Tech-Werte unter Druck Wall Street hält sich gut
Zwar trübten schwache Konjunkturdaten den Tag, aber das ist nur eine Seite der Medaille. Die Hoffnung auf ein Einlenken der Notenbanken stützte die Kurse - wenn auch nicht die der Tech-Werte.
Schwache Exportdaten aus China ließen zur Wochenmitte weltweit die anhaltenden Konjunktursorgen wieder aufleben. In der augenblicklichen Lage nehmen die Aktienmärkte aber solche Daten nicht so negativ auf, wie man denken könnte. Denn mit den nächste Woche anstehenden Zinsentscheiden der Notenbanken in den USA und der Eurozone rückt die Geldpolitik wieder in den Vordergrund. Die jüngsten trüben Konjunkturdaten nähren die Hoffnung, dass die Währungshüter die Zügel bald lockerer lassen.
Die Standardwerte an der Wall Street drehten im späten Geschäft denn auch ins Plus. Der Dow Jones schloss 0,27 Prozent höher.
An der Technologiebörse Nasdaq setzten dagegen nach freundlichem Start Gewinnmitnahmen ein. Der Auswahlindex Nasdaq 100 ging 1,75 Prozent tiefer aus dem Handel. Gerade die Tech-Riesen, die zuletzt von der Fantasie rund um das Thema Künstliche Intelligenz profitiert hatten, wie Amazon, Alphabet und Microsoft, standen auf den Verkaufslisten.
Am Mittwoch nächster Woche steht der Zinsentscheid der Federal Reserve und tags darauf der der Europäischen Zentralbank an. Der EZB-Rat wird nach Ansicht von Experten die achte Zinserhöhung in Folge beschließen, während die US-Notenbank voraussichtlich eine Zinspause einlegen wird. Laut EZB-Direktorin Isabel Schnabel muss die EZB bei den Zinsen noch nachlegen. Da mit Blick auf die Dauer der Inflationswelle hohe Unsicherheit herrsche, sei es in der Güterabwägung besser, hier zu viel als zu wenig zu tun, sagte sie der belgischen Zeitung "De Tijd". "Wir haben noch mehr vor uns."
Mehrmals hatte der DAX am Nachmittag die Marke von 16.000 Punkten überschritten, mangelnde Kaufbereitschaft ließ ihn aber 40 Punkte darunter schließen. Am Vormittag hatte es mit einem Tagestief bei 15.909 Zählern aber noch deutlich düsterer ausgesehen.
Enttäuschende Konjunkturdaten aus China und Deutschland hatten die Kurse zunächst gedrückt. Doch zu Gewinnmitnahmen im größeren Stil konnten sich die Anleger auch nicht aufraffen. "Der Deutsche Aktienindex befindet sich in einer Tiefschlafphase. Die Volatilität geht immer weiter zurück. An der 16.000er-Marke geht in beide Richtungen so gut wie nichts mehr", konstatierte Jürgen Molnar, Kapitalmarktstratege beim Broker RoboMarkets.
Im Mai waren Chinas Exporte überraschend stark um 7,5 Prozent abgesackt - Experten sehen darin ein Zeichen, wie sehr die Weltwirtschaft aktuell schwächelt. Auch die deutschen Industriekonzerne sorgten für eine Enttäuschung, stellten sie doch im April nur 0,3 Prozent mehr her als im Vormonat. Ökonomen hatten hier mit einem Anstieg von 0,6 Prozent gerechnet.
Die schwache Industrie und die Zinserhöhungen der vergangenen Monate dürften die Wirtschaftsleistung im zweiten Halbjahr deutlich belasten. Die OECD traut der deutschen Wirtschaft in diesem Jahr kein Wachstum zu, sondern erst wieder 2024. Das Hamburgische Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) rechnet in diesem Jahr sogar mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von 0,5 Prozent.
Für die türkische Lira ging es so stark abwärts wie seit zwei Jahren nicht mehr. Der Euro erreichte ihr gegenüber einen Rekordstand von 24,99 Lira pro Euro. Marktbeobachter vermuten, dass die türkische Notenbank ihre Eingriffe zur künstlichen Stabilisierung der heimischen Devise nach der Wiederwahl von Staatspräsident Erdogan zurückgefahren hat. Wegen des Lira-Ausverkaufs erwartet Commerzbank-Analyst Ulrich Leuchtmann eine baldige Not-Zinserhöhung der Notenbank. Diese könnte den Kursverfall zumindest kurzfristig stoppen.
Der Euro drehte nach anfänglichen Verlusten ins Plus. Am späten Abend notiert die europäische Gemeinschaftswährung bei 1,0702 Dollar. Die EZB hatte den Referenzkurs gestern Nachmittag auf 1,0683 Dollar festgesetzt. Die Feinunze Gold wurde bei 1942 Dollar gehandelt.
Nach den deutlichen Aufschlägen zum Wochenstart konnten die Erdölpreise zur Wochenmitte weiter zulegen. Die wöchentlichen Lagerdaten aus den USA stützten die Notierungen. Die Bestände an Rohöl sanken zur Vorwoche um 0,5 Millionen auf 459,2 Millionen Barrel (159 Liter). Analysten hatten dagegen mit einem Anstieg um 1,5 Millionen Barrel gerechnet. Am Abend kostete ein Barrel der Nordseesorte Brent zur Lieferung im August 77,17 Dollar. Das ist ein Prozent mehr als gestern.
Einer der Gewinner im DAX war die E.ON-Aktie. Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, will den Netzbetreibern höhere Renditen auf ihre Investitionen einräumen. Der Eigenkapitalzins dafür steige 2024 von 5,07 auf 7,09 Prozent, sagte Müller dem "Handelsblatt". Analyst Alberto Gandolfi von Goldman Sachs kommentierte diese Aussicht mit "big positive". Er errechnete für E.ON bis 2027 einen zusätzlichen Vorsteuergewinn von rund 150 Millionen Euro.
Positive Nachrichten gab es auch für die deutschen Autobauer VW, BMW und Mercedes-Benz: Der Hochlauf im chinesischen Automarkt hat sich im Mai trotz der allgemeinen Konjunkturflaute weiter beschleunigt. 1,76 Millionen Fahrzeuge wurden im Einzelhandel ausgeliefert, wie der Branchenverband PCA (Passenger Car Association) auf Basis vorläufiger Daten mitteilte. Dies entspricht einem Plus von 30 Prozent im Vergleich zu Vorjahreszeitraum.
Fielmann wagt mit zwei Übernahmen den Sprung in die USA. Die Optikerkette kauft dazu den US-Augenoptiker SVS Vision mit mehr als 80 Geschäften und das kanadische Unternehmen Eyevious Style mit dessen Online-Plattform Befitting. Dabei werde SVS mit umgerechnet rund 105 Millionen Euro bewertet, Eyevious mit etwa 35 Millionen Euro - jeweils ohne Barmittel und Schulden. Während die Eyevious-Übernahme umgehend vollzogen werden soll, will das SDAX-Unternehmen den Kauf von SVS Vision bis zum 31. August unter Dach und Fach haben.
Rheinmetall will noch in diesem Sommer weitere Panzer sowie Flugabwehr-Munition an die Ukraine liefern. Der Rüstungskonzern hat vom Bundesverteidigungsministerium einen Auftrag über 20 "Marder"-Schützenpanzer bekommen. Wie viel die Panzer kosten, bleibt vage. Die Rede ist von einem mittleren zweistelligen Millionen-Euro-Betrag.
Die Aktie von MorphoSys setzte ihren Höhenflug fort. Seit Jahresbeginn hat das Papier des Antikörperspezialisten rund 120 Prozent gewonnen und zuletzt das höchste Niveau seit Anfang 2022 erreicht. Vor einer Woche hatte UBS-Analystin Xian Deng den Biotech-Titel mit Kursziel von 47 Euro zum Kauf empfohlen. Richtig war der TecDAX-Titel aber erst an diesem Montag nach erfolgreicher Bodenbildung über den Hochs der vergangenen Monate.
Der Laborausrüster Stratec baut sein US-Geschäft durch eine Übernahme aus. Das SDAX-Unternehmen erwirbt für 30 Millionen Dollar Natech Plastics, einen Zulieferer mit Kunden aus der Medizintechnik, In-vitro-Diagnostik, Life Sciences und Konsumgüter. Ab 2024 sei aus der Übernahme ein "neutraler bis leicht positiver Effekt" zu erwarten, hieß es.
Einer der größten Gewinner im Leitindex der Eurozone, dem EuroStoxx 50, war die Inditex-Aktie. Der Zara-Mutterkonzern kann weiterhin der allgemeinen Konsumflaute trotzen. Umsatz und operatives Ergebnis stiegen im ersten Geschäftsquartal bis Ende April kräftig. Die neuen Sommerkollektionen kommen den Angaben zufolge bei der Kundschaft gut an, sodass auch in den vergangenen Wochen die Geschäfte gut liefen. Analysten zeigten sich angetan.
Der österreichische Stahlkonzern Voestalpine hat im abgelaufenen Geschäftsjahr 2022/23 (per Ende März) Rekordwerte bei Umsatz und operativem Ergebnis erzielt. Unter dem Strich sank der Gewinn hingegen um 11,4 Prozent auf 1,2 Milliarden Euro. Die Aktionäre sollen dennoch eine um 30 Cent höhere Dividende von 1,50 Euro je Aktie erhalten.
Boeing hat einen neuen Defekt bei seinem von einer Produktions-Pannenserie geplagten Langstreckenjet 787 Dreamliner identifiziert. Der US-Flugzeugbauer untersucht derzeit eine Reihe noch nicht an Kunden übergebener Maschinen, bei denen vor der Auslieferung Nacharbeiten nötig werden könnten. Das Problem sei nach derzeitigem Kenntnisstand jedoch nicht akut sicherheitsrelevant und dürfte auch am Auslieferungsziel für das Gesamtjahr zunächst nichts ändern.
Die US-Börsenaufsicht SEC hat mit Coinbase eine weitere große Handelsplattform für Digitalwährungen wie Bitcoin verklagt. Coinbase habe Kryptoanlagen zum Handel angeboten, die die SEC als Wertpapiere einstufe und die vom Unternehmen entsprechend hätten registriert werden müssen, hieß es in der gestern bei Gericht in New York eingereichten Klageschrift. Coinbase betreibe eine illegale US-Wertpapierhandelsbörse und führe dabei auch bestimmte andere Finanzdienstleistungen ohne nötige Zulassung aus.