Studie des ifo-Instituts Längere AKW-Laufzeit würde Strom verbilligen
Wirtschaftsminister Habeck will die letzten deutschen Atomkraftwerke zum Jahresende vom Netz nehmen. Das stößt auf Kritik. Wie sich eine Laufzeitverlängerung der Reaktoren auf den Strompreis auswirken würde, hat nun das ifo-Institut errechnet.
Eine längere Laufzeit der drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke bis 2030 würde den Strompreis im kommenden Jahr nach Berechnungen des Ifo-Instituts merklich senken. Die Kraftwerke könnten im kommenden Jahr etwa vier Prozent des Stroms in Deutschland erzeugen. Strom wäre demnach ebenfalls vier Prozent günstiger als bei einer Abschaltung. Ein Jahr später läge der Preiseffekt noch bei einer Senkung um 1,2 Prozent.
Durch eine weitere Nutzung der Atomkraftwerke ginge laut den ifo-Berechnungen der Anteil von Erdgas allerdings nur von 8,3 auf 7,6 Prozent zurück. "Denn Atomkraft ersetzt Erdgas nicht 1:1, sondern kurzfristig vor allem auch Kohle", sagte Ifo-Stromexperte Mathias Mier. Gleichzeitig würden die Investitionen in Photovoltaik und Wind geringer ausfallen als ohne Laufzeitverlängerung.
Gaskraftwerke glichen vor allem Schwankungen der Nachfrage und der erneuerbaren Energien aus. Atomkraft sei dazu ungeeignet, die Kostenstruktur verlange zudem einen Dauerbetrieb. Da nicht alle Determinanten des künftigen Stromverbrauchs und insbesondere der Verfügbarkeit von Erdgas im Winter heute bereits bekannt seien, könne es deshalb sinnvoll sein, sich die Option Atomstrom auch über eine krisenbedingte, kurzfristige Laufzeitverlängerung im kommenden Jahr hinaus offen zu halten.
Unterschiedliche Meinungen prallen aufeinander
Die drei Atomkraftwerke sollen nach dem ursprünglichen Zeitplan Ende Dezember als letzte Meiler in Deutschland vom Netz genommen werden. Über eine Laufzeitverlängerung wird seit Monaten gestritten. Die Gegner argumentieren, dass dies für die Versorgungssicherheit mit Energie bedeutungslos wäre, da Strom im Gegensatz zu Gas nicht knapp sei. Allerdings gibt es Befürchtungen, dass bei einer knappen Gasversorgung viele Menschen auf Stromheizungen wie Radiatoren und Heizlüfter umsteigen könnten. Auf einen massenhaften Einsatz solcher Geräte ist das deutsche Stromnetz laut Experten nicht vorbereitet.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte vergangene Woche auf Basis von Ergebnissen eines weiteren Stresstests angekündigt, zwei der drei in Deutschland noch laufenden Atomkraftwerke mit Jahresende in eine befristete Einsatzreserve zu überführen. Sie würden damit wie im Atomausstiegsgesetz vorgesehen vom Netz genommen und keinen Strom mehr einspeisen. Sie sollen aber als Reserve dienen, wenn es zur Stabilisierung des Stromnetzes erforderlich würde.
Wirtschaftswissenschaftler plädieren für Weiterbetrieb
Bereits gestern hatten die sogenannten "Wirtschaftsweisen" die Pläne von Habeck kritisiert. Die Atommeiler sollten "zumindest bis zur nachhaltigen Überwindung der Energiekrise zunächst weiter betrieben werden", schreiben die Mitglieder des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in einem Beitrag für die "FAZ". Ein Reservebetrieb bis Mitte April kommenden Jahres sei "nicht zielführend". Dabei fielen "nur die mit der Bereithaltung verbundenen Kosten an, ohne dass der Nutzen aus dem Betrieb realisiert" werde, schreiben die Mitglieder des Gremiums.