Hessen Kommentar zum Rücktritt bei den Grünen in Hessen: Die Dilettanten
Im Streit um Auslandsreisen des hessischen Grünen-Vorsitzenden hat der gesamte Landesvorstand seinen Rücktritt angekündigt. Damit hat sich die Partei kurz vor der Bundestagswahl in ein arges Schlamassel manövriert. Das ist auch - aber nicht allein - das Ergebnis offensichtlicher Führungsschwäche.
Es ist eine alte Pressesprecherweisheit: Eine Krise beginnt erst mit dem unzureichenden Versuch ihrer Bewältigung. Oder anders ausgedrückt: Erst durch dilettantisches Krisenmanagement folgt einem politischen Fehltritt der Rücktritt eines gesamten Landesvorstands.
Dabei ist im Fall der Grünen noch nicht einmal klar, ob die beiden Reisen des Grünen-Landesvorsitzenden Andreas Ewald ein Fehltritt waren. Der Vorwurf lautet, sie seien eine unzulässige Parteispende gewesen, weil er von einer proisraelischen Lobby-Organisation und vom US-Konsulat zu den Reisen eingeladen worden war. Der Bundestag hat den Sachverhalt doppelt geprüft und nichts beanstandet. Darauf berief sich der Vorstand und erklärte die Sache für beendet.
Ute Wellstein
Landesvorstand hätte in Offensive gehen müssen
Spätestens als Zweifel aufkamen, ob dieser Prüfung auch alle erforderlichen Dokumente zugrunde liegen, hätte der Landesvorstand aber in die Offensive gehen müssen. Warum wurde kein Wirtschaftsprüfer beauftragt, der sich mit Parteienrecht auskennt und Einblick in alles erhält, was er sehen will? Sein Gutachten hätte die Sache klären können.
Doch zur Vorwärtsverteidigung brachte der betroffene Vorsitzende, Andreas Ewald, nicht den Mut auf. Möglicherweise fürchtete er das Ergebnis der Prüfung. Ganz sicher unterschätzte er seine parteiinternen, zum Teil anonymen Kritiker, die immer weitere Details publik machten und den Grünen-Landesvorsitzenden Ewald damit vor sich hertrieben.
Rücktritt zum denkbar schlechten Zeitpunkt
Seine Ko-Vorsitzende, Kathrin Anders, hielt die Reisen für problematisch, konnte sich mit ihrer Forderung nach Aufklärung aber nicht im Landesvorstand durchsetzen. Dann verlor sie die Nerven und schmiss hin – nur Tage vor dem Parteitag, mit dem die Grünen kämpferisch in die Bundestagswahl starten wollen. Ein denkbar schlechter Zeitpunkt.
So haben sich die Grünen selbst in ein arges Schlamassel manövriert. Doch nicht nur die offensichtliche Führungsschwäche der beiden Landesvorsitzenden ist daran schuld, sondern auch die Struktur der Partei. Führungsposten werden auf viele Schultern verteilt, den Landesvorsitz haben nicht die politischen Schwergewichte inne.
Das sorgt zwar dafür, dass den starken Leuten in der Fraktion und früher auch in der Regierung aus der Partei nicht viel hineingeredet wird. Jetzt zeigt sich aber auch, dass schwache Parteivorsitzende zum Problem werden können. Denn statt mit Wahlkampf sind die Grünen jetzt erst mal mit Schadensbegrenzung beschäftigt.