Einbürgerungsurkunde der Bundesrepublik Deutschland und ein deutscher Reisepass

Hessen Einbürgerung: 36.000 Anträge in Hessen und jahrelange Wartezeiten

Stand: 12.11.2024 07:03 Uhr

In den hessischen Regierungspräsidien haben sich rund 36.000 Einbürgerungsanträge angesammelt. Die Wartezeit für die Anträge geht in die Jahre. Auch Innenminister Poseck hält das für "nicht zufriedenstellend" und macht die Bundespolitik für die Situation verantwortlich.

Von Andreas Bauer

Als Ana Laura Sánchez Galbán im Februar dieses Jahres in Gießen ihren Antrag auf Einbürgerung stellte, war die Freude groß. "Ich liebe dieses Land und möchte zu einem guten Deutschland beitragen", sagt die 33-jährige Kubanerin, die als Übersetzerin und Deutschlehrerin arbeitet.

Aber als der Sachbearbeiter ihr sagte, dass die Bearbeitungszeit etwa 24 Monate betrage, musste sie schon einmal schlucken. "Das ist natürlich eine lange Zeit", sagt sie. Dabei ist sie in Gießen sogar noch gut dran.

In anderen hessischen Städten müssen Antragsteller sogar noch länger warten. Wer in Darmstadt seine Einbürgerung beantragt, muss derzeit bis zu 32 Monate warten, bis der Antrag überhaupt bearbeitet wird, wie eine hr-Anfrage ergab.

In Frankfurt sind es bis zu 28 Monate. Am schnellsten unter den hessischen Großstädten ist noch Offenbach, wo Antragsteller damit rechnen können, dass ihr Antrag schon nach 18 bis 22 Monaten in Bearbeitung geht.

Die Wartezeiten resultieren zum einen daraus, dass Antragsteller zunächst an ihrem Wohnort auf einen Termin zur Abgabe ihrer Dokumente warten müssen. Hinzu kommt die Wartezeit, bis das zuständige Regierungspräsidium (RP) mit der Prüfung der Dokumente beginnt. Je nach Einzelfall kann diese Bearbeitung weitere Wochen in Anspruch nehmen.

Auf einer Karte ist Hessen zu sehen. Die 5 größten Orte sind markiert, daneben steht, wie lange Menschen auf die Einbürgerung warten müssen.

Nach Beginn der Bearbeitung der Anträge könne in "unproblematischen Fällen" die Einbürgerung schon nach ein paar Wochen erfolgen, so das RP Darmstadt.

Vor allem in den vergangenen Monaten haben sich die Wartezeiten erhöht. Der Grund dafür ist ein starker Anstieg der Einbürgerungsanträge – bedingt dadurch, dass viele Drittstaatsangehörige, die nach 2015 nach Deutschland gekommen sind, inzwischen die Voraussetzungen für die Einbürgerung erfüllen. Zudem hat die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts, die Ende Juni in Kraft trat, die Zahl der Anträge weiter steigen lassen.

In der Stadt Kassel zum Beispiel stellten im Jahr 2023 insgesamt 1.728 Menschen einen Einbürgerungsantrag. Für dieses Jahr geht die Stadt von 2.700 Anträgen aus - eine Zunahme von über 56 Prozent. Und eine Herausforderung für die Städte. Früher konnte Kassel den Antragstellern einen Termin "innerhalb weniger Wochen" anbieten, nun sind es etwa sieben Monate.

40 Prozent mehr Anträge als im Sommer 2023

Die Stadt Darmstadt teilt mit, dass sie sogar schon, bevor das neue Recht überhaupt beschlossen wurde, mit Anfragen nach Terminen "überschüttet" worden sei. Es seien neue Stellen geschaffen worden, die aber nicht alle besetzt werden konnten. In Darmstadt müssen Antragsteller durchschnittlich zwölf Monate warten, um einen Termin bei der Stadt zu erhalten.

In Frankfurt konnten Eingewanderte im Jahr 2021 noch damit rechnen, nach vier Wochen einen Termin zu erhalten, bei dem sie ihre Anträge abgeben konnten. Nun sind es acht Monate - "mit steigender Tendenz", wie es bei der Stadt heißt.

Nach der ersten Prüfung schicken die Städte die Anträge zur Entscheidung zu den Regierungspräsidien. Auch dort stapeln sich inzwischen die Papiere. Im RP Kassel warten 5.900 Anträge auf die Bearbeitung, in Gießen sind über 7.100 Verfahren anhängig.

Beim größten Regierungspräsidium Deutschlands, dem RP Darmstadt, liegen sogar 23.000 Anträge unbearbeitet in den Regalen. Zusammen sind das gut 36.000 Anträge - eine Zunahme von mehr als 40 Prozent im Vergleich zum Juni 2023.

Lange Wartezeiten in den Regierungspräsidien

Und bis diese Anträge angefasst werden, dauert es wieder eine Weile. Im RP Darmstadt liegen die Anträge derzeit zwischen 16 und 20 Monate im Posteingang, bis sie von Sachbearbeitern in die Hand genommen werden. Das RP Kassel gibt aktuell eine Wartezeit von bis zu zwölf Monaten an.

Ein etwas anderes Verfahren hat das RP Gießen. Dort werde mit der Bearbeitung der Anträge nach Eingang sofort begonnen, sagt ein Sprecher. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit liegt aber auch dort bei 24 Monaten.

Der hessische Landesverband des Paritätischen Wohlfahrtsverbands kritisiert die langen Wartezeiten. Sie seien für die Betroffenen "sehr frustrierend und belastend", sagt eine Sprecherin. Auch Innenminister Roman Poseck (CDU) bezeichnet die langen Bearbeitungszeiten bei den Einbürgerungen als "nicht zufriedenstellend".

Poseck: Länder mit Antragsflut allein gelassen

Für die hohe Zahl der Anträge sei aber die Bundesregierung verantwortlich, die die Einbürgerungsvoraussetzungen abgesenkt habe. "Das war in jeder Hinsicht ein Fehler", sagt Poseck auf Anfrage. Auch seien die Länder mit der zu erwartenden Antragsflut allein gelassen worden.

Damit die Bearbeitungszeit kürzer wird, müsse das Land Hessen in den zuständigen Regierungspräsidien dringend mehr Personal für diese Aufgabe einsetzen, fordert der Wohlfahrtsverband. Demgegenüber verweist das Innenministerium darauf, dass bereits 2023 zehn neue Stellen für den Bereich Einbürgerung im RP Darmstadt bewilligt und besetzt wurden, wie eine Sprecherin sagt. Es habe erhebliche Rückstände gegeben, die während der Corona-Zeit entstanden seien. Noch immer seien die Nachwirkungen zu spüren.

Ana Laura Sánchez Galbán aus Gießen jedenfalls findet es schade, dass sie so lange auf die Einbürgerung warten muss. Insgeheim hatte sie gehofft, bei der kommenden Bundestagswahl schon mitwählen zu dürfen. Doch wenn es irgendwann einmal so weit ist, dann sehe sie die Einbürgerung auch als Dankeschön dafür, "dass ich zu einem guten Deutschland beitrage", wie sie sagt.