Berlin unbeeindruckt Kritik am Exportriesen Deutschland
Weil die deutsche Wirtschaft so wettbewerbsfähig ist, schwächt sie die Exportbilanzen der anderen Euro-Länder. Die Klage ist nicht neu, aber vor dem Hintergrund der griechischen Schuldenkrise wird sie einmal mehr laut. Berlin lässt die Kritik abprallen, ebenso die Forderung nach höheren Löhnen.
Es ist keine ganz neue Klage, doch in der Schuldenkrise Griechenlands provozieren die Ungleichgewichte unter den Euro-Ländern einmal mehr den Unmut von Deutschlands EU-Partnern.
Die französische Finanzministerin Christine Lagarde kritisierte, Deutschland verschaffe sich Vorteile auf Kosten anderer. In einem deutlichen Appell forderte Lagarde die Bundesregierung auf, die Binnennachfrage zu stärken. Der große Handelsüberschuss Deutschlands schade anderen Staaten, kritisierte sie kurz vor dem Treffen der Finanzminister der Euro-Gruppe in Brüssel.
Die Bundesregierung wies die Kritik zurück und mahnte im Gegenzug eine stärkere Wettbewerbsfähigkeit anderer Länder an. Die Exportstärke sei nicht Folge staatlicher Politik sondern innovativer Unternehmen.
Wer bezahlt für Wettbewerbsfähigkeit?
Schon seit längerem gibt es Unmut über die Exportüberschüsse Deutschlands. Andere Länder werfen Deutschland vor, sich in den vergangenen Jahren mit niedrig gehaltenen Löhnen Exportvorteile verschafft zu haben und Wirtschaftswachstum auf Kosten anderer Länder zu erzielen.
Lagarde forderte in einem Interview mit der "Financial Times" Berlin auf, die heimische Nachfrage anzukurbeln, um die Wettbewerbsfähigkeit defizitärer Länder zu unterstützen: "Könnten diejenigen mit einem Handelsüberschuss ein bisschen was tun? Es kann nicht nur darum gehen, Defizit-Regeln zu erzwingen." Die Schuldensünder in der EU, allen voran Griechenland, sollten gleichwohl künftig stärker überwacht und zum Sparen gezwungen werden.
Deutschland habe in den letzten zehn Jahren einen "außerordentlich guten Job" gemacht, was die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und einen "sehr hohen Druck" auf die Lohnkosten angehe, sagte Lagarde. "Ich bin nicht sicher, ob das langfristig und für die ganze Gruppe ein haltbares Modell ist. Wir brauchen eine bessere Angleichung."
Paris steht mit der Kritik nicht allein: Mehrere wirtschaftlich schwache EU-Staaten verlangen nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung, dass Deutschland seine Wirtschaftsreformen zurückdreht, um ihre Marktchancen zu verbessern.
Berlin lässt Kritik abprallen
Vize-Regierungssprecher Christoph Steegmans sagte, sicher sei es richtig, auf eine Harmonisierung der Wettbewerbsfähigkeit hinzuarbeiten. "Allerdings wäre es vermutlich für alle europäischen Staaten gewinnbringender, wenn sich nicht einzelne Länder künstlich zurücknehmen, sondern wir unsere ganze Kraft in eine gemeinsame Wachstumsstrategie stecken."
Könnten die Deutschen mehr für den Inlandskonsum tun?
Deutschland sei kein Land, in dem der Staat Löhne oder Konsum festlege, betonte Steegmans. "Die Exportwirtschaft jetzt irgendwie anzuhalten, dass sie mehr unattraktive Güter herstellt, würde dem Wettbewerbsgedanken in Europa auch widersprechen." Deutschland habe einen sehr starken und innovativen Mittelstand. Daher stelle sich eher die Frage: "Wie können andere Länder das auch erreichen?"
Lagarde gegen EWF
Den von Deutschland vorangetriebenen Europäischen Währungsfonds (EWF) sieht Lagarde nicht als Priorität. Statt einen eigenen Fonds aufzubauen - "ein Abenteuer, das uns drei, vier fünf Jahre beschäftigen kann" - solle eher die Haushaltsdisziplin in der EU gestärkt werden.
Finanzminister Wolfgang Schäuble, der nach einem zweiwöchigen Krankenhausaufenthalt seine Amtsgeschäfte wieder aufnehmen und zum Treffen der Euro-Gruppe reisen wollte, sieht den EWF als ein längerfristiges Projekt. Vergangene Woche hatte er erste Überlegungen dazu dargelegt. Danach droht Schäuble Euro-Sündern notfalls - als Ultima Ratio - mit einem Rauswurf aus der Währungsgruppe.