Chinakritiker in der AfD Wie ein Abgeordneter diskreditiert werden sollte
Ein AfD-Bundestagsabgeordneter, der sich kritisch über China äußerte, sollte nach Kontraste-Recherchen offenbar gezielt mit einem gefälschten "Beweis" diskreditiert werden. Angeboten hatte das Material ein Mann aus China.
Der AfD-Bundestagsabgeordnete Rainer Kraft ist ein Außenseiter in seiner Partei, zumindest was seine Haltung in Fragen der Außenpolitik angeht. Während die AfD sich gegen deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine ausspricht, hat Kraft im Bundestag sogar für die Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper an das Land gestimmt. Auch im Hinblick auf das Verhältnis zu China unterscheidet sich der bayerische Politiker von seiner sonst eher chinafreundlichen AfD.
Während AfD-Parteisprecher Tino Chrupalla im August 2022 auf Twitter die Haltung von Außenministerin Annalena Baerbock zu Taiwan als "größenwahnsinnig und brandgefährlich" kritisierte und mahnte, Deutschland müsse "die legitimen Sicherheitsinteressen Chinas respektieren", reiste der AfD-Abgeordnete Kraft im Oktober 2022 zusammen mit Abgeordneten aus anderen Fraktionen des sogenannten "parlamentarischen Freundeskreis Berlin-Taipei" nach Taiwan.
In einem auf Facebook veröffentlichten Video lobte er die Chipindustrie Taiwans und bezog auch zum Verhältnis Chinas zu Taiwan Stellung. Man werde sich auf der Reise auch analog zur "Frage Ukraine-Russland damit auseinandersetzen: Wie kann eine kleine Demokratie so wehrhaft sein, dass sie sich auch gegen eine große autoritäre Macht behaupten kann?"
Angeblich kompromittierendes Material
Mit seiner chinakritischen und pro-taiwanesischen Haltung scheint sich Kraft offenbar Feinde gemacht zu haben. Im Juli 2023 wurde das ARD-Politikmagazin Kontraste von einem Mann kontaktiert. Dieser bot an, er könne Kontakt zu einem Chinesen herstellen, der kompromittierendes Material über Kraft habe. Ein Nachrichtendienst Taiwans habe Kraft per Überweisung an dessen Ehefrau Geld zukommen lassen - so behaupte es der Mann aus China.
Auf die Bitte um mehr Details übersendete der Mann die Kontaktdaten von einem Chinesen aus Shanghai, der sich Steven/Stefan S. (Name von der Redaktion abgekürzt) nennt, sowie einen Screenshot, der eine Überweisung an die Ehefrau Krafts in Höhe von 20.000 Euro auf ein Konto der Commerzbank belegen soll.
Der Kontaktvermittler betonte jedoch gleich, er könne nicht für die Korrektheit der Angaben bürgen und wies die Kontraste-Redaktion schon bei der Übermittlung des vermeintlichen Belegs auf eine grobe Unstimmigkeit hin: Die auf dem "Überweisungsbeleg" angegebene IBAN existiere gar nicht. Kontraste-Recherchen bestätigten dies. Eine Überweisung mit der genutzten IBAN hätte also beim Empfänger gar nicht ankommen können. Zudem: Aus dem Screenshot geht gar kein Absender der vermeintlichen Überweisung hervor.
Per E-Mail bot Herr S. aus Shanghai Kontraste ein Treffen zu dem Thema an, doch als es um die Details ging, brach er den Kontakt ab.
Kraft bestreitet Zahlungen
Kraft erklärte auf Kontraste-Anfrage: "Weder ich noch meine Frau oder sonst eine Person in meinem näheren Umfeld haben je Zahlungen aus der Republik China (Anm. der Redaktion: Gemeint ist Taiwan) erhalten, übrigens auch von keinem anderen fremden Staat oder dessen Organen. Bei meinen Reisen in die Republik China habe ich, wie die anderen Delegationsteilnehmer, die üblichen Gastgeschenke erhalten."
Im April 2024 meldete sich der Chinese Steven S. erneut. Er habe brisante Informationen, die deutsche Medien interessieren könnten. Doch kurz vor dem geplanten Treffen sagte S. ab, er müsse sich in China zu Untersuchungen in ein Krankenhaus begeben.
Auch der Kontaktvermittler meldete sich nun wieder bei der Kontraste-Redaktion. Er habe den Kontakt damals im Auftrag einer Berliner Agentur vermittelt und vermute, Steven S. habe Bezüge zum Netzwerk der sogenannten "Luxusschleuser".
Ermittlungen wegen Bestechlichkeit
Eben jenes Netzwerk beschäftigt derzeit die Justiz in Nordrhein-Westfalen. Am 17. April durchsuchten mehr als 1.000 Beamte in acht Bundesländern mehr als 100 Objekte. 58 Beschuldigten wird vorgeworfen, vor allem wohlhabenden Chinesen über Jahre Scheinwohnsitze und Scheinfirmen besorgt zu haben, um ihnen so deutsche Aufenthaltstitel zu erschleichen.
Wochenlang recherchierte Kontraste zusammen mit dem WDR-Magazin Westpol dazu. Die Angelegenheit wächst sich inzwischen zu einem politischen Skandal aus, in dem gegen aktive und ehemalige Landräte, Politiker und Behördenmitarbeiter wegen möglicher Bestechlichkeit ermittelt wird.
Im Zentrum der Ermittlungen stehen dabei die Rechtsanwälte Claus B. und Johannes D. Sie und ein weiterer Beschuldigter hielten bis vor wenigen Tagen noch Anteile an eben jener Agentur, die den Kontakt zwischen Steven S. und Kontraste vermittelte.
Angebote an Zeitungen
Kontraste-Recherchen zeigen: Steven S. kontaktierte Claus B. und engagierte die Agentur, um Kontakt zu deutschen Medien herzustellen. Die Agentur stellte dem Chinesen 1,5 Tagessätze für die Vermittlung in Rechnung. Diese Details bestätigte die Firma auf Kontraste-Anfrage.
Doch bereits zuvor soll Steven S. in den Versuch involviert gewesen sein, den AfD-Politiker Kraft zu diskreditieren. Verschiedene deutsche Medien erhielten 2022 eine E-Mail mit Anschuldigungen gegen Kraft. Die Auswahl der Medien erscheint skurril - neben renommierten deutschen Zeitungen wurde auch ein regionales Anzeigenblatt in Norddeutschland angeschrieben.
In den Mails wird behauptet, Krafts Ehefrau habe Geld von einer Firma in Taiwan erhalten. Im Gegenzug soll Kraft dann nach Taiwan gereist sein, um und dortige Regierungsvertreter zu treffen. Kraft selbst teilte auf Kontraste-Anfrage mit, dass auch diese Vorwürfe frei erfunden seien.
Vorwürfe zeitnah zu Großinvestition aus Taiwan
Steven S. soll sich der Lobbyagentur zufolge ausdrücklich eine Veröffentlichung zwischen dem 31. Juli und dem 3. August 2023 gewünscht haben. Welche Motivation könnte der Chinese dafür gehabt haben? Nur wenige Tage später, am 8. August 2023, verkündete der taiwanesische Chiphersteller TSMC den Bau einer Halbleiterfabrik in Dresden - eine Milliardeninvestition in eben die Technik, die Kraft auf Facebook als "beste Chips der Welt" bezeichnet hatte.
Sollte vorab der taiwanesische Staat durch die Behauptung, er besteche deutsche Politiker wie den AfD-Bundestagsabgeordneten Kraft, diskreditiert werden, und sollte gleichzeitig ein chinakritischer Politiker, der sonst so China-freundlichen AfD diskreditiert werden?
Der AfD-Abgeordnete Rainer Kraft mutmaßt, dass der chinesische Staat hinter den Beschuldigungen ihn gegenüber stecken könnten. "Sehr wahrscheinlich steht besagte Person in den Diensten der kommunistischen Diktatur der Volksrepublik China", so Kraft.
Dies würde in deren strategische Muster passen: "Der chinesische Staat hat großes Interesse daran den Eindruck zu erwecken, dass Taiwan im Ausland mit unlauteren und illegitimen Mitteln arbeitet", weiß die China-Expertin Mareike Ohlberg. "Dass Taiwan versucht, im Ausland Politiker zu kaufen, ist ein Narrativ, das man immer mal wieder von offiziellen Stellen in China hört."
Steven S., der die Verleumdungen über Kraft verbreitet hat, reagierte auf eine Kontraste-Anfrage bis zur Veröffentlichung dieses Textes nicht.