Interview

Volkswirtschaftler Mitusch zur Bahnreform "Viele Investoren interessieren sich für die Bahn"

Stand: 14.04.2008 20:06 Uhr

Der SPD-Vorschlag zur Bahnreform wird nach Ansicht von Bahnexperte Mitusch zur Teilprivatisierung führen. Interessenten gebe es genug, für Bahnkunden werde sich zunächst nichts ändern, sagte Mitusch im tagesschau.de-Interview.

Der SPD-Vorschlag zur Bahnreform wird nach Ansicht von Bahnexperte Mitusch zu einer Teilprivatisierung führen. Die SPD will 24,9 Prozent des Personen- und Güterverkehrs verkaufen. Interessenten gebe es genug, für die Bahnkunden werde sich zunächst nichts ändern, sagte Mitusch im tagesschau.de-Interview.

tagesschau.de: Nach dem Willen der SPD sollen nur noch 24,9 Prozent der Bahn privatisiert werden – das Netz bleibt ganz in der Hand des Bundes. Ist das eine Lösung?

Kay Mitusch: Man führt die Bahnreform fort, das ist positiv. Wenn das Ganze nach vier Jahren Diskussion im Nichts enden würde, wäre das nicht gut. Es kommt jetzt darauf an, wie man das Drumherum gestaltet.

tagesschau.de: Was heißt das?

Mitusch: Die Infrastruktur nicht zu privatisieren, ist eine gute Entscheidung. Man darf sie aber nicht links liegen lassen. Insbesondere müssen die Regulierung der Infrastruktur und die Vereinbarung zwischen Bund und Bahn zur Infrastruktur nachgebessert werden. Danach zahlt der Bund jährlich 2,5 Milliarden Euro, die Bahn verpflichtet sich, eine bestimmte Qualität der Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Für diese Vereinbarung und für eine moderne Regulierung braucht man auch eine aktualisierte gesetzliche Grundlage. Gleichzeitig kommt man im Bereich Verkehr mit der Einbeziehung von privaten Investoren voran.

Zur Person

Der Volkswirtschaftler Kay Mitusch lehrt am Fachtgebiet für Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik der TU Berlin. Er hat am 2006 vorgestellten PRIMON-Gutachen ("Privatisierung mit und ohne Netz") im Auftrag von Bundesverkehrsministerium und Bundesfinanzministerium mitgearbeitet.

tagesschau.de: Was bedeutet die Teilprivatisierung für die Bahnkunden?

Mitusch: Das wird sich nicht sehr stark auswirken. Im Regionalverkehr ist alles durch die Zuschüsse des Bundes und  Bestellung des Verkehrs durch die Länder festgelegt. Bei den Wirtschaftskunden im Güterverkehr wird sich zunächst einmal auch nichts tun. Im Fernverkehr gibt es Rationalisierungsbedarf. Das ist aber ein politisches Thema ersten Ranges, so dass die Bahn da extrem vorsichtig sein wird.

tagesschau.de: Nach dem SPD-Vorschlag sollen die privaten Investoren aus dem Aufsichtsrat herausgehalten werden.

Mitusch: Das ist sehr schlecht. Ein wichtiger Beitrag, den private Investoren leisten können, wird damit ausgeschlossen. Das ist auch völlig unnötig. Die Investoren haben mit höchstens 24,9 Prozent kein großes Gewicht, wenn es um wichtige Dinge geht.

tagesschau.de: Welchen Einfluss auf die Unternehmenspolitik haben die Investoren dann noch?

Mitusch: Die Diskussionen im Aufsichtsrat werden anders ablaufen. Die Investoren werden Reformbestrebungen des Managements – zum Beispiel hinsichtlich von notwendigen Kosteneinsparungen - unterstützen. Durch Fachleute von außen bekommt die effizientere Ausrichtung der Bahn-Unternehmen in der Öffentlichkeit auch ein größeres Gewicht

tagesschau.de: Für welche Investoren wäre so eine Privatisierung interessant?

Mitusch: Ich rechne damit, dass sich viele interessieren. Es kann sein, dass sich neben großen Investoren sogar kleine beteiligen wollen. Aus Investor-Sicht ergeben sich ganz schöne Optionen. Eine Beteiligung an einem Bundesunternehmen ist eine sichere Position, gleichzeitig hat man Wachstumsoptionen. Die Investoren werden auf die Logistik setzen. Im Regionalverkehr ist auch einiges Geld zu verdienen.

tagesschau.de: Nun wird diskutiert, nach einigen Jahren einen weiteren Teil der Bahn zu privatisieren. Ergibt so eine Stufenlösung Sinn?

Mitusch: Wenn die SPD durchsetzt, dass 24,9 Prozent die Grenze sind, dann wird es nicht so schnell weitergehen.  Diese Hürde wirkt sich aus. Denn wenn man darüber hinausgeht, müsste man noch Strukturentscheidungen fällen.

tagesschau.de: Welche?

Mitusch: Man muss entscheiden, ob die Privatisierung der Verkehrsholding einfach auf 50 oder mehr Prozent erhöht wird oder ob man zum Beispiel Güterverkehr und Logistik separat weiter privatisiert, den Regionalverkehr ebenso, den Fernverkehr aber nicht.

Bahn-Infrastruktur

Für die Regulierung des Bereichs Infrastruktur ist die Bundesnetzagentur zuständig, doch hat sie dort bisher geringere Kompetenzen als im Strom- oder Telekomsektor. Derzeit wird diskutiert, ihre Kompetenzen zu erweitern. Dann könnte sie die Trassenpreise, die die Bahn von privaten Anbietern für die Benutzung des Schienennetzes verlangen darf, kontrollieren. Sie könnte Kostenanalysen vornehmen und Preisobergrenzen festsetzen.

tagesschau.de: Was bedeutet Becks Vorschlag für die Modernisierungspläne der Bahn?

Mitusch: Das Argument, dass Geld für die Bahn hereinkommt, halte ich für nicht so wichtig. Das Geld spielt nicht die Rolle, das sind vielleicht zwei bis drei Milliarden Euro einmalig. Aber die Bahn ist dann doch stärker als ein privatwirtschaftlich operierendes Unternehmen ausgewiesen. Das Management, das in diese Richtung denkt, wird gestärkt. Einige strategische Überlegungen im Logistik-Bereich können dann auch besser verfolgt werden.

Die Fragen stellte Wolfram Leytz, tagesschau.de