
Aktien-Achterbahnfahrt DAX-Anleger hoffen auf Infrastruktur-Boom
Anleger am deutschen Aktienmarkt brauchen starke Nerven: Nach dem Allzeithoch zu Wochenbeginn und dem Kurssturz gestern springt der DAX heute wieder zurück über 23.000 Punkte. Positive Impulse kommen aus Berlin.
Das geplante Finanzpaket von Union und SPD hat die Käufer an den deutschen Aktienmarkt zurückgebracht. Der DAX steigt in der Spitze um 3,8 Prozent auf 23.176 Punkte. Im Hoch fehlen ihm nur noch gut 100 Punkte zu seiner historischen Bestmarke vom Wochenauftakt. Die Berg- und Talfahrt an der Frankfurter Börse setzt sich damit fort, die Märkte bleiben hochvolatil.
"Allzeithoch, Ausverkauf und zurück - der DAX bleibt ein Stehaufmännchen", kommentiert Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege beim Broker RoboMarkets, die rasante Achterbahnfahrt am deutschen Aktienmarkt der vergangenen Tage.
Nach dem Allzeithoch bei 23.308 Punkten zu Wochenbeginn, sorgte die Furcht vor einem globalen "Handelskrieg" gestern für einen Ausverkauf im DAX: Der deutsche Leitindex stürzte um 3,5 Prozent ab - es war der größte Tagesverlust seit drei Jahren.
Zur Wochenmitte sind es nun positive Impulse aus Berlin, die Anleger bei deutschen Aktien wieder zugreifen lassen. Union und SPD hatten sich gestern Abend auf ein riesiges Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur verständigt.
Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse soll den Plänen zufolge für Verteidigungsausgaben gelockert und ein Sondervermögen für die Instandsetzung der Infrastruktur mit 500 Milliarden Euro geschaffen werden. Es ist ein historisches Konjunkturpaket, das die Bau- und Rüstungsaktien zu den großen Gewinnern an der Börse macht.
Doch nicht nur am Aktienmarkt wird das Finanzpaket euphorisch aufgenommen, sondern auch am Devisenmarkt. Der Euro steigt in der Spitze bis auf 1,0721 Dollar und notiert damit so hoch wie seit Monaten nicht mehr.
Wenn es zu einer unerwartet großen Anhebung der Schuldenbremse komme, dürfte das die Erwartungen für das europäische Wachstum stärken und damit den Euro weiter stützen, sagte Carol Kong, Währungsstrategin bei der Commonwealth Bank of Australia.
An der Wall Street dürfte es nach den jüngsten Verlusten zur Wochenmitte ebenfalls bergauf gehen, die US-Futures deuten auf einen freundlichen Handelsauftakt an den New Yorker Börsen hin. So liegt der Future auf den Dow-Jones-Index aktuell 0,5 Prozent höher, während der Future auf den technologielastigen Nasdaq 100 um 0,7 Prozent zulegt.
Gold kann seine jüngsten Gewinne verteidigen. Der Preis für eine Feinunze des gelben Edelmetalls tendiert am Mittag bei 2.914 Dollar seitwärts. Damit hat Gold weiter sein Allzeithoch von 2951,19 Dollar im Visier, das es erst Ende Februar erreicht hatte.
Die Aussicht auf die erste Produktionssteigerung des Ölkartells OPEC+ seit 2022 belastet derweil weiter den Ölmarkt. Die Rohöl-Sorte Brent aus der Nordsee verbilligt sich zur Mittagszeit um 1,2 Prozent auf 70,22 Dollar je Barrel (159 Liter).
Am deutschen Aktienmarkt profitieren vor allem Infrastrukturwerte von dem historischen Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur von Union und SPD. Im DAX ist die Aktie von Heidelberg Materials mit einem Kursplus von über 14 Prozent zur Mittagszeit der größte Kursgewinner.
Im MDAX sind Bilfinger-Papiere sehr gefragt, sie steigen an der Indexspitze um über 21 Prozent. Auch Aktien von Kion und Hochtief legen prozentual zweistellig zu. "Dies ist ein Wendepunkt, und der Markt verschwendet keine Zeit mit der Neubewertung", kommentiert Marktbeobachter Stephen Innes von SPI Asset Management.
Rheinmetall, Hensoldt und Renk haussieren
Auch Rüstungswerte verzeichnen deutliche Kursgewinne. Im DAX legen Rheinmetall zur Mittagszeit um über vier Prozent zu, Hensoldt im MDAX und Renk im SDAX verzeichnen sogar noch deutlich stärkere Kursgewinne von zehn respektive acht Prozent. Rüstungswerte dürften aus Sicht von JPMorgan-Analyst David Perry vom riesigen Finanzpaket von Union und SPD profitieren.
Perry rechnet vor, dass die Rüstungsausgaben in den kommenden Jahren bei jährlich 135 Milliarden Euro liegen dürften, sollte Deutschland wie von ihm erwartet rund drei Prozent seines BIP für Rüstung ausgeben. Zum Vergleich: 2024 hatte sich das entsprechende Budget auf etwa 80 Milliarden Euro belaufen.
Steigende Bondrenditen drücken Immo-Aktien
Die rasant steigenden Zinsen am Rentenmarkt drücken dagegen Immobilienwerte. Titel von Vonovia, LEG Immobilien, TAG Immobilien und Aroundtown verlieren zwischen knapp vier und fast sechs Prozent.
Mit der Einigung von Union und SPD auf ein riesiges Finanzpaket für Verteidigung und Infrastruktur dürfte der Bund mehr Schulden aufnehmen, was die Renditen von Bundesanleihen steigen lässt. Höhere Finanzierungskosten setzen Aktien aus dem zinsempfindlichen Immobiliensektor unter Druck.
Auch für Adidas-Aktien geht es bergab, mit einem Minus von über einem Prozent gehören sie zur Mittagszeit zu den schwächsten DAX-Werten. Der Ausblick für das operative Ergebnis bleibe hinter den Erwartungen zurück, heißt es in einem Kommentar von Baader Helvea. Das Betriebsergebnis soll sich 2025 auf 1,7 bis 1,8 Milliarden Euro verbessern; das wäre ein Zuwachs von rund 30 Prozent.
Bayer erwartet nach dem Ergebniseinbruch im vergangenen Jahr auch 2025 keine Besserung. Das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) dürfte auf 9,3 bis 9,8 Milliarden Euro sinken. 2024 gab das Ergebnis um 13,5 Prozent auf 10,1 Milliarden Euro nach. Unter dem Strich fiel erneut ein Milliardenverlust von gut 2,5 (2023: 2,9) Milliarden Euro an.
Der Sportartikelhersteller Adidas erwartet trotz eines schwierigen konjunkturellen Umfeldes ein weiteres Wachstum im laufenden Jahr. So geht Adidas von einer Steigerung des Betriebsergebnisses auf 1,7 bis 1,8 Milliarden Euro aus, nach 1,3 Milliarden Euro im Vorjahr. Die Herzogenauracher hatten Ende Januar bereits vorläufige Zahlen für das vergangene Jahr vorgelegt.
Volkswagen zeigt heute Abend um 18.30 Uhr sein neues Elektro-Einstiegsmodell. Die Serienversion soll 2027 anlaufen und rund 20.000 Euro kosten, wie Europas größter Autobauer ankündigte. Mit der Studie ID. Every1 gibt VW nun einen ersten Ausblick auf das Modell. Mit dem Modell unterhalb des für 2026 geplanten ID.2all will VW seine Elektropalette nach unten abrunden und neue Kundengruppen erreichen.
Die Deutsche Bank muss wegen Verstößen gegen gesetzliche Pflichten Geldbußen in Millionenhöhe bezahlen. Die Finanzaufsicht Bafin verhängte gegen den DAX-Konzern Bußgelder in Höhe von gut 23 Millionen Euro, wie sie gestern Abend mitteilte. Dabei ging es um den Vertrieb von Finanzinstrumenten in Spanien sowie Mängel bei der Beratung und beim Girokonto-Wechsel beim deutschen Ableger Postbank.
Der Spezialchemiekonzern Evonik stemmt sich erfolgreich gegen die lahmende Branchenkonjunktur. Unter dem Strich verbuchte der MDAX-Konzern einen Gewinn von 222 Millionen Euro nach einem Verlust von 465 Millionen Euro vor Jahresfrist. Die Aktionäre um die RAG-Stiftung sollen eine unveränderte Dividende von 1,17 Euro je Aktie erhalten.
Der Auto- und Industriezulieferer Schaeffler rechnet für das laufende Jahr mit einer anhaltend schwachen Autoproduktion und erwartet Verluste im Geschäft mit Elektroautos. Bei Teilen für Elektroautos dürfte die Ergebnismarge 2025 bei minus 17 bis minus 14 Prozent liegen. In den anderen Sparten Antrieb, Ersatzteile und im Industriegeschäft sehe es dagegen deutlich besser aus.
Der Mobilfunk- und TV-Anbieter Freenet setzt auch im laufenden Jahr auf einen anhaltenden Erfolg seines Fernsehprodukts waipu.tv. Die Aktionäre sollen eine höhere Dividende erhalten, zudem winkt 2025 die Aussicht auf einen millionenschweren Aktienrückkauf. An der Börse kommt dies gut an und sorgt bei der Aktie für ein Rekordhoch.
Im SDAX sind Titel von SMA Solar mit einem Kursplus von über 20 Prozent die größten Gewinner. Der Wechselrichter-Hersteller will nach einem operativen Verlust im vergangenen Jahr wieder schwarze Zahlen schreiben. Für 2025 peilt das hessische Unternehmen ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) von 70 bis 110 Millionen Euro an.
Mit Informationen von Angela Göpfert, ARD-Finanzredaktion.