber sind Aufnahmeeinrichtungen und große Flüchtlingsunterkünfte soziale Brennpunkte, die besonders aufmerksam betreut werden müssen. Für Sebastian Sedlmayr, dem Leiter der Politikabteilung von Unicef in Deutschland, verschärfen dabei besonders die großen Unterkunftseinrichtungen das Problem. "Was auf die lange Sicht wahrscheinlich das Wichtigste ist: größere Unterkünfte abzubauen. Diese sind per se Brennpunkte und nicht als dauerhafte Wohnorte geeignet", so Sedlmayr. Viele der Geflüchteten aber müssten jedoch dort lange leben. Kinder würden dort geboren und würden dort aufwachsen, viele Jahre lang. Die Verweildauer in den Unterkünften müsste dringend reduziert werden, denn der Stress in den Unterkünften sei deutlich erhöht.

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Schutzhaus für Geflüchtete

Vor allem die lange Zeit, die manche Geflüchtete in großen Einrichtungen verbringen müssen, belastet sie. Und sie kann darum zu Stress und zu Eskalationen führen. In der Ersteinrichtung Eisenhüttenstadt hat man noch ein anderes Hilfsmittel, Geflüchtete vor der Gewalt durch andere Geflüchteten zu schützen. Es gibt ein Schutzhaus, ein besonders gesichertes Haus, in dem bedrohte Flüchtlinge sicher leben können. Oft sind das Frauen, aber auch queere Menschen, die auf Grund ihrer sexuellen Orientierung schnell ausgegrenzt und zum Opfer von Aggressionen werden.
 
Dennoch sieht man sich in der Erstaufnahme gut aufgestellt im Kampf gegen Gewaltdelikte auf dem Gelände. Das bestätigt auch Yasser Hlal, der seit drei Monaten in der Erstaufnahme lebt. "Wir sind hier alle sicher, und auch die medizinische Versorgung ist sehr gut“, sagt Hlal. Er selbst hilft dort in der Ambulanz mit aus. "Sie sind alle sehr freundlich. Sie behandeln alle hier gleich, ohne Unterschiede. Wir sind hier vollkommen sicher."

Sendung: rbb, 18.9.2025,