Technologietitel unter Druck Märkte bleiben misstrauisch
Verlieren die Notenbanken die Kontrolle und bürden der Wirtschaft zu hohe Zinskosten auf? Die Sorge davor lastete auch zu Wochenbeginn auf den Märkten.
Wenn es um das Dauerthema steigende Zinsen geht, schwingt bei den Marktteilnehmern immer eine gehörige Portion Misstrauen mit - das Misstrauen, dass die Notenbanken im Kampf gegen die Inflation über ihr Ziel hinausschießen und die Konjunktur abwürgen könnten.
Dieser Sorge trat am Montag der US-Währungshüter Charles Evans entgegen. "Ich denke, wir können die Inflation relativ schnell senken und gleichzeitig eine Rezession vermeiden", sagte der Chef des Notenbankbezirks Chicago. Er bekräftigte seine Erwartung, dass der Leitzins Anfang nächsten Jahres auf "etwas über 4,5 Prozent steigen" werde. Laut aktuellen Prognosen der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) dürfte die Arbeitslosenquote bis Ende nächsten Jahres auf 4,4 Prozent steigen. Zugleich soll der Preisauftrieb in den USA deutlich nachlassen. Evans nannte diese Aussichten "eine ziemlich gut aussehende weiche Landung".
Etwas vorsichtiger äußerte sich Lael Brainard, die Stellvertreterin von Fed-Chef Jerome Powell: "Die Unsicherheit bleibt hoch, und ich beobachte die Entwicklung der Aussichten sowie die globalen Risiken genau." Brainard bekräftigte ihre Sicht, dass sich die Notenbank "mit Bedacht" geldpolitisch vortasten und von der Datenlage leiten lassen sollte. Die Lage bleibt also unübersichtlich, und der Dow Jones driftete nach positivem Start ins Minus. Der Leitindex ging 0,32 Prozent tiefer aus dem Handel.
Die Technologietitel an der Nasdaq gaben angesichts der anhaltenden Zinssorgen um deutlichere 1,02 Prozent nach. Der Feiertag Columbus Day dämpfte das Geschäft. Deshalb blieben auch die US-Anleihemärkte geschlossen.
Die Fed hat den Leitzins bereits drei Mal in Folge um einen Dreiviertel Prozentpunkt angehoben - zuletzt auf die Spanne von 3,00 bis 3,25 Prozent. An den Finanzmärkten wird ein vierter großer Schritt für November erwartet.
Vor diesem Hintergrund blicken die Marktteilnehmer gespannt auf die Inflationsdaten für September am kommenden Donnerstag. Die Experten der BayernLB erwarten zwar einen leichten Rückgang auf 8,1 Prozent. Die wichtige Kernrate ohne Energie- und Lebensmittelpreise könne aber durchaus gestiegen sein.
Diese Woche startet in den USA zudem die Berichtssaison zum dritten Quartal mit den Bilanzen der großen Banken. Der leidgeplagte deutsche Aktienmarkt könnte Experten zufolge davon profitieren, denn viele schlechte Nachrichten sind nach deren Meinung mittlerweile in den Kursen enthalten.
Am Ende einer wechselhaften Sitzung schloss der DAX mit einem Minus von 0,06 Punkten fast auf seinem Schlussstand vom Freitag. Zeitweise hatte das derzeit diskutierte Gas-Entlastungspaket des Bundes die Kurse gestützt. Mit einem Zwei-Stufen-Plan könnten Verbraucher und Wirtschaft bei den Gas- und Fernwärmepreisen um etwa 96 Milliarden Euro entlastet werden.
Als die Unterstützung von der Wall Street ausblieb, ging es aber auch in Frankfurt wieder abwärts.
Der Euro bleibt weiter unter Druck. Bis zum Abend ist die Gemeinschaftswährung auf knapp über 0,97 Dollar zurückgefallen. Die Aussicht auf eine weiterhin harte Gangart der Fed stützt den Greenback. Die Anleger rechnen derzeit nicht damit, dass die EZB in gleichem Maße dagegenhalten kann und bevorzugen daher wegen des stetigen Zinsvorsprungs den Dollar.
Derweil hat sich das niederländische Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), Klaas Knot, für weitere starke Zinserhöhungen im Kampf gegen die hohe Inflation ausgesprochen. Es brauche mindestens zwei weitere "signifikante Zinserhöhungen", sagte der Präsident der niederländischen Notenbank. Knot machte außerdem deutlich, dass die EZB so lange den Leitzins erhöhen werde, bis die mittelfristige Inflationserwartung wieder das anvisierte Ziel von zwei Prozent erreicht habe.
Die EZB hatte zuletzt im September den Leitzins kräftig um 0,75 Prozentpunkte auf 1,25 Prozent angehoben. Für die kommende Zinssitzung Ende Oktober wird erneut mit einer Zinserhöhung in dieser Größenordnung gerechnet. Im September lag die Inflationsrate im gemeinsamen Währungsraum bei 10,0 Prozent.
Die Ölpreise sind mit Abschlägen in die Woche gestartet. Am Abend kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent ein Prozent weniger. In der vergangenen Woche hatten die Preise angesichts der jüngsten Förderkürzung des Ölkartells OPEC+ spürbar zugelegt.
Der Preis für europäisches Erdgas gab ebenfalls wieder nach. Zeitweise kostete der stark beachtete Terminkontrakt TTF für niederländisches Erdgas nur noch 144 Euro je Megawattstunde. Das waren etwa fünf Prozent weniger als am Freitag. Am Gasmarkt hat sich die lange Zeit sehr angespannte Situation zuletzt etwas entspannt. Hintergrund sind mittlerweile gut gefüllte europäische Erdgasspeicher und politische Bemühungen zur Dämpfung des Erdgasverbrauchs. Am Morgen hat die von der Bundesregierung eingesetzte Gaspreis-Kommission erste Vorschläge zur Dämpfung der Energiekosten vorgelegt.
In New York präsentieren sich insbesondere Chip-Werte schwach. Die von den USA verhängten Exportbeschränkungen nach China verbieten unter anderem die Ausfuhr von Anlagen zur Produktion hochwertiger Computerchips. Papiere von Intel, Nvidia, Qualcomm, Micron Technology und AMD gingen bis zu vier Prozent in die Knie. "Die Maßnahmen werden den chinesischen Chipsektor behindern, Wachstumspläne zunichte machen und möglicherweise Innovationen in Ost und West bremsen", warnte Analystin Danni Hewson vom Brokerhaus AJ Bell.
Schwere Verluste verbuchte die Aktie von Rivian. Der Elektroautoanbieter muss rund 13.000 Fahrzeuge wegen einer losen Halterung zurückrufen, die zu einem Ausfall der Lenkung führen kann. Das sind fast alle bisher ausgelieferten Fahrzeuge des Tesla-Rivalen.
Die beiden Labordienstleister Qiagen und Bio-Rad Laboratories sprechen laut dem "Wall Street Journal" über ein Zusammengehen. Die Gespräche liefen seit einiger Zeit, berichtet Blatt unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. In den nächsten Wochen dürfte es allerdings keine Vereinbarung geben. Möglicherweise einigten sich die Unternehmen auch nicht. An der Börse ist Qiagen auf der Basis des Schlusskurses vom Freitag zehn Milliarden Dollar wert. Bio-Rad wird mit 13 Milliarden Dollar bewertet. Während die Papiere von Bio-Rad nach der Nachricht unter Druck gerieten, legten die von Qiagen zu.
Am deutschen Markt überraschte die Deutsche Post mit einer Erhöhung der Ergebnisprognose, die Aktie gewann daraufhin 4,75 Prozent. Das DAX-Unternehmen rechnet trotz der drohenden Rezession für dieses Jahr mit mehr Gewinn als bislang. Dank eines guten Geschäfts im Sommer werde das Management seine Prognose bei der Vorlage der Zwischenbilanz am 8. November anheben, hieß es aus der Konzernzentrale in Bonn. Bisher peilt Vorstandschef Frank Appel für 2022 ein operatives Ergebnis (Ebit) zwischen 7,6 und 8,4 Milliarden Euro an. Im dritten Quartal erzielte die Post nach vorläufigen Zahlen ein operatives Ergebnis von 2,04 Milliarden Euro - mehr als von Analysten im Schnitt erwartet und rund 15 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.
BMW hat im dritten Quartal fast so viele Autos wie im Vorjahreszeitraum verkauft. Vertriebsvorstand Pieter Nota sagte, BMW sei auf Kurs, die Vertriebsziele für 2022 zu erreichen. Im dritten Quartal verkauften die Münchener von ihrer Stammmarke 517.689 Autos und damit 1,4 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.
In China, dem größten Markt für BMW, legten die Verkäufe von BMW und der Kleinwagenmarke Mini um 5,7 Prozent zu. In Europa gab es hingegen ein deutliches Minus von 11,1 Prozent. Bis Ende September verkaufte der Autobauer insgesamt inklusive der Marken Mini und Rolls Royce 1,75 Millionen Autos und damit im Jahresvergleich 9,5 Prozent weniger.
Die Telekomkonzerne American Tower Corp und Cellnex denken offenbar über eine Beteiligung an Vodafones Funkturmtochter Vantage Towers nach. So prüften sowohl der US-Betreiber von Telekommunikationsinfrastruktur sowie der spanische Telekommunikationsanbieter einen Einstieg in das Bieterverfahren, berichtete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Wochenende. Im September war bekannt geworden, dass die britische Muttergesellschaft einen Teil ihrer rund 82-prozentigen Beteiligung an Vantage Towers veräußern möchte. Derzeit kommt das MDAX-Unternehmen auf eine Marktkapitalisierung von gut 13 Milliarden Euro.
Renault und Nissan prüfen die Zukunft ihrer zuletzt eher brüchigen Allianz. Die beiden eng verzahnten Autokonzerne stehen in Gesprächen über die strategische Zusammenarbeit in Märkten, bei Produkten und Technologien, wie es heute in einem von Renault veröffentlichten gemeinsamen Statement hieß. Nissan erwäge, in eine neue Geschäftseinheit von Renault rund um Elektroautos zu investieren.
Renault prüft derzeit, seine Elektroautosparte vom Gesamtkonzern zu verselbstständigen. Mit einem Investment von Nissan in dieses Geschäft würde die Verflechtung zwischen den Franzosen und Japanern nicht zwingend zunehmen: Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg unter Berufung auf informierte Personen berichtet, ist Renault offen dafür, seine eigene Beteiligung an Nissan deutlich herunterzufahren. Renault hält 43 Prozent der Anteile an Nissan. Nissan seinerseits besitzt - wie auch der französische Staat - 15 Prozent der Renault-Aktien. Nissan soll den Informationen zufolge darauf gedrängt haben, dass Renault seinen Anteil ebenfalls auf 15 Prozent der Nissan-Anteile senkt.