Brandenburg Was aus den Demonstrationen gegen Rechts wurde
Das Treffen rechtsextremer Kreise in einem Potsdamer Hotel vor rund einem Jahr löste eine Protestwelle in Deutschland aus. Auch in Brandenburger Orten fanden große Demos gegen Rechts statt. Was wurde daraus? Von Simon Wenzel
Es ist ein Jahr vergangen, seit in mehreren Orten in Brandenburg die Menschen gegen Rechts auf die Straße gingen. Eine Recherche von "Correctiv" hatte Details zu einem Treffen von bekannten Rechtsextremen, AfD-Politikern und Unternehmern bekannt gemacht. Es ging unter anderem um Pläne für sogenannte "Remigration".
Die Enthüllungen lösten Entsetzen und Demonstrationen aus. Auch Menschen, die nach eigenen Angaben vorher nie für etwas auf die Straße gegangen waren, engagierten sich bei Demonstrationen. Der rbb sendete damals eine Reportage über die Proteste. rbb|24 hat ein Jahr später mit einigen Teilnehmern und Organisatoren damaliger Demos gesprochen. Sie berichten von unterschiedlichen Entwicklungen.
Demos in Herzberg führten zu Polarisierung
Stephanie Kammer engagiert sich immer noch für die Demokratie in Herzberg. In dem Ort im Landkreis Elbe-Elster hat sie sich vor einem Jahr an Demonstrationen gegen Rechts beteiligt, später auch mal bei der Organisation unterstützt. Kammer betreibt außerdem einen Buchladen, organisiert dort Lesungen, nicht selten mit politischen Gästen.
Seitdem hat sie immer wieder mit Anfeindungen zu kämpfen. Sie, ihr Laden, die Gäste im Laden - online wird das instrumentalisiert und angefeindet, Kammer teilweise als Kommunistin hingestellt. "Die rote Kammer" habe man sie genannt, sagt sie. Dabei sitzt sie für die CDU-Fraktion im Kreistag, als Teil einer Wählergruppe.
Die Demonstrationen nach den Recherchen von "Correctiv" zum Potsdamer Treffen hätten in ihrer Stadt zu einer Polarisierung geführt, sagt Kammer. "Es haben sich vermehrt politische Gruppen gebildet, die aktiv geworden sind - sowohl aus dem rechten Spektrum, als auch solche, die sich für Demokratie einsetzen und einen Gegenpol setzen", sagt sie. Die Menschen, die sich gegen Rechts engagieren wollten, hätten gemerkt, dass man sich stärker organisieren müsse, dass Aktionen und Initiativen notwendig seien. Seitdem gehe es darum, wer sichtbarer sei auf den Straßen, der Konflikt sei auch offen ausgetragen worden.
Neue Netzwerke machen "Hoffnung" in Südbrandenburg
Christian Nürbchen engagiert sich sich ebenfalls in Südbrandenburg gegen Rechts. In Falkenberg bei Bad Liebenwerda stand er für die SPD-Fraktion zur Wahl. Nürbchen sagt, ihm hätten die Proteste des vergangenen Jahres vor allem "Hoffnung" gegeben. Menschen, die sich engagieren und für demokratische Werte eintreten wollen, seien inzwischen vernetzt und das im ganzen Süden Brandenburgs. So könne man deutlich schneller als früher Gegendemonstrationen organisieren.
Als sich beispielswesie der rechtsextreme Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke zu einer Veranstaltung ankündigte, sei innerhalb von kurzer Zeit eine Gegendemonstration mit rund 350 Teilnehmern organisiert worden. "Das wäre früher undenkbar gewesen", sagt Nürbchen. Er kenne noch Zeiten, da wären 20 Leute zu einem solchen Gegenprotest gekommen.
Mindestens eine Demo-Initiative ist erloschen
Nicht überall sind aber Netzwerke und Demonstrationsbereitschaft geblieben. Eine Person, die vor einem Jahr eine Demo gegen Rechts organisierte, berichtet rbb|24, in ihrer Region sei die Demonstration eine "Eintagsfliege" geblieben. Namentlich genannt werden möchte die Person nicht mehr, auch der Ort in Brandenburg soll unerwähnt bleiben.
Die Organisation der Demo habe Probleme mit sich gebracht im privaten Umfeld, berichtet die Person. Keine physische Gewalt, aber unangenehme Situationen auf der Straße oder im Umfeld, bei der Arbeit oder in der Schule habe es anschließend gegeben.
Die Menschen, die sich hier vor rund einem Jahr an der Organisation der Demonstration beteiligt hätten, hätten sich allesamt von solchen Aktivitäten zurückgezogen. Man versuche jetzt, auf andere Art im kleinen Rahmen einzuwirken, in Gesprächen populistischen Aussagen zu widersprechen und trotzdem nicht die Dorfgemeinschaft zu gefährden, so die durchaus behutsam gewählte Formulierung.
rbb Reportage "Die Mutbürger"
Blumen mit Drohbotschaft, Kuhdung am Laden
Auch Christian Nürbchen wurde nach den Demonstrationen gegen Rechts bedroht, wie er sagt. Im Februar, zum Valentinstag habe er einen Blumenstrauß mit Karte bekommen. Die Absender hätten eine subtile aber eindeutige Drohung in der Botschaft verpackt. "Obwohl wir in der Distanz getrennt sind, sei man doch ganz nah bei mir und das jederzeit", sagt Nürbchen. Er hat das als Drohung verstanden.
Einmal erstattete er wegen eines anderen Vorfalls Anzeige bei der Polizei, wie er erzählt. Ziemlich schnell seien anschließend in ihm bekannten Chats rechter Gruppen Nachrichten ausgetauscht worden, die deutlich gemacht hätten, dass man von der Anzeige wisse. Ein Unsicherheitsgefühl sei das gewesen.
In den letzten Monaten haben die Drohungen etwas abgenommen. "Ich würde sagen: Die Bedrohungslage ist allgegenwärtig. Nichtmehr so schlimm wie damals, wir müssen nichtmehr dauernd mit Polizei und Verfassungsschutz reden, aber es gibt immer noch Blicke und Sprüche, die man wahrnimmt, zum Beispiel beim Einkaufen", sagt er.
Stephanie Kammer hat ebenfalls Situationen erlebt, die durchaus eine Bedrohung gegen ihre Person sein könnten. "Vor allem in den Sozialen Medien wurde das ausgetragen", sagt sie. Im Ort habe es einige "seltsame Situationen" gegeben. An ihrem Ladengeschäft habe man etwas an die Scheibe geworfen, was Kuhdung ähnelte - das könne ein "dummer Streich" sein, aber eben auch als Bedrohung gemeint.
AfD mit erfolgreicher Brandenburg-Wahl und Umfragehoch
Der AfD haben die Demonstrationen und der Aufschrei nach dem Bekanntwerden des Potsdamer Treffens nicht nachhaltig geschadet. Das zeigen die Wahlergebnisse in Brandenburg bei den Landtagswahlen im September und die aktuellen Umfragen für die Bundestagswahl. In Liebenwerda (Elbe-Elster) beispielsweise erhielt die AfD im September die meisten Stimmen. Auch im Landkreis Elbe-Elster und in Herzberg sah es so aus, mit teilweise noch deutlicherem Abstand.
"Von der anfangs beeindruckenden und breiten Mobilisierung ist wenig geblieben", sagt der Leipziger Sozialwissenschaftler Johannes Kiess [tagesschau.de]. "Die Politik ist nicht auf die Forderungen der Demonstrationen eingegangen." Seiner Beobachtung nach habe das schnell zu Frustration bei Beteiligten geführt. Die Parteien der Mitte hätten sich zwar zunächst auf die Seite der Proteste gestellt. Ein gefordertes Demokratiefördergesetz zur Stärkung der Zivilgesellschaft aber gebe es bis heute nicht. Auch das Bestreben nach einem AfD-Verbotsverfahren sei kaum vorangekommen.
Stephanie Kammer und Christian Nürbchen wollen es nicht so sehen. Trotz der Anfeindungen gegen ihre Person. Stephanie Kammer sagt: "Es ist die Frage, ist das Glas halb leer oder halb voll und was wäre gewesen, wenn wir uns zurückgezogen hätten?" Christian Nürbchen glaubt es zu wissen: Er ist sich sicher, dass die Demos, die Menschen wie sie organisiert haben geholfen haben, einen Wahlsieg der AfD in Brandenburg gerade noch so zu verhindern.
Und: Trotz der Drohungen fühlt sich Christian Nürbchen heute sicherer als vor den Demonstrationen, wie er sagt. Die erlebte Solidarität, das Netzwerk in dem man sich schnell über mögliche Bedrohungen informiert - all das habe ihm geholfen.