Schleswig-Holstein Kolumne: Millenials - Zwischen Nostalgie und TikTok
So viel ist klar: die Babyboomer hinterlassen mit ihrem Ruhestand eine Lücke im Arbeitsmarkt. Unsere Kolumnistin fragt sich, ob dann manche Diskussionen "auf Arbeit" vielleicht einfacher werden.
Vorweg: Ich fühle mich als Sandwich der Generationen. Als Mitte-Dreißigjährige gehöre ich der Generation Y, auch Millennial genannt, an und blicke - zumindest bildlich gesprochen - zu den Babyboomern auf und auf die Gen Z hinab. Das führt oft zu der absurden Situation, dass ich mich als Generationen-Mediatorin berufen fühle (wie dieser Text zeigt). Dabei muss ich mich selbst oft zusammenreißen, nicht mit den Augen zu rollen - in jedwede Richtung. Da sind die Vertreterinnen und Vertreter meiner Elterngeneration (oder teils die Eltern selbst), die "ja gar nichts mehr sagen dürfen" - und da die Vertreter meiner jüngeren Geschwister, die jedes Wort auf die Waagschale legen. Und in der Mitte hocken wir Millenials und sagen zu beiden: "hast ja irgendwie Recht".
Eine Sache des Alters
Bevor ich aufführe, in welchen Punkten ich mich den "Boomern" näher fühle (zum Beispiel in meiner Nostalgie für vor-digitale Zeiten) oder den Gen Zlern (ja, Sprache schafft Realität!), frage ich mich: Ist das alles eigentlich nur eine Frage des Alters? Das Motzen der Älteren ist ja nicht neu - schon in der Antike beschwerten sich Philosophen wie Sokrates über die "unmögliche Jugend", die angeblich keine Manieren und keinen Respekt vor Autorität hatte. Sitzt man mit Mitte Dreißig, in der sogenannten "Rushhour des Lebens" - der Hauptverkehrszeit, die von Berufs- und Familienbelastung geprägt ist - immer zwischen den Stühlen?
Früher oder später wird jeder zum Boomer
Es ist klar, dass das Alter allein nicht entscheidend ist. Zwar wird man mit der Zeit tendenziell weniger risikofreudig und denkt traditioneller. Doch viel stärker prägen die wirtschaftlichen Bedingungen, in denen jede Generation lebt, das Denken und Handeln. Wir Millennials sehen uns oft noch mit den klassischen "Boomer-Werten" wie harter Arbeit, Karriereaufstieg und finanziellem Erfolg konfrontiert, während die Generation Z zunehmend Flexibilität, Selbstverwirklichung und Nachhaltigkeit fordert - was wir ja auch attraktiv finden. (Innerer) Konflikt vorprogrammiert.
Ein Hoch auf die Selbstironie
Sebastian Hotz, auch bekannt als "El Hotzo", ist auf X und Instagram als "Sprachrohr der jüngeren Generation" bekannt. Er verbreitet regelmäßig satirische Gesellschaftskritik an sein Millionenpublikum und nimmt dabei oft die "Boomer" auf die Schippe. Gutes Beispiel ist dieser Post: "'früher war alles besser', Junge, dein Arzt hat geraucht, während er dich gegen Polio geimpft hat, bevor er dich zurück in eine komplett asbestverseuchte Schule geschickt hat, in der erst vorgestern die Prügelstrafe abgeschafft wurde, welches früher, du Boomerfürst?".
Unter einem Posting wie diesem sammeln sich dann die Likes - und zwar auch von "Boomerfürsten". Denn die einfachste Form des Generationskonsenses besteht darin, über sich selbst lachen zu können!
Dankbarkeit und Wertschätzung für das Rückgrat
Um die Brücke zum Anfang zu schlagen: Nach und nach gehen die Menschen, die in den 50er- und 60er-Jahren geboren wurden, in den Ruhestand. Hart gesagt: Das Rückgrat vieler Firmen - die fleißigen Angestellten, die statt Work-Life-Balance oft Arbeit nach Vorschrift leisten und Überstunden machen - bröckelt weg. Was bleibt, sind wir Millennials, die mit einer Mischung aus Arbeitsmoral auf der einen Seite und dem Drang nach Freizeit (#vanlife) auf der anderen Seite diese Lücke füllen müssen. Dabei brauchen wir aber auch die Unterstützung der Generation Z, die uns vor allem in Sachen Effizienz und Kreativität zeigt, wie man auch vom Laptop im Homeoffice maximal produktiv ist.
Aus altem Eisen graues Gold machen
Und es geht um Integration. Zumindest ist das die Hoffnung, denn für eine leistungsfähige, eine demokratische, eine friedliche Gesellschaft, brauchen wir alle; jede und jeden. Übrigens auch das "graue Gold". Arbeitsminister Claus Ruhe Madsen erklärte vergangenes Jahr seinen Plan, Senioren wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Für ihn gehe es nicht darum, "von einem Pflegeheim zum nächsten zu laufen, um die Leute da rauszuholen", sondern vielmehr das enorme Potenzial der Rentnerinnen und Rentner zu nutzen: Old is gold!