Interview

Interview zu Schaefflers Übernahmeplänen Sind Familienunternehmer die besseren Kapitalisten?

Stand: 16.07.2008 21:13 Uhr

Das Familieunternehmen Schaeffler will mit Continental den fünftgrößten Reifenhersteller der Welt übernehmen. Ein weiterer Versuch einer Unternehmerfamilie, einen DAX-Konzern zu kaufen. Was macht Familieunternehmen so stark? Darüber sprach tagesschau.de mit dem Managementexperten Groth.

Das Familieunternehmen Schaeffler aus Franken will mit Continental den fünftgrößten Reifenhersteller der Welt übernehmen. Ein weiterer Versuch einer Unternehmerfamilie, einen DAX-Konzern zu kaufen. Was macht Familieunternehmen so stark? Sind sie womöglich die besseren Unternehmer? Darüber sprach tagesschau.de mit Torsten Groth vom Wittener Institut für Familienunternehmen.

tagesschau.de: Was versetzt Familienunternehmen in die Lage, viel größere Aktienkonzerne zu schlucken?

Torsten Groth: Familienunternehmen waren in den vergangenen Jahren besonders erfolgreich. Die großen unter ihnen haben in den letzten drei bis fünf Jahren im Schnitt mehr Geld verdient als die DAX-Konzerne. Und der große Unterschied zu einem börsennotierten Unternehmen ist, dass ein Familienunternehmen in aller Ruhe Gewinn anhäufen kann, ohne dass ein Großinvestor sie zwingen kann, das Geld auszuschütten. Wenn die Eigentümerfamilie bescheiden auftritt und auf übliche Renditen verzichtet, dann kann das Unternehmen sämtliche Unternehmensgewinne im Unternehmen belassen. Da kann sich über Jahrzehnte schon ein Sümmchen anhäufen, mit dem man dann bei Gelegenheit zuschlagen kann.

Langfristige Strategie trägt kurzfristig Früchte

tagesschau.de: Gibt es ein neues Selbstbewusstsein unter Deutschlands Familienunternehmern?

Groth: Ja, und zu Recht! Bis vor zehn Jahren hat man eher verschämt darauf hingewiesen, dass man ein Familienunternehmen ist. Heute hebt man die Vorteile selbstbewusst und mit breiter Brust hervor. Schließlich geben Erfolg und Stabilität den Unternehmern Recht. Der wichtigste Vorteil, die Langfristperspektive, zahlt sich aus: Familienunternehmen sind sozusagen nebenbei erfolgreich. Sie sind darauf fokussiert, das Unternehmen gut aufzustellen, so dass es auch in der nächsten Generation noch als Familienunternehmen bestehen kann. Sie können Investitionen tätigen, die sich womöglich erst in zehn oder 15 Jahren rentieren. Diese strategische Weitsicht erweist sich meist auch kurzfristig als erfolgreich.

tagesschau.de: Gilt das auch für die Mitarbeiterführung?

Ja. Wir können beobachten, dass führende Mitarbeiter zwei bis drei Mal so lange in den Unternehmen tätig sind als in Aktiengesellschaften. Diese Mitarbeiter kennen den Laden, und das versetzt sie dann auch in der Lage, die Kernkompetenzen des Unternehmens gut an den Markt zu bringen. Diese Mitarbeiter sind nicht darauf aus, irgendwelche Pseudo-Erfolge wie in börsennotierten Unternehmen zu feiern, damit man in zwei Jahren wieder den Arbeitgeber wechseln kann.

Zur Person
Torsten Groth wurde 1969 in Bremen geboren. Er befasst sich am Wittener Institut für Familienunternehmen der Universität Witten/Herdecke mit der Führung und Organisation von Familienunternehmen. Sein besonderer Forschungsschwerpunkt ist die Langlebigkeit dieser Firmen.

tagesschau.de:Ist Familienkapitalismus also der bessere Kapitalismus?

Groth: In dieser Einschätzung gibt es eine gewisse Pendelbewegung. Über Jahrzehnte hin hieß es, ein Familienunternehmen sei lediglich ein Übergangsmodell hin zu einem wirklich wahren börsennotierten Unternehmen. Das ist mittlerweile wiederlegt. Was die Stabilität von Standorten und Beschäftigung angeht sind Familienunternehmen für die Volkswirtschaft ein Gewinn. Die Familienunternehmen der Nachkriegszeit haben im Durchschnitt weit stabiler für Beschäftigung gesorgt. Auch was Umsatz und Gewinn angeht, sind sie mindestens gleichwertig oder gar leicht im Vorteil gegenüber Aktiengesellschaften. Da kann man schon zu dem Schluss kommen, dass die Familieunternehmen volkswirtschaftlich betrachtet ein Vorteil sind. Oder zumindest ein zu pflegendes Gut.

Gefahr Stammeskonflikte

tagesschau.de: In der Öffentlichkeit wird vielfach die Nase gerümpft über raffgierige Manager, die sich Reichtümer in die eigene Tasche stecken. Führt das nicht zu einer Glorifizierung des Familieunternehmertums, aus dem die Sehnsucht nach einem bescheidenen, bodenständigen Unternehmertyp spricht?

Groth: Man neigt dazu, Familie zu romantisieren. Und der Eigentümer kann leicht bescheiden auftreten, denn das Geld, auf das er bei seinem Jahresgehalt verzichtet, behält er ja auf der Eigentumsseite – nämlich in seinem eigenen Unternehmen. Aber auf der Basis empirischer Daten, was Umsatz, Gewinn, Beschäftigtenzahl und Standorttreue angeht, kann man schon sagen, dass Familienunternehmen beständiger wenn nicht erfolgreicher sind. Andererseits läuft in Familienunternehmen nicht alles besser. Ihre Vorteile können sich leicht in Nachteile verkehren. Die viel gepriesene langfristige Ausrichtung führt immer mal wieder dazu, dass die Unternehmer die Tradition übertreiben und zu lange an den Erfolgen der Vergangenheit festhalten. Gründungsmythen setzen sich als unumstößlich Weisheiten fest, bestimmte Tätigkeiten der Väter werden zu in Stein gemeißelte Gesetzen. Daraus werden dann Geschäftsprinzipien abgeleitet, die nicht an Weltmarktbedingungen angepasst sind.

tagesschau.de: Und was geschieht, wenn der Familiensegen schief hängt?

Eine Eigentümerfamilie, die sich einig ist, ist eine große Ressource. Eine Eigentümerfamilie aber, die sich nicht einig ist, kann das Unternehmen schnell blockieren. Und die Wahrscheinlichkeit, dass Streitigkeiten auftreten, ist in einem Familienunternehmen gerade deshalb größer, weil man halt Familienmitglieder als Eigentümer hat. Statt der nüchternen Betrachtung der Sachverhalte gibt es dann etwa noch offene Rechnungen zwischen Cousins und Brüdern, da schwelen Konflikte, die über Generationen weitergetragen werden. Wenn ein Familienunternehmen scheitert, dann oft nicht am schlechten Wirtschaften, sondern an Stammeskonflikten.

Das Interview führte Claudia Witte, tagesschau.de.