Spitzengespräche zum Hilfspaket für Griechenland Weichenstellungen für Milliardenhilfe
Deutsche Politiker diskutieren weiter heftig über die Griechenlandhilfe. Gestritten wird auch darum, ob auch die Banken in die Pflicht genommen werden sollen. Vertreter der Bundesregierung, des Internationalen Währungsfonds sowie der Europäischen Zentralbank wollen heute über die nächsten Schritte beraten.
Angesichts einer weiteren Herabstufung der Kreditwürdigkeit Griechenlands erhöht sich der Druck auf die Bundesregierung, rasch über mögliche Milliardenhilfen zu entscheiden. Bei einem Treffen unter der Leitung von Kanzlerin Angela Merkel sollte heute das weitere Vorgehen abgestimmt werden.
Eingeladen waren Außenminister Guido Westerwelle, Finanzminister Wolfgang Schäuble, Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Kanzleramtschef Ronald Pofalla sowie Vertreter der Ministerien für Wirtschaft und Inneres. Zudem sind der Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF), Dominique Strauss-Kahn, sowie der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, heute zu Gesprächen mit Merkel und Schäuble in Berlin.
Gipfel der Eurogruppe geplant
EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy kündigte einen Krisengipfel der Staats- und Regierungschefs der Eurogruppe an. Das Treffen solle "um den 10. Mai herum" stattfinden, sagte Van Rompuy. Die Staats- und Regierungschefs würden dann - in Absprache mit der EU-Kommission, der EZB und dem IWF - über die Auszahlung der von Griechenland beantragten Finanzhilfen entscheiden. Die Beratungen über die Freigabe der Finanzhilfen seien "auf gutem Wege", sagte Van Rompuy. Es gehe nicht darum, private Gläubiger wie Banken an der Hilfsaktion zu beteiligen, betonte der EU-Ratspräsident: "Eine Restrukturierung der Schulden steht nicht zur Debatte."
Druck auf Banken wächst
Unterdessen mehren sich Stimmen, die Banken in die Pflicht zu nehmen. Diejenigen, die hohe Zinsen für Griechenland-Anleihen kassiert hätten, sollten sich an den Kosten einer Rettungsaktion beteiligen, sagte der Vorsitzende des Bundestagsfinanzausschusses, der FDP-Politiker Volker Wissing, der "Frankfurter Rundschau". Ähnlich äußerte sich der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Leo Dautzenberg. Man müsse die Möglichkeit prüfen, die Gläubiger heranzuziehen, betonte der CDU-Politiker. Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast forderte: "Kanzlerin Merkel muss die Vorstände aller Banken, die am griechischen Desaster Geld verdient haben, zum Rapport ins Kanzleramt vorladen."
Deutsche Bank signalisiert Entgegenkommen
Die Deutsche Bank schloss eine Beteiligung privater Geldinstitute an der Rettung Griechenlands nicht aus. Die Banken könnten dabei eine bestimmte Höhe des an den griechischen Staat verliehenen Geldes abschreiben, sagte Deutsche-Bank-Chefvolkswirt Thomas Mayer. "Der Hauptgedanke ist, dass der Geldgeber aus dem Privatsektor eine gewisse Summe zur Restrukturierung der Schulden des Landes beisteuern", sagte Mayer bereits am Montag. Seine Äußerungen waren allerdings erst gestern Abend zur Veröffentlichung freigegeben worden. Würde man die griechischen Schulden von 300 Milliarden Euro um die Hälfe verringern, könnte das Land wahrscheinlich an die Märkte zurückkehren und wieder Kapital aufnehmen, meinte Mayer. Fünfzig Milliarden Euro könnten beispielsweise von privaten Investoren übernommen werden.
Im Gegensatz zu anderen Kreditinstituten ist die Deutsche Bank von den Finanzproblemen Griechenlands kaum betroffen. Die Hypo Real Estate und Commerzbank, die selbst durch staatliche Rettungsmaßnahmen vor dem Kollaps bewahrt wurden, haben den Griechen indes rund elf Milliarden Euro geliehen.
Wirtschaftsforscher glauben nicht an Rückzahlung der Kredite
Der Präsident des Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo, Hans-Werner Sinn, glaubt nicht, dass Griechenland die von Deutschland geplanten Finanzhilfen je zurückzahlen wird. Die Regierung in Athen werde letztlich nicht in der Lage sein, einen harten Sparkurs zu fahren, sagte er dem Nachrichtenradio MDR Info. Nach einigen Jahren werde sich herausstellen, "dass sie es nicht stemmen können". Auf politischem Wege werde von Deutschland dann ein Schuldenerlass verlangt werden. Sinn äußerte Verständnis für das Zögern der Bundesregierung bei der Hilfszusage. Sei das Geld erst einmal bereit gestellt, "dann hat man kein Druckmittel mehr gegenüber Griechenland", sagte der Wirtschaftsforscher.
Der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, Ulrich Blum, sieht in der gestrigen Einstufung der Kreditwürdigkeit Athens von Ratingagenturen auf "Junk" eine Vorentscheidung für eine mögliche Zahlungsfähigkeit. "Die Märkte sind offenbar zur Entscheidung gekommen, dass Griechenland anhand schlechter Fundamentaldaten die Schulden nicht mehr aus eigener Kraft zurück zahlen kann" sagte Blum MDR info. "Die Gläubiger müssen erkennen, dass die ganzen Ausleihungen von fast 200 Milliarden Euro nicht mehr einbringbar sind", sagte der Ökonom und kam zu dem Fazit: "Der Stab über Griechenland ist damit eigentlich gebrochen."
Scharfe Kritik der SPD
Unterdessen kritisierte die SPD-Spitze das Vorgehen der Bundesregierung scharf. "Merkel hat das Volk hinters Licht geführt, die Deutschen belogen", sagte Parteichef Sigmar Gabriel dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Merkel inszeniere sich zwar als die eiserne Kanzlerin, die Griechenland in die Schranken weise. In Wahrheit verhandelten sie und Finanzminister Schäuble jedoch bereits über deutsche Hilfsleistungen in Milliardenhöhe, fügte Gabriel hinzu.
In einem Gespräch mit der DPA forderte der SPD-Chef zudem eine Finanzmarktsteuer von bis zu einem Prozent, um die Hilfe für Athen zu bezahlen. Auf diese Art würden Spekulanten an den Kosten der Krise beteiligt, so Gabriel.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf Merkel ein "Versteckspiel" vor. Die Regierung spiele auf Zeit, um mit der Wahrheit erst nach der Wahl in Nordrhein-Westfalen rausrücken zu müssen, sagte Steinmeier der "Passauer Neuen Presse".
Countdown läuft
Am Wochenende will der IWF seine Gespräche über ein dreijähriges hartes Sparprogramm Griechenlands abschließen. Danach bewerten EZB und EU-Kommission die Ergebnisse der IWF-Mission. Es ist zu erwarten, dass Strauss-Kahn in Berlin über den Stand der Mission berichtet. An Schäubles Gesprächen mit dem IWF-Chef und Trichet sollen jeweils auch die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen teilnehmen.