ein Mann arbeitet im Homeoffice.
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Fachkräftemangel Ist "New Work" schon wieder out?

Stand: 13.04.2024 17:32 Uhr

Wie lassen sich Privatleben, Familie und ein erfüllender Job vereinbaren? Flexibles Arbeiten nach dem Prinzip "New Work" schien die Lösung zu sein. Doch viele Firmen rudern etwa beim Thema Homeoffice zurück.

Zeitlich und räumlich flexibel arbeiten, in coolen Locations und flachen Hierarchien: Das wünschen sich vor allem junge Menschen. Tobias Reitz ist einer von ihnen. Und er arbeitet genau so. Vor 14 Jahren hat er die Agentur "quäntchen + glück" in Darmstadt gegründet und sich damit seinen persönlichen Traum einer angenehmen Arbeitswelt verwirklicht. Damals wurden Themen wie strategische Innovationskultur und "New Work" noch belächelt. Heute sind seine Auftragsbücher voll.

Als Organisationsentwickler versucht der 37-Jährige, die Arbeit anderer besser zu machen. Viele Unternehmen hätten erkannt, dass man es sich nicht leisten könne, sich keine Gedanken über neues Arbeiten zu machen: "Wir haben immer noch einen Fachkräftemangel und müssen uns natürlich darum bemühen, dass Menschen gerne für unsere Organisation arbeiten, dass sie dort gut organisiert sind."

Gerne Arbeiten: Was müssen Unternehmen tun?

Doch wie kann das gelingen? Und haben Unternehmen tatsächlich ein Interesse daran, dass ihre Mitarbeiter zufrieden im Job sind? Der aktuellen Gallup Studie zufolge gab es in Deutschland nie zuvor mehr Mitarbeitende ohne emotionale Bindung zur Arbeit als aktuell.

Dass es so viele Mitarbeitende gibt, die sich nicht mit dem Unternehmen identifizieren können, hat mehrere Gründe: Schlechte Führung etwa sei ein Risikofaktor für den Unternehmenserfolg. Und demotivierte Mitarbeiter, "denen alles egal ist", führten zu erheblichen volkswirtschaftlichen Kosten. Diese werden auf 132,6 bis 167,2 Milliarden Euro geschätzt.

Zurück in die Büros - warum eigentlich?

Dass viele der DAX-Unternehmen wie etwa die Deutsche Bank ihre Mitarbeitenden wieder in den Büros sehen wollen, sehen viele Mitarbeitende kritisch. Für sie soll das Büro weiterhin der primäre Arbeitsplatz sein, auch wenn das Geldinstitut an einem "hybriden Arbeitsmodell" festhält. Neue Richtlinien stellen laut Sprecher Christian Streckert unter anderem die Präsenz der Führungskräfte im Büro sicher: "Der persönliche Austausch im Büro ist wichtig, um Verbindungen zu knüpfen, zu lernen und im Team zusammenzuarbeiten".

Und das ist auch nicht ganz irrelevant: "In vielen Organisationen gibt es das Problem, dass die Innovationskraft und die Kreativität zurück gegangen ist durch den fehlenden Austausch", sagt Friederike Hardering, Expertin für die Zukunft der Arbeit. Sie lehrt und forscht an der FH Münster. Auch die Kommunikation funktioniere häufig aus dem Homeoffice nicht ganz so gut; deswegen würden Mitarbeitende wieder ins Büro zurückgeholt.

Aber Hardering betont auch: Viele Unternehmen böten längst hybride Modelle an. Denn man müsse auch sehen, dass Mitarbeitende gerne im Homeoffice arbeiten wollen, wenn sie das können. Arbeit und Leben miteinander zu verbinden, sei essenziell für viele Mitarbeitenden. Das bestätigt auch eine Studie der TU Darmstadt.

Was Arbeitgeber für die Zufriedenheit tun

Viele große und kleine Unternehmen tun inzwischen vieles dafür, dass die Mitarbeitenden am Arbeitsplatz zufrieden sind. Ein Beispiel dafür ist der Autohersteller Opel aus Rüsselsheim. Hier besteht inzwischen eine dauerhafte, flexible Homeoffice-Lösung, Beschäftigte könnten zwischen null und fünf Arbeitstagen pro Woche im Homeoffice variieren, sagte Opel-Sprecher Andreas Steiner. Darüber hinaus sei ein Pilotprojekt für ein modernes und flexibles Bürokonzept gestartet: weg von den Einzelarbeitsplätzen hin zu gemeinsamen Arbeiten im Team.

Auch bei der Lufthansa Group geht das mobile Arbeiten in manchen Bereichen dank einer Betriebsvereinbarung über das Arbeiten in den eigenen vier Wänden hinaus. "Die Regelung enthält auch die Möglichkeit von 30 Tagen Mobilarbeit im europäischen Ausland. Für die Lufthansa Group ist New Work ein großes und wichtiges Thema", erklärte Airline-Sprecher Marc Baron.

Ein ähnliches Modell setzt die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PwC) um. Sie akzeptiert, wenn ihre Beschäftigten mobil aus dem Ausland arbeiten. Das geschieht im Rahmen einer sogenannten Workation, wie Daniela Geretshuber, Mitglied der PwC-Geschäftsführung, erläutert. Die Anzahl der Länder, von denen aus gearbeitet werden kann, wurde inzwischen auf 40 erhöht.

Ist "New Work" vorbei?

Wissenschaftlerin Hardering betont, dass innovative Arbeitsmodelle für die meisten Unternehmen eine große Rolle spielen, um Mitarbeitende zu halten - auch wenn einige Unternehmen bei manchen Angeboten zurückrudern. Es gelte ohnehin: Eine "one fits all"-Lösung - also eine Lösung, die für alle gleichermaßen gut funktioniert - gebe es nicht.

Die Expertin empfiehlt Unternehmen, sich nach der jeweiligen Tätigkeit zu orientieren und den Arbeitsort danach auszuwählen: "Was brauchen die einzelnen Mitarbeitenden, die Teams, um ihre spezifische Arbeit gut zu machen?" Diese Frage zu beantworten, sei entscheidend.

Oft mehr Schein als Sein

Obstkörbe, Schaukeln oder Tischkicker: "New Work" würde oft als Containerbegriff missbraucht. Die Professorin für die Zukunft der Arbeit nennt das "New Work Washing", ein Kratzen an der Oberfläche, ohne wirklich strukturelle Veränderungen im Unternehmen durchzusetzen.

Viel wichtiger sei die Frage, was Mitarbeitende tatsächlich zufrieden mache oder als sinnstiftend empfinden. Dazu gebe es viele Studien: Sichere Arbeit etwa, ein faires Gehalt, gute Kommunikation, sinnvolle Aufgaben, eine gute Arbeitsatmosphäre und vor allem gute Führung.

Gute Führung bedeutet für den "New-Work"-Experten Reitz aus Darmstadt, Arbeit immer wieder anzupassen: "Da müssen wir gute Lösungen für finden, und versuchen irgendwie alle mitzunehmen." Das sei in Zeiten des Fachkräftemangels wichtiger denn je.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete der HR in der Sendung "mex. das marktmagazin" am 10. April 2024 um 20:15 Uhr.