Auf einem Schild steht "Dr. Merkel".

Chaotischer Bundeswehrabzug Merkel vor dem Afghanistan-Ausschuss

Stand: 05.12.2024 14:34 Uhr

Seit über zwei Jahren geht ein Untersuchungsausschuss der Frage nach, wieso der Bundeswehrabzug aus Afghanistan 2021 so chaotisch lief. Heute enden die Befragungen. Die letzte Zeugin: Angela Merkel.

Von Mario Kubina, ARD Berlin

Dichtes Gedränge heute im Paul-Löbe-Haus, einem Gebäude des Bundestags: Der Untersuchungsausschuss zu Afghanistan tagt. Ein zweiter Sitzungsraum musste her, wegen der vielen Besucherinnen und Besucher sowie Journalistinnen und Journalisten. Sie wollen dabei sein, wenn die Abgeordneten Altkanzlerin Angela Merkel zu deren Rolle beim chaotischen Abzug aus Afghanistan befragen.

"Die Regierungschefin ist diejenige, die im Zweifelsfall alles bündelt - und wird auch alles gefragt", sagt der Ausschussvorsitzende Ralf Stegner. Nach den Worten des SPD-Politikers interessieren sich die Abgeordneten zum Beispiel dafür, wie damals die Verhandlungen mit der US-Regierung liefen. Washington hatte seine Verbündeten mit der Entscheidung für einen schnellen Abzug auf dem falschen Fuß erwischt.

"Und natürlich wird gefragt werden müssen nach der Fürsorgepflicht für die deutschen Ortskräfte", sagt Stegner. Gemeint sind Afghaninnen und Afghanen, die vor Ort für deutsche Stellen gearbeitet haben. Zum Beispiel als Übersetzer oder Fahrer für die Bundeswehr oder für Entwicklungshilfeorganisationen. Etliche wurden gerettet, aber viele blieben zurück in dem Land, das jetzt wieder von den islamistischen Taliban beherrscht wird.

Fehler beim Bundesnachrichtendienst?

Thomas Röwekamp von der Unionsfraktion will bei der Sitzung heute mehr dazu erfahren, welche Informationen zur Sicherheitslage in Afghanistan im Sommer 2021 vorlagen.

"Es steht ja der öffentliche Vorwurf im Raum, dass der Bundesnachrichtendienst die politischen Entscheidungsgremien fehlerhaft unterrichtet hätte", sagt Röwekamp. Eine Darstellung, die der CDU-Abgeordnete anzweifelt.

Auch Ex-Kanzleramtschef Braun im Zeugenstand

Die Aufsicht über den Auslandsgeheimdienst hat das Kanzleramt. Und dessen damaliger Leiter Helge Braun wird heute auch befragt. Der CDU-Politiker sagt zu Beginn der Sitzung, dass damals alle von der dramatischen Entwicklung überrascht worden seien.

Die Informationen vom Bundesnachrichtendienst seien aber präzise gewesen - auch wenn das Szenario eines plötzlichen Falls von Kabul als unwahrscheinlich eingeschätzt worden sei, betonte Braun.

Helge Braun

Laut Helge Braun waren alle von der dramatischen Entwicklung überrascht.

Abgeordnete haben viele Fragen

Wenn es aber nicht an Informationen gemangelt hat, warum ist der Abzug dann so chaotisch verlaufen? Die Grünen vermuten, es könnte auch an einem unzureichenden Interesse der Kanzlerin gelegen haben. "Welche Priorität hatte für das Kanzleramt, hatte für die Bundeskanzlerin Afghanistan, hatten die Soldaten, hatten die Ortskräfte?", fragt die Abgeordnete Canan Bayram.

Und auch die FDP-Politikerin Ann-Veruschka Jurisch möchte von Merkel erfahren, "warum sie sich erst so spät persönlich in das ganze Thema Afghanistan reingehängt hat".

Wobei es aus Sicht der Abgeordneten hilfreich wäre, auf den damaligen Kalender der Altkanzlerin zugreifen zu können. Der aber sei gelöscht worden, sagt Jurisch. Ein Punkt, bei dem auch der AfD-Abgeordnete Stefan Keuter nachhaken will. "Man weiß nicht, ob Sicherungen existieren. Wir werden Frau Dr. Merkel fragen, ob es ihren Kalender noch gibt, ob sie ihn hat und ob sie ihn uns zur Verfügung stellen kann."

Die Altkanzlerin wird ab dem späteren Nachmittag im Bundestag befragt.