Warburg Bank im Cum-Ex-Skandal Hamburg verzichtete auf 47 Millionen Euro
Die Hamburger Finanzbehörde hat auf die Rückforderung von 47 Millionen Euro verzichtet, die sich die Warburg Bank durch Cum-Ex-Geschäfte verschafft hatte.
Die Recherchen des ARD-Magazins Panorama (NDR) und der Zeitung "Die Zeit" belegen, dass die Stadt Hamburg spätestens seit dem Jahr 2016 von ihren Ansprüchen gegen Warburg wusste. Die Bank hatte über Jahre hinweg sogenannte Cum-Ex-Deals abgewickelt, bei denen sich Banken einmal bezahlte Steuern mehrfach erstatten ließen. Im Jahr 2016 informierte das Bundesfinanzministerium (BMF) die Hamburger Finanzbehörde darüber, dass sich Warburg aus eben solchen Geschäften im Jahr 2009 rund 47 Millionen Euro unberechtigt verschafft hatte.
Eine Forderung, die 2016 zu verjähren drohte. Es war nicht das einzige Warnsignal. Anfang 2016 hatte die Staatsanwaltschaft Köln die Geschäftsräume der Warburg Bank durchsuchen lassen, wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung. Dennoch blieben die Hamburger Behörden untätig, angeblich weil man das Risiko eines Rechtsstreits mit Warburg nicht tragen wollte.
Der Mannheimer Steuerprofessor Christoph Spengel kann das nicht nachvollziehen. "Es gab zu diesem Zeitpunkt bereits finanzgerichtliche Urteile, die Cum-Ex-Geschäfte als illegal eingestuft haben", sagt er. Wenn eine Millionen-Rückforderung dann einfach liegen bleibe, sei das "ein Skandal". Spengel trat unter anderem als Sachverständiger im Cum-Ex-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags auf.
Scholz traf offenbar verdächtigen Cum-Ex-Banker
Trotz der laufenden Ermittlungen gegen die Bank trafen sich nach Informationen von NDR und "Die Zeit" 2017 mehrere SPD-Spitzenpolitiker mit Christian Olearius, dem Inhaber und ehemaligen Chef der Warburg Bank. Bei den Treffen wurde offenbar über die steuerlichen und strafrechtlichen Probleme gesprochen, die der Bank aus ihren Cum-Ex-Geschäften erwachsen waren.
Dies geht aus bei Durchsuchungen sichergestellten Tagebüchern von Olearius hervor. Auszüge der nicht privaten Teile dieser Tagebücher sind Bestandteil der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Köln, die Reporter von Panorama und "Die Zeit" einsehen konnten. Demnach empfing der damalige Bürgermeister Hamburgs und heutige Bundesfinanzminister Olaf Scholz im November 2017 Olearius in seinem Amtszimmer. Zum Zeitpunkt des Treffens standen die Warburg Bank und ihr Miteigentümer Olearius wegen ihrer Cum-Ex-Geschäfte seit mehr als zwei Jahren im Fokus staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen.
Zu dem Treffen mit Scholz notiert Olearius, er habe diesen über den Sachstand des Ermittlungsverfahrens und des Steuerverfahrens gegen Warburg berichtet. Wie Scholz hierauf reagierte, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Laut den Aufzeichnungen interpretierte Olearius das zurückhaltende Verhalten von Scholz dahingehend, dass sich die Bank und Olearius "keine Sorgen zu machen brauchen".
Wurde die Hamburger Bürgerschaft falsch informiert?
Bislang hat Scholz Treffen mit Vertretern der Warburg Bank im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften stets abstreiten lassen. Auf eine entsprechende Anfrage der Linken in der Hamburger Bürgerschaft antwortete die Hamburger Senatskanzlei Ende 2019: "Nein", weder Scholz noch andere Senatsmitglieder hätten hierzu Gespräche mit Warburg-Bankern geführt.
Scholz selbst wollte sich trotz mehrerer Anfragen und Interviewangebote nicht zu dem Vorgang äußern. Olearius ließ über seine Bank erklären: "Zum normalen und wünschenswerten Dialog zwischen Politik und Wirtschaft gehört der persönliche Austausch, weshalb wir uns seit jeher zu verschiedensten Themen mit Politikern treffen. Dabei halten wir unsere Leitlinien und gesetzliche Regelungen ein."
Kontakte auch zu SPD-Bundestagsabgeordnetem Kahrs
Weiter heißt es in den Tagebuchaufzeichnungen, dass sich Olearius Anfang Dezember 2017 mit dem haushaltspolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Kahrs, getroffen habe. Kurz zuvor hatte das Bundesfinanzministerium die Hamburger Finanzbehörde in einem außergewöhnlichen Vorgang angewiesen, weitere Cum-Ex-Steuererstattungen in Höhe von 43 Millionen Euro von Warburg zurückzufordern und dieses Geld nicht, wie im Jahr zuvor, in die Verjährung laufen zu lassen.
Bei dem Treffen mit Kahrs, an dem laut der Aufzeichnungen auch der frühere Hamburger Innensenator Alfons Pawelczyk (SPD) teilnahm, wurde offenbar über eben diese Weisung gesprochen. Olearius notiert dazu, Kahrs habe in dem Gespräch zugesagt, sich "in Berlin einen Durchblick" zu verschaffen. Er wolle sich der Frage annehmen: "Was treibt das Ministerium?" Kahrs dementiert auf Nachfrage, ein solches Gespräch geführt zu haben. Pawelczyk ließ eine Anfrage dazu unbeantwortet.
Es geht um 169 Millionen Euro
Steuerrechtlich ist die Rückforderung von 47 Millionen Euro aus Cum-Ex-Geschäften 2016 verjährt. Seit September 2019 läuft jedoch vor dem Landgericht in Bonn der erste Cum-Ex-Prozess. Neben zwei britischen Aktienhändlern müssen sich dort auch fünf Kreditinstitute als sogenannte "Einzugsermächtige" verantworten, darunter auch die Warburg Bank.
Sollten die beiden Angeklagten verurteilt werden, müssten auch die beschuldigten Finanzinstitute die durch Cum-Ex-Deals erlangten Millionenbeträge zurückzahlen. Laut Gericht geht es für die Warburg Gruppe um eine Summe von 278 Millionen Euro, wovon 169 auf den Cum-Ex-Eigenhandel der Warburg Bank entfallen. Warburg bestätigt diese Summen, betont aber, dass der bei der Bank verbliebene Gewinn lediglich bei 68 Millionen Euro liege. Vor Gericht erklärte Warburg, man sei bereit, diesen Gewinn zurückzuzahlen.
"Billigkeitslösung" mit Warburg Bank?
Nach Recherchen von Panorama und "Die Zeit" wollten die Warburg Bank und die Finanzbehörde diesem Urteil mit einer sogenannten "Billigkeitslösung" zuvorkommen. Eine zwischen der Finanzverwaltung Hamburg und der Warburg Bank erarbeitete Lösung sah vor, dass die Privatbank nur 68 Millionen Euro hätte zurückzahlen müssen und die Stadt somit auf fast 100 Millionen Euro verzichtet hätte.
Diese "Billigkeitslösung" wurde jedoch im November 2019 vom Bundesfinanzministerium verhindert. Die Warburg Bank wollte zu dem Vorgang keine Stellung nehmen. Die Finanzbehörde verwies darauf, dass sie wegen des Steuergeheimnisses keine Aussagen zum konkreten Fall treffen könne. Rein rechtlich bestehe allerdings in komplizierten Fällen die Möglichkeit, zu einer Verständigung zu kommen.