Verdacht auf Zwangsarbeit in China Beschwerde gegen Autokonzerne eingereicht
Menschenrechtler werfen deutschen Autobauern vor, wegen möglicher Menschenrechtsverletzungen in ihren Lieferketten nicht ausreichend tätig zu werden. Sie haben Beschwerde beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle eingereicht.
Es waren tumultartige Szenen, die sich vor wenigen Wochen beim Aktionärstreffen von Volkswagen abspielten. Demonstranten störten die Veranstaltung, skandierten Parolen, rissen Plakate in die Höhe. "Uigurische Zwangsarbeit bei VW beenden" war darauf etwa zu lesen.
Anlass der Proteste war unter anderem das gemeinsame Werk von VW und dem chinesischen Staatskonzern SAIC in der chinesischen Provinz Xinjiang. In der Region soll die Minderheit der Uiguren seit Jahren systematisch unterdrückt und zu Arbeit gezwungen werden. Am Ende der Veranstaltung waren es nicht nur Sprechchöre, auch eine Torte flog in Richtung des Aufsichtsratschefs Hans Dieter Pötsch.
Menschenrechtler reichen Beschwerde ein
Die Debatte um mögliche Menschenrechtsverletzungen in den Lieferketten der deutschen Autoindustrie beschäftigt Konzerne wie VW seit Jahren - und jetzt auch eine deutsche Behörde, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Dort haben Menschenrechtler des "European Center for Constitutional and Human Rights" (ECCHR) auf Basis des Lieferkettengesetzes Beschwerde eingereicht. Sie richtet sich nicht nur gegen VW, sondern auch gegen Mercedes Benz und BMW. Die Beschwerden liegen dem ARD-Politikmagazin Report Mainz und "Table Media" exklusiv vor.
Darin versuchen die Menschenrechtler für einzelne Zuliefererbetriebe der drei Autobauer detailliert darzulegen, inwieweit diese von möglicher Zwangsarbeit in der Uiguren-Provinz profitieren könnten. Grundlage der Beschwerde ist vor allem eine großangelegte Untersuchung der Universität Sheffield Hallam in England, die auch mögliche Zulieferer der deutschen Autobauer in den Blick nahm.
"Wir halten diese Berichte über mögliche Zwangsarbeit in den Zulieferbetrieben von VW, Mercedes und BMW für absolut besorgniserregend", so Miriam-Saage Maaß vom ECCHR. "Allerdings können wir nicht erkennen, dass die Unternehmen dieses Risiko ausreichend ernst nehmen."
Lieferkettengesetz verpflichtet Unternehmen
Deshalb fordern die Menschenrechtler das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle auf, eine Untersuchung der drei Konzerne anzustoßen. Es solle überprüfen, wie die Unternehmen mit dem Risiko für mögliche Zwangsarbeit umgehen und ob sie die Anforderungen des Lieferkettengesetzes erfüllen. Denn das Gesetz verpflichtet Unternehmen, auf der gesamten Lieferkette für die Einhaltung von Menschenrechten zu sorgen. Tun sie dies nicht, drohen empfindliche Strafzahlungen.
Der Sinologe Björn Alpermann, der seit Jahren an der Universität Würzburg zur Situation in Xinjiang forscht, hat die Beschwerden gegen die Autobauer analysiert. Auch er geht davon aus, dass Uiguren vielfach unter Zwang arbeiten müssen, häufig organisiert durch staatliche Arbeitsprogramme, überwacht durch Behörden der kommunistischen Partei.
Diesen Zwang für einzelne Zuliefererunternehmen zu belegen, sei jedoch äußerst schwierig. Denn die Situation vor Ort erlaube es weder Menschenrechtlern noch Journalisten, frei zu recherchieren. Klare Belege für Zwangsarbeit bei Zulieferern von VW, BMW und Mercedes erkenne Alpermann deshalb nicht.
Aber er sehe in den Lieferketten aller drei Konzerne zum Teil deutliche Hinweise auf Zwangsarbeit. "Die Menschenrechtler bringen genug Argumente, um einen begründeten Anfangsverdacht zu belegen." Die Beschwerden des ECCHR halte er demnach für angemessen, denn das Gesetz verlange ausdrücklich, dass die Unternehmen nicht erst bei Beweisen, sondern bereits bei Verdachtsmomenten aktiv würden.
Autobauer: Lieferanten müssten Menschenrechte einhalten
Alle drei Konzerne teilten auf Anfrage von Report Mainz und "Table Media" mit, sie hätten bisher keine Kenntnis der Beschwerden des ECCHR, sie lägen ihnen nicht vor. Deshalb könne man sich inhaltlich nicht äußern. Die Konzerne betonen aber allgemein die Bedeutung von Menschenrechten. Volkswagen etwa teilte mit, Geschäftspartner müssten jeden bewussten Einsatz von Zwangs- und Pflichtarbeit sowie alle Formen der modernen Sklaverei ablehnen. Von BMW und Mercedes heißt es, Lieferanten seien vertraglich verpflichtet, Standards einzuhalten. Mercedes schrieb außerdem, man sei mit seinen Geschäftspartnern in Kontakt und dränge auf eine Klärung der Vorwürfe.
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle wollte die Beschwerden nicht kommentieren. Die Behörde verwies allgemein darauf, dass die Antragsteller "direkt von der Verletzung oder zumindest von deren Auswirkungen betroffen sein" müsse. Ob die Beschwerden überhaupt Folgen für die Automobilkonzerne und Auswirkungen auf die Lage in Xinjiang haben werden, ist demnach fraglich.