Israel nach dem Angriff Geeint im Angesicht des Feindes
Vorerst ist Israel zusammengerückt. Doch spätestens nach dem Krieg werden die Fragen wieder aufkommen, wie Militär und Regierung so versagen konnten. Dann zeigt sich, wer noch an der Seite von Premier Netanyahu steht.
Die Kriegsmaschinerie ist angelaufen, mit aller Macht. Israel hat mobil gemacht wie noch nie in seiner Geschichte, es muss sich verteidigen gegen mörderische Angriffe. Und es schlägt zurück mit unmissverständlicher Härte.
Das ist der Krieg, der noch vor genau einer Woche nicht im Entferntesten in unseren Köpfen war. Vor einer Woche haben wir noch berichtet über ein zerrissenes, polarisiertes Land, in dem jeden Samstag Hunderttausende auf die Straßen gingen, um gegen die Regierungspolitik von Regierungschef Benjamin Netanyahu und seiner rechts-religiösen Regierung zu protestieren. Israel war wütend.
Und jetzt hat Israel eine Einheitsregierung. Das klingt nach Einigkeit, nach Versöhnung, nach Miteinander - doch so ist es nicht.
Die Einheitsregierung verdient ihren Namen nicht
Israel ist angesichts des barbarischen Angriffs zusammengerückt, kein Zweifel. Die Menschen im Land halten zusammen. Das zeigt die Bereitschaft Hunderttausender, eingezogen zu werden. Die Israelis wollen ihr Land, das gerade mal seinen 75. Geburtstag gefeiert hat, mit aller Kraft, mit ihrem Leben verteidigen.
Doch die Einheitsregierung verdient diesen Namen nicht. Das zeigt sich daran, dass Jair Lapid, der Chef der größten Oppositionspartei und Intimfeind Netanyahus, nicht mit im Boot sitzt. Das wäre die Einigkeit gewesen, die das Land als politisches Signal hätte aussenden müssen, die es auch gebraucht hätte.
Lapid hatte gefordert, diejenigen abzuservieren, die das Land so stark polarisiert haben und die den Konflikt mit den Palästinensern weiter anfeuern. Es wäre eine gute Gelegenheit gewesen, den Ballast der Nationalisten und religiösen Ideologen abzuwerfen und ohne die Zündler neu zu beginnen. Aber Netanyahu hat die Gelegenheit verpasst. Stattdessen hat er den den militärisch versierten, politisch aber eher blassen Benny Gantz in die Einheitsregierung geholt.
Der Krieg verschiebt die Fragen nur
Israel hat sich im Angesicht des Feindes vereint. Vielleicht hilft der Moment, die Zerrissenheit innerhalb der Bevölkerung zu kitten. Von der politischen Einheit aber wird nicht viel bleiben, spätestens wenn der Krieg aus ist. Der Angriff der Hamas war ein immenses Versagen der Sicherheitskräfte Israels, der Geheimdienste, des Militärs. Es ist ein immenses Versagen der Regierung Netanyahu. Der langjährige Premier wird sich dafür rechtfertigen müssen, wie Israels Feinde so sehr in die Offensive gehen konnten. Man wird sehen, wie viele dann noch an seiner Seite sind.