Ein Geschlechtswechsel stellt nicht nur die Betroffenen sondern auch das Umfeld vor einige Herausforderungen. (Themenbild)

Mecklenburg-Vorpommern Ben spielt bei den Frauen Fußball

Stand: 19.11.2024 12:00 Uhr

Im falschen Körper geboren zu sein: Dieses Gefühl kennt Ben aus Mecklenburg-Vorpommern. Der Weg zu sich selbst war und ist für ihn steinig.

Von Alexa Hennings

Lili Borchardt aus Ribnitz-Damgarten war vier Jahre alt, als sie begann, Fußball zu spielen. Als Mädchen in der Jungenmannschaft - dagegen hatte keiner etwas einzuwenden. Die Probleme begannen, als sich Lili mit 23 Jahren zu einer Geschlechtsumwandlung entschloss. Schon lange hatte sie sich im falschen Körper gefühlt. Ihre Familie unterstützte diesen Weg - und auch die Teamkolleginnen beim Fußball taten das. Auf das, was dann kam, waren weder Ben noch seine Kapitänin Jenny Koss von der Warnemünder Hochschulsportgemeinschaft vorbereitet.

Fußballverband änderte die Regularien

"Und dann war die Schocknachricht: Er darf jetzt nicht mehr bei uns mitspielen. Das war schwierig, damit umzugehen - als Mannschaft und auch generell im Verein", sagt sie. Für eineinhalb Spielzeiten war Ben von den Punktspielen seiner Mannschaft in der Kreisoberliga ausgeschlossen. Mitte 2022 dann der Wendepunkt: Der Deutsche Fußballverband legte für den Amateurbereich eine neue Spielordnung fest. Trans-, intergeschlechtliche und nicht-binäre Personen dürfen seitdem nach Abstimmung mit einer Vertrauensperson im Landesverband selbst entscheiden, ob sie in der Frauen- oder Männersektion spielen wollen. Für Ben, der sich nach mehreren Verletzungen immer wieder auf den Platz gekämpft hatte, war klar: Er bleibt bei den Frauen.

In erster Linie, weil die Akzeptanz im Frauenfußball einfach viel, viel größer ist. Zum Zweiten ist Männerfußball doch robuster. Hätte ich die Möglichkeit nicht gehabt, bei den Frauen zu spielen, dann hätte ich tatsächlich aufgehört, Fußball zu spielen."
— Ben, Amateurfußballer

Ben musste oft verletztende Worte ertragen

Die Mannschaft stand also hinter ihm, als Lilli als Ben zurückkehrte und dann durch die neue DFB-Regel auch wieder bei den Punktspielen der Kreisoberliga antreten durfte. Das gefiel nicht allen auf dem Fußballplatz. "Frauen mit Bart gehören auf den Jahrmarkt - das war der Spruch, der mir glaube ich immer im Gedächtnis bleiben wird. Und dann auch: Du Scheiß-Transe, du Scheiß-Kerl, geh doch dahin, wo du hingehörst. Aber das geht da rein und da raus. Wie gesagt, ich habe genug Rückhalt und muss mich damit nicht herumschlagen und herumärgern. Das wird sozusagen hinter meinem Rücken geklärt und erledigt."

Von den Gegnern der neuen DFB-Spielordnung wird vorgebracht, dass es ungerecht sei, wenn Männer in einer Frauenmannschaft spielen. "Da durfte man sich dann schon anhören: Du bist gedopt, du hast körperliche Vorteile, und bist ja so viel besser als wir. Was aber völliger Bullshit ist, weil - klar, aufgrund von Testosteron habe ich mehr Masse, aber ich spiele dadurch keinen besseren Fußball." Ob er als Spieler schneller oder besser werde, das könne man nicht am Testosteron festmachen, ist sich Ben sicher.

Ben will sich noch weiteren Operationen unterziehen

Jenny Koss, Bens Mannschaftskapitänin, sieht es genauso. "Also manche, die haben einen wesentlich anderen oder robusteren Körperbau als er den jetzt mitbringt. Das wird ja viel als Ausrede genommen. Fußballspielen kann er halt - das ist gut für uns", sagt sie und lacht. Die gegnerischen Teams müssen sich damit arrangieren. Aber, so Jenny Koss, das habe nichts damit zu tun, ob Ben jetzt männlich oder weiblich sei.

Ben spielt weiter in der Frauenmannschaft.

Ben spielt weiter in der Frauenmannschaft.

Nicht auf Masse komme es an, sondern auf Klasse. Und die hat Ben Elias Borchardt. Schließlich steht er schon seit 23 Jahren auf dem Fußballplatz. Erst als Mädchen, dann als Frau, jetzt als Mann. Die HSG Warnemünde liegt auf Tabellenplatz zwei. In der Winterpause steht für Ben die nächste Operation an. Zum Saisonstart im Frühjahr will er wieder fit sein.

Dieses Thema im Programm:
NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 20.11.2024 | 09:54 Uhr