Kommentar zur Ägypten-Politik der EU-Außenbeauftragten Frau Ashton, emanzipieren Sie sich!
In Sachen Ägypten hat die EU keine gemeinsame Außenpolitik verfolgt. Wieder einmal. Deshalb ist es in Brüssel populär, auf die Außenbeauftragte Ashton einzuschlagen, oft nur wohlfeile Kritik. Dennoch muss sie aus der Kakofonie Lehren ziehen.
Von Christoph Prössl, NDR-Hörfunkstudio Brüssel
Den Umsturz in Ägypten haben alleine die Ägypter herbeigeführt. Sie gingen auf die Straße für einen Wechsel und Mubarak trat zurück. Dabei halfen weder die Europäische Union noch die Vereinigten Staaten. Ihre Politik war darauf ausgerichtet, Mubarak auch noch weitere 30 Jahre im Amt zu lassen - aus Angst vor Instabilität im Nahen Osten. Bislang ging alles gut: Die Chancen, dass der Wille des Volkes nach freien und gerechten Wahlen erfüllt wird, stehen nicht schlecht.
Ashton - zurückhaltend und wenig visionär
Die Europäische Union könnte jetzt helfen und dazu beitragen, dass es faire und freie Wahlen gibt, Menschenrechte in Ägypten geachtet werden und das Land nicht im Chaos versinkt. Doch der Blick in die vergangenen Wochen lässt da eben nichts Gutes ahnen. Eine EU-Außenpolitik ist einmal mehr nicht erkennbar geworden. Jetzt ist es natürlich besonders populär, auf die Außenbeauftragte der EU, Catherine Ashton, einzuschlagen. Eine glückliche Figur macht sie auch ein Jahr nach Amtsantritt immer noch nicht. Sie wirkt zurückhaltend, wenig visionär, fast überfordert.
Die beliebteste Kritik in Brüssel lautet derzeit: Ihr Vorgänger, Solana, wäre schon längst in Ägypten gewesen. Ja vielleicht. Er war bedeutend besser vernetzt und Hase und Igel in einer Person, immer erster am Konfliktherd. Jetzt lässt sich Ashton nicht vorwerfen, dass sie diese Kontakte vielleicht nicht hat. Das wussten die Staats- und Regierungschefs, als sie Ashton ins Amt wählten. Doch die Britin müsste solche Defizite eben aufarbeiten. Sie müsste sich das Team aufbauen, das ihr die schnelle Diplomatie ermöglicht, lautet der erste Kritikpunkt.
Zweitens muss sich Ashton von den Staats- und Regierungschefs emanzipieren. Die Mitgliedsländer der Europäischen Union sind schon bemerkenswert. Mehr Vielfalt geht kaum: Der französische Regierungschef François Fillon lässt sich noch vor wenigen Wochen von Mubarak zum Familienurlaub einladen, der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi nennt vor wenigen Tagen noch Mubarak einen "weisen Mann" und fügt hinzu, die meisten westlichen Regierungschefs dächten so.
Keine gemeinsame Stimme
Und dann gibt es die größere Zahl von EU-Staaten, die erkennen ließen, dass sie keine Partei ergreifen wollten während der Proteste des Volkes in Ägypten gegen Mubarak. Europa hätte in den vergangenen Wochen mit einer Stimme sprechen müssen. Und es hätte die Stimme von Catherine Ashton sein sollen. Hier muss Ashton sich durchsetzen, natürlich erst einmal hinter den Kulissen. Aber wenn das zu nichts führt, dann müsste sie auch einmal öffentlich Kritik üben an den Außenministern und Regierungschefs, die nicht bereit sind, ihr das Feld zu überlassen und eine europäische Position einzunehmen. Das wird ihr keiner freiwillig schenken.
Erinnerungen an Walter Hallstein
Ihr Auftreten bisher lässt da leider nicht viel Hoffnung aufkommen. Leider. Denn es ist eine alte Weisheit: Europa wird nur gehört, wenn es mit einer Stimme spricht. Das sagte bereits Walter Hallstein 1958, als er sein Amt als Präsident der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft antrat, eines Vorläufers der EU.
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