Eine EC-Karte wird in einen Geldautomaten gesteckt.

Grundsatzurteil BGH erlaubt Negativzinsen nur bei Girokonten

Stand: 04.02.2025 18:47 Uhr

Sogenannte Negativzinsen auf Bankguthaben sind zumindest bei Spar- und Tagesgeldkonten unzulässig. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Kunden dürfen auf Rückzahlung hoffen.

Von Egzona Hyseni, ARD-Rechtsredaktion

Etliche Banken und Sparkassen berechneten ihren Kunden vor einigen Jahren sogenannte Negativzinsen, auch Verwahrentgelte genannt. Für die Kunden bedeutete das: Sie bekamen das Guthaben auf ihrem Konto nicht nur nicht verzinst; sie mussten sogar ab einer bestimmten Summe etwas dafür zahlen, wenn sich auf ihrem Bankkonto ein höheres Guthaben angesammelt hatte.

Hintergrund war die jahrelange Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB): Die Banken und Sparkassen mussten der EZB Geld zahlen, wenn sie dort ihr Geld sicher anlegen wollten. Diese Kosten gaben sie dann an ihre Kunden weiter.

Verbraucherzentralen bekamen zum Teil recht

Diese Praxis hielten Verbraucherzentralen für rechtswidrig und verklagten mehrere Banken und Sparkassen. Sie bekamen nun vom Bundesgerichtshof (BGH) zum Teil recht. Der BGH entschied: Für Geld, das auf Tagesgeldkonten oder Sparkonten liegt, dürfen grundsätzlich keine Negativzinsen berechnet werden. Negativzinsen bei Sparkonten und Tagesgeldkonten würden dem Vertragszweck - nämlich dem Sparen - "diametral entgegenstehen", so der Vizepräsident des Bundesgerichtshofs und Vorsitzende des 11. Zivilsenats, Jürgen Ellenberger:

Zweck von Spareinlagen ist es, das Vermögen von natürlichen Personen mittel- bis langfristig aufzubauen und durch Zinsen vor Inflation zu schützen. Dieser Charakter des Sparvertrages wird durch die Erhebung eines Verwahr- oder eines Guthabenentgelts, der sogenannten Negativzinsen, entgegen den Geboten von Treu und Glauben verändert.

Negativzinsen bei Girokonten grundsätzlich zulässig

Etwas anderes gilt für Girokonten: Da sind die Negativzinsen laut BGH grundsätzlich zulässig. Denn beim Girokonto sei es dem Kunden vor allem wichtig, dass er jederzeit über das Geld verfügen kann, um zum Beispiel Rechnungen zu begleichen und Geld zu überweisen.

Es stehe also viel stärker im Vordergrund, dass das Geld für die tägliche Verfügbarkeit sicher verwahrt wird. Und für diese sichere Verwahrung dürften Banken und Sparkassen ein Verwahrentgelt - sprich Negativzinsen - verlangen.

Klauseln müssen transparent sein

Wenn eine Bank oder Sparkasse bei Girokonten Negativzinsen berechnet, dann müssen die Vertragsklauseln dazu für Verbraucher aber transparent, also verständlich genug sein. Das heißt: Für den Verbraucher muss klar erkennbar sein, wann und unter welchen Umständen Negativzinsen anfallen. Im konkreten Fall erklärte der BGH die Negativzinsen bei Girokonten von mehreren Geldinstituten für unzulässig, weil deren Vertragsklauseln nicht verständlich genug waren.

David Bode vom Verbraucherzentrale Bundesverband zeigte sich mit dem Urteil im Großen und Ganzen zufrieden: "In Bezug auf Girokonten geht das Gericht nicht ganz so weit wie wir, denn wir halten Verwahrentgelte per se für unzulässig. Aber jedenfalls sieht auch das Gericht hier einen Verstoß gegen das Transparenzgebot."

Die Deutsche Kreditwirtschaft, die die Banken und Sparkassen repräsentiert, betonte nach dem Urteil, dass der BGH für Girokonten von der grundsätzlichen Zulässigkeit von Verwahrentgelten ausgehe. "Eine weitergehende inhaltliche Bewertung der Urteile wird zwangsläufig erst nach einer Auswertung der Entscheidungsgründe möglich sein", so der Verband.

Rückzahlungsansprüche womöglich verjährt?

Zu Unrecht gezahlte Negativzinsen können Kunden von ihrer Bank oder Sparkasse nun zurückfordern. Dabei muss aber noch geklärt werden, ob die Rückzahlungsansprüche womöglich verjährt sind. Michael Hummel von der Verbraucherzentrale Sachsen geht davon aber nicht aus.

"Ansprüche, die im Jahr 2022 entstanden sind, sind bis zum Ende des Jahres 2025 noch nicht verjährt", so der Verbraucherschützer. "Möglicherweise auch ältere Ansprüche nicht, wenn die Kunden bereits verjährungshemmende Maßnahmen ergriffen haben. Wenn sie mit der Bank über diesen Zins gestritten haben, wenn es ein Gerichtsverfahren oder ähnliches gab, dann können Kunden auch noch deutlich ältere Forderungen geltend machen."

Verbraucherzentralen bieten Beratung an

Kunden, denen Negativzinsen berechnet wurden, könnten sich bei Fragen jederzeit an die Verbraucherzentralen wenden, so Verbraucherschützer Hummel. Er rät Bankkunden dazu, sich beraten zu lassen. Die Verbraucherzentrale biete eine Beratung speziell zu diesem Thema an, einige würden auch Musterbriefe anbieten. "Wir lassen keinen allein",so Hummel.

Auch wenn die Banken und Sparkassen aktuell keine Negativzinsen verlangen, ist nicht ausgeschlossen, dass das irgendwann wieder passieren könnte, sollte es erneut zu einer Niedrigzinsphase kommen. Für diesen Fall hat der BGH mit seinem Grundsatzurteil den Banken und ihren Kunden mit dem heutigen Urteil klare Vorgaben an die Hand gegeben.

AZ: XI ZR 61/23, XI ZR 65/23, XI ZR 161/23 und XI ZR 183/23

Klaus Hempel, SWR, tagesschau, 04.02.2025 17:14 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 04. Februar 2025 um 18:00 Uhr.