Niedersachsen Eintracht Braunschweig: Trainer Scherning zieht nach einem Jahr Bilanz
Daniel Scherning hat die Eintracht spätestens nach dem Sieg über den HSV wieder auf Kurs gebracht. Zum zweiten Mal, seit er Trainer in Braunschweig ist - weil er Meister der Entwicklung und Anpassung ist. Eine Zwischenbilanz nach einem Jahr unter seiner Leitung.
Braunschweigs Coach kennt das ja schon - und doch weiß er wieder nicht ganz genau, wie er die aktuelle Länderspielpause nehmen soll. Sein Team hat zum zweiten Mal in dieser Saison ein Spiel zu Hause gegen einen Aufstiegsaspiranten gewonnen und direkt im Anschluss ruht die 2. Liga für zwei Wochen. Erst das Niedersachsenderby gegen Hannover (2:0), nun das Nordduell gegen den HSV (3:1). Und dann: Pause.
Im exklusiven Gespräch mit dem NDR spricht Scherning viel von diesen Zyklen. Von Phasen, in denen er denke. Wie den jüngsten vier Spieltagen im Oktober und November zwischen zwei Länderspiel-Blöcken. Und das bringe in ihm nach dem Sieg über die "Rothosen" den Gedanken auf: "Das reißt dich vielleicht so ein bisschen aus einer guten Phase raus." Einerseits.
Denn andererseits sei er "auch immer ganz froh, wenn wir mal so zwei Wochen haben, wo du die Jungs nicht auf ein Spiel am Wochenende vorbereitest, wo du nochmal andere Trainingsinhalte setzen kannst". Und, ganz nebenbei, "dass du mal ein bisschen durchschnaufen kannst".
"Es war wichtig, dass wir im Trainerteam und ich auch als Cheftrainer den Finger in die Wunde gelegt haben, weil das die Basis für Entwicklung ist."
— BTSV-Trainer Daniel Scherning
Denn fordernd waren die ersten zwölf Spieltage für Scherning und die Mannschaft, wie der 41-Jährige zugibt: Natürlich habe er nach dem schwachen Saisonstart des BTSV mit einer extrem anfälligen Defensive und krachenden Niederlagen gegen den FC Schalke 04 (1:5) und den 1. FC Köln (0:5) "eine gewisse Unruhe im Umfeld wahrgenommen".
Er war "da so ein bisschen auch der Puffer in Richtung Mannschaft" nach außen hin. Insbesondere nach dem Debakel bei den Rheinländern sei es aber auch wichtig gewesen, Fehler intern zu benennen und klar zu kommunizieren. Und "dass wir im Trainerteam und ich auch als Cheftrainer den Finger in die Wunde gelegt haben, weil das die Basis für Entwicklung ist". Man müsse "den Jungs auf den Sack gehen, damit sie auch sehen, dass Entwicklung auch einfach eingefordert wird".
Und die kam: mit einem guten Spiel gegen Karlsruhe, das kurz vor Schluss zwar noch verloren ging (1:2). Dann aber auch ergebnistechnisch: mit dem ersten Punkt in Darmstadt (1:1), dem der erste Sieg über Greuther Fürth (2:0) folgte.
Zwölf Punkte in acht Partien
Seit der verlorenen Partie gegen den KSC haben die "Löwen" in acht Spielen zwölf Punkte geholt. Anderthalb Punkte im Schnitt. Die Eintracht ist damit wieder auf Kurs - und liegt sogar leicht über dem Punkteschnitt der 22 Partien unter Scherning in der vergangenen Saison, in denen 30 Punkte eingesammelt wurden und der sensationelle Klassenerhalt gelang.
Damit, dass es zu Beginn der neuen Saison wieder derart holpern könnte, "hätte ich in der Deutlichkeit nicht gerechnet", gibt Scherning zu, auch wenn er immer betont habe, dass es "Zeit braucht, wenn du fast 40 Transferbewegungen machst". Dass es "auch Probleme geben wird", sei ihm klar und doch: "Es hat schon auch ein bisschen an uns allen genagt."
Ergebnisse versus Erwartungshaltung
Zumal die ausbleibenden Ergebnisse auf eine gestiegene Erwartungshaltung trafen - und auf eine Hoffnung auf eine sorgenfreie Spielzeit. Diese Erwartungshaltung und Hoffnung sind ein Stück weit auch ein doppelter Fluch der guten Tat, weil sie auf den starken 22 Partien in der Vorsaison und der guten Vorbereitungvor dieser Spielzeit beruhen, wie auch der gebürtige Paderborner sagt: "Wir haben eine sehr gute Vorbereitung gespielt, haben danach aber in den Meisterschaftsspielen defensiv nicht die Stabilität gehabt, die wir eigentlich die ganze Vorbereitung hatten."
Insofern habe er nach der Klatsche von Köln "komplett eingefordert, so einen Reset-Knopf zu drücken". Denn eine stabile Defensive "ist und bleibt unsere Basis, das sind unsere Basics". Diesen Prozess habe er aber auch für sich selbst durchlaufen müssen. "Ich habe vielleicht auch den einen oder anderen Schwerpunkt zu sehr in den Mittelpunkt gerückt", sagt er. Und nennt die "fußballerische Weiterentwicklung im Vergleich zum letzten Jahr" als Beispiel, die angesichts des abermals großen Kaderumbruchs in der Form zu Beginn der Saison gar nicht möglich gewesen sei.
Entwickeln und anpassen
Seine Aufgabe sei es zu entwickeln, sagt Scherning. Auf und neben dem Platz. Und doch enthält auch dieser Satz ein gedachtes "Einerseits". Denn andererseits ist es "meine Aufgabe dann auch zu erkennen, wenn Dinge nicht funktionieren und da wieder entgegenzusteuern und ich bin mir auch nicht zu schade, dann wieder ein bisschen pragmatischer zu denken, Basics wieder in den Vordergrund zu holen".
Dass ihm und dem Team das in den vergangenen Wochen zunehmend gelungen ist, verdeutlichen nicht nur die Ergebnisse, sondern auch die teilweise sehr überzeugenden Auftritte gegen Teams wie Hannover oder den HSV.
Scherning: Sieg über den HSV "sehr genossen"
Insofern sei der Erfolg über die Hamburger in seinem 34. Spiel als BTSV-Coach ein besonders schöner gewesen. Schöner vielleicht sogar noch als der hochemotionale Last-Minute-Erfolg über den VfL Osnabrück in seiner ersten Begegnung als "Löwen"-Trainer in der vergangenen Saison: "Wir haben vielleicht jetzt besser Fußball gespielt und jetzt nochmal verdienter gewonnen gegen eine noch bessere Mannschaft." Daher habe er den Sieg ein wenig mehr genießen können.
Und dann macht Scherning noch mal, was er so gerne tut: in Zyklen denken. Nur dieses Mal in einem größeren: In den 34 Partien unter seiner Regie habe man "saisonübergreifend 45 Punkte geholt, die in einer Saison auch immer Platz neun oder zehn bedeutet". Es ist das, wo er mit der Eintracht hin möchte. Es ist das, weshalb er weiter entwickeln möchte. Und anpassen. Und besser werden. In kleinen und größeren Zyklen.
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Sport aktuell | 19.11.2024 | 09:17 Uhr