Vorbild Skandinavien Gesetzliche Aktienrente als Ausweg?
Vor der Bundestagswahl im September kommt das Thema Rentenreform auf die Agenda. Politiker und Verbraucherschützer fordern eine Ergänzung der gesetzlichen Rente durch staatliche Aktieninvestments.
Gut ein halbes Jahr vor der Bundestagswahl werden die Stimmen lauter, die auf eine Reform des Rentensystems dringen. SPD und CDU hatten sich in den Koalitionsverhandlungen bei der Bildung der aktuellen Regierung lediglich auf eine "Haltelinie" geeinigt. Danach wird die gesetzliche Rente bis 2025 nicht unter das Niveau von 48 Prozent sinken, soll also mindestens 48 Prozent des dann herrschenden Durchschnittsverdienstes betragen.
Haltelinien fürs Rentenniveau
Doch dieses Niveau dürfte danach kaum mehr zu halten sein; zu ungünstig hat sich das Verhältnis von Arbeitnehmern und Rentnern entwickelt. Das gilt umso mehr, als in den kommenden Jahren immer mehr geburtenstarke Jahrgänge, die so genannten Babyboomer, ins Rentnerdasein wechseln. Die Rentenkommission der Bundesregierung, die vor einem Jahr Vorschläge zur Reform gemacht hatte, hatte lediglich weitere Haltelinien für Rentenbeitragssätze und das Rentenniveau in den kommenden Jahren vorgeschlagen. Auch solle die staatlich geförderte private Altersvorsorge ausgebaut werden. Konkrete Vorschläge dazu gab es aber nicht.
Nicht nur die ungünstige Entwicklung im Verhältnis von Rentnern zu Beitragszahlern macht dem gesetzlichen Rentensystem zu schaffen. Auch die Niedrigzinsphase lässt keine sicheren Anlagen mit einer nennenswerten Verzinsung zu. Die Rentenkasse muss alljährlich mit Milliardenbeträgen aus Steuermitteln bezuschusst werden. Für das Jahr 2020 werden diese Zuschüsse auf rund 100 Milliarden Euro geschätzt, gut ein Viertel des Bundeshaushalts.
FDP fordert gesetzliche Aktienrente
Aus verschiedenen Richtungen kommen Forderungen, die Rentenkassen stärker in die Kapitalmärkte investieren zu lassen. Insbesondere durch Aktieninvestments könnten höhere Renditen erzielt werden und damit das staatliche System entlastet werden. Dabei dienen oft die Rentensysteme aus Schweden und Norwegen als Vorbild. FDP-Finanz- und Sozialpolitiker fordern jetzt etwa eine Ergänzung des gesetzlichen Systems durch eine Umleitung eines Teils der Rentenbeiträge in eine gesetzliche Aktienrente. Ein Teil des Bruttoeinkommens (laut dem Vorschlag zwei Prozent) solle in die Aktienmärkte fließen. Dies orientiert sich am schwedischen System.
Bereits Ende 2020 hatten mehrere CDU-Politiker ebenfalls ein "Mischsystem" gefordert, in dem ein Teil der Rentenbeiträge "gewinnbringend" an den Kapitalmärkten angelegt werden solle. Sie hatten auf Norwegen als Vorbild dieses Weges verwiesen. Einen ähnlichen Vorstoß hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) schon 2019 gemacht. Beträge einer für Arbeitnehmer obligatorischen "Extrarente" sollten vor allem in die Aktienmärkte investieren.
Schweden: Aktienfonds mit hoher Dauerrendite
Das schwedische Modell enthält eine staatliche Grundrente, die durch eine Betriebsrente und eine private Altersvorsorge ergänzt wird. Die Schweden müssen 2,5 Prozent ihres Bruttoeinkommens in Vorsorgefonds abführen. Dabei können sie zwischen dem staatlichen AP7-Fonds und anderen Fondslösungen wählen. Die Fondsprodukte investieren zu hohen Anteilen in die globalen Aktienmärkte. Der AP7-Fonds gehört laut der Fondsrating-Agentur Morningstar zu den besten Aktienfonds in Europa und hat mit jährlichen Gebühren von 0,11 Prozent extrem niedrige Kosten. In den vergangenen zehn Jahren schaffte er eine durchschnittliche jährliche Rendite von mehr als 14 Prozent.
Ölfonds für Grundsicherung in Norwegen
Auch in Norwegen spielt der Aktienmarkt eine wichtige Rendite bei der Absicherung der Bevölkerung. Hier sorgt ein staatlicher Aktienfonds dafür, dass Norweger eine garantierte Rente von derzeit umgerechnet 1600 Euro monatlich erhalten. Der Fonds, der aus den Öleinnahmen des Landes gespeist wird, ist mit zurzeit einer Billion Dollar einer der größten Staatsfonds der Welt.
Die Norweger können neben der regulären staatlichen Rente, die ans Gehalt gekoppelt ist, aber noch auf eine zweite Vorsorge zurückgreifen, die am Kapitalmarkt orientiert ist. In diese obligatorische Rente müssen die Arbeitgeber mindestens zwei Prozent des Lohns der Arbeitnehmer investieren. In der Regel geschieht dies über Fondsprodukte, die von Banken gemanagt werden. Diese Fonds erreichen zumeist die Renditen der globalen Aktienmärkte und schaffen durchschnittliche jährliche Renditen von fünf bis sechs Prozent, das beste Pensionsprodukt hat seit 2005 sogar jährliche Renditen von rund acht Prozent geschafft.
Fondsprodukte auch in den Niederlanden
Auch in den Niederlanden und in Dänemark spielen Rentenbausteine mit Aktienanlagen eine wichtige Rolle. Die Niederländer etwa erhalten neben einer bedingungslosen Grundrente von rund 1200 Euro vor allem Einkünfte aus verpflichtenden betrieblichen Altersvorsorgeverträgen. Diese basieren zum überwiegenden Teil auf Fondsprodukten, die am Kapitalmarkt investieren.
Ob die Vorstöße in Richtung einer Reform in dieser Richtung in Deutschland zum Erfolg führen, werden die kommenden Monate zeigen. Eine Überarbeitung der bestehenden privaten Altersvorsorge, der Riester-Rente, wird es laut Medienberichten wohl vor der Bundestagswahl im Herbst nicht mehr geben. Damit könnte vielleicht erst in der neuen Legislaturperiode eine größere Reform der staatlichen Altersvorsorge anstehen.