Hessen Kaum einer will Altkleider aus Containern noch haben
Der hessische Altkleidermarkt steckt in einer Krise: Für Kleidung von schlechter Qualität, die "Fast Fashion", finden sich immer weniger Abnehmer. Das bekommen Recycler, gemeinnützige Organisationen und Gemeinden zu spüren. Denn vielerorts sammeln sich Altkleider – und Müll.
Der Anblick ist nicht schön, doch im Landkreis Darmstadt-Dieburg mittlerweile ziemlich häufig: Altkleider-Container quellen über und davor stapeln sich weitere Kleidersäcke oder auch verschiedener Müll.
Beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) kennt man das Problem. Der Kreisverband Dieburg hat rund 70 Container und auch diese quellen immer wieder über, wie der Verband auf Nachfrage einräumt. Zwar würden die Sammelbehälter geleert, doch viel seltener als früher. Das DRK kooperiert hierfür mit der Firma Knebel Textilrecycling.
Früher fanden wöchentlich zwei Leerungen statt, mittlerweile werde nur noch einmal pro Woche geleert, erklärt Frank Herbrik, DRK-Geschäftsführer im Kreisverband Dieburg. Der Grund: "Das Unternehmen hat selbst Schwierigkeiten, die Altkleider auf dem Weltmarkt abzusetzen, weil es einfach zu viel davon gibt." Deshalb sei das Lager der Firma Knebel Textilrecycling voll. Das Unternehmen will sich auf Anfrage bislang nicht äußern.
Müll vor den Altkleider-Containern
Der DRK-Kreisverband bekommt dadurch immer wieder Schwierigkeiten mit den Ordnungsämtern, berichtet Herbrik. Die überquellenden Container sind etwa der Stadt Dieburg ein Dorn im Auge. Zumal es nicht bei der Abgabe von Altkleidern bleibe. Menschen würden davor vom Couchkissen bis zum Kinderwagen auch Sperrmüll abstellen. Dinge, die dort nicht hingehören.
Bei der Stadt sieht man es auch kritisch, wenn Bürger vor die vollen Container Kleidersäcke legen. Denn oft werde noch gut erhaltene Kleidung dadurch dem Regen ausgesetzt, völlig durchgeweicht und am Ende unbrauchbar. Stattdessen sollten die Bürger warten, bis die Container geleert seien, oder auf andere in der Stadt ausweichen, so ein Sprecher der Kommune.
Textilrecycler in der Krise
Nicht nur in Hessen, sondern bundesweit steckt der Altkleidermarkt in der Krise. Kurz gesagt spenden die Leute immer mehr kaum recycelbare Billigware, die weltweit immer weniger gefragt sind. Das setzt viele Textilrecycler unter Druck. Mit Soex aus Sachsen-Anhalt hat Anfang Oktober die erste große Firma Insolvenz angemeldet. Das Unternehmen ist für 35 Container in Nordhessen zuständig. Diese würden aber wie bisher weiter geleert, teilte Soex mit.
Was die Situation verschärft: Im Herbst misten noch mehr Verbraucher als sonst ihre Kleiderschränke aus. "Wir stellen saisonal einen Anstieg an entsorgten Altkleidern fest", heißt es etwa beim Textilsammler Texaid mit Sitz in Darmstadt, der in Hessen über 900 Container aufgestellt hat. Gut Erhaltenes könne die Firma in den eigenen Second-Hand-Läden verkaufen, allerdings gebe es davon immer weniger.
Immer mehr "Fast Fashion"
Stattdessen landet bei Texaid immer mehr Kleidung aus Polyester und anderen Kunstfasern. Diese Kleidungstücke sind neu oft schon für wenige Euro zu haben. Ein paar Mal getragen, sind sie kaum noch zu gebrauchen. Daher bittet das Unternehmen Verbraucher, bereits beim Kauf zu höherwertigerer Mode mit einem großen Anteil an Naturfaser zu greifen. "Zugleich appellieren wir an die Modebranche, die Qualität ihrer Ware zu steigern und deren Recyclingfähigkeit zu verbessern", heißt es in einer Stellungnahme.
Ab 2025 gilt eine neue EU-Verordnung zu Altkleidern. Ab dann sind kommunale Abfallwirtschaftsbetriebe verpflichtet, Bürgern zu ermöglichen, Textilien nicht mehr nur im Restmüll zu entsorgen, sondern in Altkleider-Containern. Das gibt es in Hessen vielerorts schon, dazu bieten traditionell bereits viele gemeinnützige Organisationen wie das DRK freiwillig diesen Service an. Allerdings gerät dieses bestehende System durch die aktuelle Krise am Altkleidermarkt in Gefahr. Die EU-Kommission will bei Kleidung eine höhere Recyclingquote erreichen, da bei deren Entstehung viele Ressourcen, wie beispielsweise Wasser, verbraucht werden.
Die Kolping Recycling GmbH aus Fulda wiederum spricht von einer weltweiten Absatzkrise. Sie leert in Hessen etwa 400 Container regelmäßig. Geschäftsführer Stephan Kowoll berichtet, früher habe man solche Ware vor allem nach Osteuropa und Russland verkauft. Aber da sei die Nachfrage gesunken und teilweise könne man die Kleidung auch wegen des Krieges nicht mehr dorthin verkaufen.
Statt Second Hand lieber selbst shoppen
Es gibt aber noch weitere Gründe für die Absatzkrise. Statt Second-Hand-Ware zu kaufen, bevorzugen auch im Ausland immer Menschen neue Kleidung zu Dumpingpreisen. "So wird etwa der afrikanische Markt von Lieferungen aus China überflutet", berichtet Kowoll.
Thomas Ahlmann vom Dachverband Fairwertung, der verschiedene gemeinnützige Organisationen aus Hessen vertritt, befürchtet, dadurch könne die Altkleidersammlung langfristig zusammenbrechen. Womöglich müsse überschüssige Ware verbrannt werden, was ökologisch nicht sinnvoll sei.
Sozialen Einrichtungen fehlt das Geld
So werden gebrauchte Klamotten immer häufiger zu Ladenhütern. Das bekommt auch eine Stadt wie Frankfurt zu spüren. Dem DRK-Bezirksverband gehören hier 450 Altkleidercontainer. Die Container werden von der Firma Juraschek geleert, die sich auch um den Verkauf kümmert, berichtet DRK-Geschäftsführer Dierk Dallwitz.
"Allerdings haben wir in den letzten Wochen immer wieder Preisnachlässe geben müssen, damit unser Verwerter die Ware überhaupt mitnimmt", so Dallwitz. Pro Kilogramm habe der Verband zu Hochzeiten 30 Cent bekommen, mittlerweile seien es weniger als 20 Cent. Das Problem sei aber, dass man mit den Erlösen soziale Einrichtungen finanziere, seien es Jugendzentren oder Demenzgruppen - und an diesen Stellen fehle nun das Geld.